Leitsatz:
Auch nach Umstellung auf das digitale terrestrische Fernsehen hat der Vermieter die Gemeinschaftsantenne dergestalt in Ordnung zu halten, dass der Mieter unter Verwendung der von ihm auf eigene Kosten angeschafften Set-Top-Box störungsfrei über die in der Wohnung vorhandene Antennenbuchse die üblichen Programme empfangen kann.
AG Charlottenburg, Urteil vom 23.7.04 – 213 C 677/02 –
Mitgeteilt von RA Hans-Joachim Gellwitzki
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagte ist Vermieterin, die Kläger sind durch Mietvertrag vom 7.12.1995 seit dem 1.1.1996 Mieter der Wohnung T.-Str., Berlin, 5. Obergeschoss rechts. Die Wohnung ist seit Beginn des Mietverhältnisses mit einer Antennenbuchse ausgestattet, die an die Gemeinschaftsantenne auf dem Dach des Gebäudes angeschlossen ist. Über diese konnten die Kläger die herkömmlichen Fernsehprogramme empfangen.
Seit dem 19.4.2002 bemängelten die Kläger gegenüber der Hausverwaltung wiederholt ein schlechtes Fernsehbild und forderten die Beklagte unter Fristsetzung dazu auf, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die Beklagte ließ daraufhin am 13.5.2002 und 12.1.2003 die Antennenanlage von einer Elektrofirma überprüfen. Von anderen der 16 Mietparteien des Hauses liegen keine Beschwerden über den Fernsehempfang vor. Seit Juli 2002 zahlen die Kläger 80 Euro monatlich weniger Miete unter Verweis auf den bemängelten Empfang.
Mit Umstellung der Sender von analoger auf digitale terrestrische Übertragung im Sommer 2003 schafften sich die Kläger eine so genannte Set-Top-Box an, um digital Programme über die Antennenbuchse zu empfangen.
Mit der Klageschrift vom 12.12.2002 hatten die Kläger zunächst die Herstellung einwandfreien analogen Empfangs ohne Schattierungen und schneeiges Bild begehrt. Mit Schriftsatz vom 10.3.2003 haben sie die Klage nach der Umstellung auf digitalen terrestrischen Empfang auf störungsfreien digitalen Empfang umgestellt.
Die Kläger behaupten, dass es seit Verwendung der Set-Top-Box zu Bildausfällen komme, da diese von der Hausantenne keine Signale erhalte.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Kläger über die Antennenbuchse in ihrer im Hause T.-Str., Berlin, im 5. Obergeschoss rechts gelegenen Wohnung die digital ausgestrahlten Fernsehprogramme ohne Unterbrechung mit hinreichend starken Impulsen und Signalen in einer technisch einwandfreien Bildqualität empfangen können.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass die Antennenanlage einwandfrei funktioniere. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist in der Form der zulässigen, da sachdienlichen, Klageänderung begründet.
Die Kläger haben einen Anspruch auf Herstellung eines einwandfreien digitalen Fernsehempfangs über ihre Antennenbuchse durch die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 GG.
Die Beklagte ist verpflichtet, die vermietete Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Teil des vertragsgemäßen Gebrauchs ist die Möglichkeit, über die Gemeinschaftsantenne Fernsehprogramme zu empfangen. Denn bei Anmietung der Wohnung war diese unstreitig mit einem Antennenanschluss ausgestattet, über den Fernsehempfang möglich war. An dieser mietvertraglichen Pflicht ändert auch die allgemeine Umstellung auf digitales terrestrisches Fernsehen nichts. Ist Inhalt des Mietvertrages die störungsfreie Nutzung einer Gemeinschaftsantenne, bedeutet dies insbesondere, dass auch die grundrechtlich geschützte informationelle Grundversorgung über diese Gemeinschaftsantenne erfolgen muss.
Die Kläger haben ihre Behauptung, dass der Empfang der digital ausgestrahlten Fernsehprogramme über die Antennenbuchse mangelhaft sei und es hierbei insbesondere zu Bildausfällen komme, bewiesen. Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei 12 von 27 möglichen Programmen der Empfang mangelhaft ist. Nach dem Gutachten und der Erläuterung des Sachverständigen F., denen das Gericht in vollem Umfang folgt, ist ein störungsfreier Empfang der öffentlich-rechtlichen Kanäle „Das Erste“, RBB Berlin, RBB Brandenburg, Phoenix (Kanal 27/Sendefrequenz 522 MHz) und ZDF, 3Sat/ZDF Infokanal und KiKa/ZDF Dokukanal (Kanal 33/Sendefrequenz 570 MHz) sowie der Programme BBCWorld, FAB, WDR Fernsehen und Südwest Fernsehen (Kanal 5/Sendefrequenz 177,5 MHz) nicht möglich. Der Sachverständige hat zudem dargelegt, dass die Ursache dafür im Bereich der Empfangsantennen oder Verstärker liegt, da Referenzmessungen ergaben, dass am fraglichen Ort ein störungsfreier Empfang grundsätzlich möglich ist.
Da die störungsfreie Nutzung der Gemeinschaftsantenne den Klägern nicht mehr möglich ist, hat die Beklagte als Vermieterin den vertragsgemäßen Zustand der Antennenbuchse durch entsprechende von ihr zu wählende Instandsetzungsmaßnahmen wiederherzustellen. Nach Umstellung von analoger auf digitale Übertragung bedeutet „vertragsgemäß“, dass die Kläger unter Verwendung der von ihnen auf eigene Kosten angeschafften Set-Top-Box störungsfrei über die in der Wohnung vorhandene Antennenbuchse die Programme empfangen können, welche sie empfangen könnten, wenn die Gemeinschaftsantenne ordnungsgemäß funktionieren würde. Dazu gehören mindestens die öffentlich-rechtlichen Programme, welche die informationelle Grundversorgung gewährleisten. Gerade diese sind aber nach dem Sachverständigengutachten von den Ausfällen betroffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 9 ZPO. Angemessen ist allerdings lediglich eine fiktive Minderung von 2 % und nicht die vorgenommene Minderung von 10 %, da die Kläger selbst nicht behaupten, dass ein Fernsehempfang gar nicht mehr möglich sei und das Sachverständigengutachten ergeben hat, dass immerhin mehr als die Hälfte der ausgestrahlten Fernsehprogramme störungsfrei empfangen werden kann.
10.03.2013