Leitsätze:
1. Bei der Ermächtigung zur Kündigung handelt es sich um die Befugnis, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu machen. Es kommt daher maßgebend darauf an, ob in der Person des Vermieters, d.h. des Ermächtigenden, Kündigungsgründe bestehen.
2. Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen können grundsätzlich die Kündigung des Mietverhältnisses nicht rechtfertigen. Eine Verwertungskündigung kann allenfalls erfolgen, wenn dem Vermieter ein Vorgehen nach § 554 BGB nicht möglich ist.
3. Die Absicht, die Wohnung nach Abschluss von Sanierungsarbeiten zu höheren Mieten zu vermieten, stellt sich als eine – die Kündigung ausschließende – nicht schutzwürdige Spekulation dar.
4. Der Eigentümer ist mit der Verwertungskündigung ausgeschlossen, wenn er das Grundstück in Kenntnis der Unwirtschaftlichkeit erworben hat.
AG Mitte, Urteil vom 13.8.04 – 6 C 159/04 –
Mitgeteilt von RA Kai-Guido Erdmann
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte ist seit dem 4.6.1991 Mieter in der B.-Straße in Berlin, im 2. OG rechts des 1. Quergebäudes gelegenen Wohnung. Der Mietzins beträgt seitdem unverändert 0,51 Euro.
Vermieterin ist die H.-Vertriebs Gesellschaft mbH. Diese veräußerte am 27.1.2003 das in Berlin, B.-Straße belegene mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück zu einem Preis von 406.515,64 Euro an die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt noch als „B. GmbH & Co. B.-Straße KG“ firmierte. Ende Oktober 2003 erfolgte die Umfirmierung in „B.-Straße GmbH & Co. KG“.
Der Klägerin waren bei Vertragsabschluss die mietvertraglichen Verhältnisse und die daraus resultierende Unrentabilität der Immobilie bekannt.
Die Klägerin ist bislang nicht als Eigentümerin des Hausgrundstücks B.-Straße im Grundbuch eingetragen.
Am 27.10.2003 ermächtigte die H.-Vertriebs Gesellschaft mbH die Klägerin, die Mietverhältnisse auf dem Grundstück B.-Straße in Berlin in eigenem Namen zu kündigen.
Mit Schreiben vom 29.10.2003 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31.7.2004.
Unter Berufung auf § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB sieht sie sich bei Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer wirtschaftlichen Verwertung gehindert und dadurch erheblichen Nachteilen ausgesetzt.
Die Klägerin beabsichtigt, im Dachgeschoss neuen Wohnraum zu schaffen (262,83 Quadratmeter), eine zentrale Gas- und Warmwasseranlage einzubauen, eine Aufzugsanlage zu installieren sowie die Wohnungen mit Balkonen auszustatten.
Die Klägerin behauptet, die Bausubstanz und die Ausstattung der Wohnungen sei dringend sanierungsbedürftig. Sie beabsichtige, nach Durchführung der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen die Wohnungen zu ortsüblichen Mieten zu vermieten. Bei Fortsetzung der Mietverhältnisse sei eine rentable Bewirtschaftung – mit oder ohne Sanierung – nicht möglich. Dies ergebe sich aus der von ihr eingereichten Wirtschaftlichkeitsberechnung. Ein Vorgehen nach § 554 BGB sei ihr nicht möglich, da über § 559 BGB allenfalls eine Mieterhöhung auf 1,69 Euro netto-kalt pro Quadratmeter möglich wäre. Zur rentablen Bewirtschaftung sei jedoch eine Nettokaltmiete von 6,00 Euro pro Quadratmeter erforderlich. Diese könne nur bei Neuvermietung erzielt werden. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihre Kenntnis von der mangelnden Rentabilität bei Erwerb des Objekts einer Verwertungskündigung nicht entgegensteht.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die von ihm im Haus der Klägerin B.-Straße in Berlin innegehaltene, im 2. OG rechts des 1. Quergebäudes gelegene Wohnung, bestehend aus 2 Zimmern, Küche und WC zum 31.7.2004 geräumt an die Klägerin zu Händen ihrer Hausverwaltung zu übergeben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB, denn die Kündigung vom 29.10.2003 hat das Mietverhältnis nicht beendet.
Soweit der Beklagte allerdings bestritten hat, dass die Klägerin mit der „B.-GmbH & Co. B.-Straße KG“ identisch ist, war dieses Bestreiten angesichts der von der Klägerin vorgelegten Handelsregisterunterlagen unbeachtlich. Das Gericht hat insoweit keinen Zweifel.
Zunächst kann es dahin stehen, ob die Klägerin wirksam durch die H.-Vertriebs Gesellschaft mbH (im folgenden: HGV) zur Kündigung der bestehenden Mietverhältnisse ermächtigt wurde. Bei der Ermächtigung handelt es sich nämlich um die Befugnis, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu machen. Die Klägerin will hier das dem Vermieter gegebenenfalls zustehende Kündigungsrecht ausüben. Es kommt daher maßgebend darauf an, ob in der Person des Vermieters, d.h. der HGV, Kündigungsgründe bestehen. Dafür ist nichts ersichtlich. Die HGV ist schon deshalb nicht zu einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB befugt, da sie das Grundstück bereits durch Veräußerung an die Klägerin zu einem für sie offensichtlich zufrieden stellenden Erlös wirtschaftlich verwertet hat. Auf die fehlende Rentabilität kann sie sich daher nicht mehr berufen. Die bezeichneten Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten will sie selbst nicht durchführen. Sanierungsvorhaben, die erst ein Erwerber durchführen will, berechtigen aber nicht zur Kündigung (LG Aachen WM 1991, 495). In der Person des Vermieters sind somit keine Kündigungsgründe gegeben, so dass die Ermächtigung ohnehin ins Leere geht.
Die Klägerin selbst kann aus Gründen, die in ihrer Person bestehen, nicht kündigen, da sie (noch) nicht Vertragspartei ist und nicht auf das zwischen der HGV und dem Beklagten bestehende Mietverhältnis einwirken kann.
Aber auch wenn die Klägerin bereits selbst (d.h. aus Gründen, die in ihrer Person bestehen) zur Kündigung befugt wäre, wäre die auf § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützte Kündigung unwirksam, da dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Zum einen ist es bereits fraglich, ob Sanierungs- oder Modernisierungsvorhaben überhaupt die Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen können (LG Frankfurt a.M. WM 1995, 441). Der BGB-Gesetzgeber hat ausdrücklich entschieden, dass umfangreiche Reparaturarbeiten eine Kündigung nicht begründen können (Motive II, 418). Dem ist der moderne Gesetzgeber dadurch gefolgt, dass er in den §§ 554, 559 BGB dem Vermieter die Möglichkeit eröffnet hat, die notwendigen Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten auch bei bestehendem Mietverhältnis durchführen zu können. Eine Verwertungskündigung kann daher nur erfolgen, wenn dem Vermieter ein Vorgehen nach § 554 BGB nicht möglich ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, § 573 Rn 35; AG Dortmund NJW-RR 1992, 521). Dafür ist hier nichts ersichtlich oder vorgetragen. Dass das Bestehen des Mietverhältnisses der Durchführung der geplanten Maßnahmen, die im Wesentlichen die Außenanlagen und nicht die Wohnung des Beklagten selbst betreffen, entgegensteht, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin macht nur geltend, dass sie letztlich über § 559 BGB die Miete nicht in ausreichendem Maße erhöhen kann. Damit stellt es sich aber so dar, dass die Kündigung im Ergebnis erfolgen soll, um eine höhere Nettokaltmiete zu erzielen, was gerade kein zulässiger Kündigungsgrund ist (§ 573 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 2. HS BGB). Die Absicht, die Wohnungen nach Abschluss der Sanierungsarbeiten zu höheren Mieten zu vermieten, stellt sich vielmehr als nicht schutzwürdige Spekulation dar. Die Klägerin kann sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht darauf berufen, dass das Objekt bei Weitervermietung im jetzigen Zustand nicht rentabel betrieben werden kann und sie deshalb erhebliche Nachteile i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erleiden würde. Die Klägerin hat hier wissentlich ein renditeloses Haus, welches sich im Zustand erheblicher Instandsetzungsbedürftigkeit befindet, erworben. Der Klägerin war bekannt, dass nur Mieteinnahmen in symbolischer Höhe erzielt werden (seit immerhin über 10 Jahren !) und erheblicher Investitionsbedarf besteht. Dementsprechend hat sie das Objekt auch zu einem günstigen Preis von 406.515,64 Euro erwerben können. Insofern hat die Klägerin den künftig zu erwartenden Nachteil sehenden Auges durch den Kauf selbst herbeigeführt. Diese Vorgehensweise kann eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht rechtfertigen (vgl. AG Neukölln MM 1992, 32). Nach der Rechtsprechung ist der Eigentümer mit der Verwertungskündigung vielmehr ausgeschlossen, wenn er das Grundstück in Kenntnis der Unwirtschaftlichkeit erworben hat (KG GE 2002, 395). Diese Vorgehensweise widerspricht auch dem allgemeinen Rechtsgedanken, wonach sich derjenige nicht auf den Eintritt einer Tatsache berufen darf, der sie treuwidrig selbst herbeigeführt hat (AG Neukölln MM 1992, 32; vgl. auch LG Berlin MM 1996, 24). Es erscheint auch im Gesamtzusammenhang treuwidrig, wenn die Vermieterseite – was sich die Klägerin zurechnen lassen muss – sich zunächst auf rein symbolische Mieten einlässt, die eine rentable Bewirtschaftung von Anfang an nicht erwarten ließen, diese über 10 Jahre beibehält und nunmehr eben dies zur Begründung der Wohnraumkündigung heranzieht. …
II.
Gegen dieses Urteil wird die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO zugelassen.
Die Frage, ob das Vorgehen der Klägerin nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gedeckt ist und eine Kündigung rechtfertigt, hat nach Auffassung des Gerichts grundsätzliche Bedeutung, denn es ist zu erwarten, dass auch andere Investoren diese Praxis auf andere Mietverhältnisse anwenden würden, sollte sie sich entgegen der hier vertretenen Auffassung als zulässig erweisen.
10.03.2013