Leitsätze:
1. Die Formularklausel „Der Vermieter und sein Beauftragter können die Mieträume werktäglich von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr zur Prüfung ihres Zustandes betreten“ ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Klausel keine Bestimmung enthält, die dieses Zutrittsrecht von einer vorherigen Terminabsprache mit dem Mieter abhängig macht.
2. Auch ohne eine vertragliche Vereinbarung trifft den Mieter die Nebenpflicht, dem Vermieter alle ein bis zwei Jahre auch ohne konkreten Grund das Betreten der Mieträume an einem Werktag zu gestatten, damit dieser den Zustand der Räume prüfen kann.
3. Eine solche Besichtigung ist eine Woche vor dem gewünschten Termin anzukündigen.
4. In der Regel ist die Anzahl der Personen, welchen als Angehörigen der Hausverwaltung Zutritt zur Wohnung gestattet werden muss, auf zwei zu begrenzen.
LG Berlin, Urteil vom 24.11.03 – 67 S 254/03 –
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Jedoch verstößt die Klausel gegen das Verbot, den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen zu benachteiligen, § 307 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift des § 307 BGB ist vorliegend anwendbar, da es sich bei der Klausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB handelt und diese in den Vertrag miteinbezogen wurde. ln der Klausel wird geregelt, dass der „Vermieter und sein Beauftragter … die Mieträume werktäglich von 10 bis 13 und 15 bis 18 Uhr zur Prüfung ihres Zustandes betreten können“. Was die Klausel nicht enthält, ist eine Bestimmung, welche dieses Zutrittsrecht von einer vorherigen Terminabsprache zwischen Mieter und Vermieter abhängig macht. Eine solche ist indes notwendig, da es dem Mieter schon allein auf Grund seines Rechts auf Privatsphäre als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG gestattet sein muss, einem Besucher ungewollte Einblicke in den persönlichen Lebensbereich zu verwehren. Zudem ist gerade bei Dauerschuldverhältnissen auf die berechtigten Interessen der Parteien Rücksicht zu nehmen. Dazu gehört auch, die Berufstätigkeit des Mieters zu berücksichtigen. Somit kann insbesondere ein vormittäglicher Besuch zur üblichen Arbeitszeit ohne Absprache grundsätzlich nicht möglich sein. Wenn der Vermieter sich durch eine formularmäßige Vereinbarung nicht von seiner grundsätzlichen Ankündigungspflicht freizeichnen kann (allgemeine Meinung, vgl. Schmidt-Futterer, § 535 BGB, Rn. 163; Franke, DWW 1998, 300; Steinig, GE 2000, 1452, 1453), so müsste die Klausel auch eine dahingehende Regelung enthalten. Denn ohne eine solche Regelung ist eine Klausel diesbezüglich unklar und somit gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, hier also des Klägers, auszulegen. Die Klausel ist, soweit sie das allgemeine Recht zur Prüfung des Wohnungszustandes betrifft, insgesamt unwirksam, da eine geltungserhaltende Reduktion wegen Verstoßes gegen den Schutzzweck der §§ 307 ff. nicht möglich ist (Palandt/Heinrichs, Vorb. vor § 307 BGB, Rn. 8 m.w.N.).
Eine Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger und Mitarbeitern der von ihm beauftragten Hausverwaltung Zutritt zu gewähren, ergibt sich indes aus der Pflicht des Mieters, dem Vermieter die Wahrnehmung seiner vertraglichen Instandhaltungspflichten zu gestatten.
Hieraus ergibt sich zum einen die Pflicht, etwa alle ein bis zwei Jahre dem Vermieter auch ohne konkreten Grund oder vertragliche Vereinbarung das Betreten der Mieträume zu gestatten, um den Zustand prüfen zu können (LG Berlin, GE 1980, 76, 77; Franke, DWW 1998, 298; Sternel, Mietrecht, Teil II, Rn. 292). Da vorliegend jedenfalls seit dem Spätsommer 2001 von Vermieterseite niemand mehr in der Wohnung war, ist eine solche Zweijahresfrist abgelaufen, so dass der Vermieter schon deshalb Zutritt verlangen kann.
Ferner ergibt sich das Zutrittsrecht daraus, dass der Kläger in Wahrnehmung seiner Instandhaltungspflicht einen Außenanstrich der Fenster plant. Will der Vermieter nämlich Modernisierungs- oder Sanierungsarbeiten durchführen, muss der Mieter das Betreten der Räumlichkeiten zur Feststellung des Umfanges der Arbeiten beziehungsweise zum Zwecke der Planung der baulichen Maßnahmen hinnehmen (AG Schöneberg, GE 1987, 629; Schmidt-Futterer, § 535 BGB, Rn. 155). Selbst wenn man von der klägerseits bestrittenen Durchführung eines solchen Anstriches in der streitgegenständlichen Wohnung ausgeht, muss dem Kläger gestattet sein, durch Betreten der Wohnung die Qualität der durchgeführten Arbeiten zu überprüfen. Erst nach einer solchen Prüfung kann er nämlich entscheiden, welche Maßnahmen er im Rahmen seiner lnstandhaltungspflicht tatsächlich zu treffen hat.
Auch ergibt sich aus der Instandhaltungspflicht des Vermieters, dass der Vermieter bei Substanzgefährdung des Mietobjektes ein Recht haben muss, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Und zur Vornahme einer solchen Gegenmaßnahme ist zunächst notwendig, dass der Vermieter das möglicherweise substanzgefährdete Objekt inspizieren kann (Schmidt-Futterer, § 535 BGB, Rn. 156; Staudinger/Emmerich, § 535 BGB, Rn. 99). Hier liegt zumindest der Verdacht einer solchen Substanzgefährdung vor, da die Gefahr einer Verwahrlosung der Mieträume gegeben ist. Denn dem Vortrag des Beklagten selbst ist zu entnehmen, dass die Wohnung mit allerlei Sachen vollgestellt ist, so dass man nicht an die Fenster herankommt und sich überall durchschlängeln muss. Zwar trägt der Beklagte vor, dass er trotz alledem ausreichend lüfte. Jedoch kann eine derartige Vollstellung der Wohnung auch dazu führen, dass für die Substanzerhaltung notwendige minimale Hygienestandards nicht mehr eingehalten werden können.
Unter Berücksichtigung der beruflichen und privaten Interessen des Mieters erscheint vorliegend eine Ankündigung der Besichtigung eine Woche vor dem gewünschten Termin angemessen. Die Besichtigung hat zu den normalen Besuchszeiten an einem Werktag stattzufinden. Auch wenn bei der Festlegung solcher Besichtigungstermine grundsätzlich auf die berufliche Tätigkeit des Mieters Rücksicht genommen werden muss (Sternel, Mietrecht, Teil II, Rn. 293), ist es diesem trotz Nachtarbeit zuzumuten, an einem vorher angekündigten Werktag zur normalen Besuchs- und Arbeitszeit aufzustehen.
Zutritt können hier nur die vom Kläger in der Anschlussberufung vorgeschlagenen Mitarbeiter, Herr B. und Frau H., verlangen. Die Anzahl der Personen, welchen als Angehörigen der Hausverwaltung Zutritt zur Wohnung gestattet werden muss, war nämlich auf maximal zwei zu begrenzen. Die Anzahl ergibt sich aus dem Besichtigungszweck der Zustandsüberprüfung, welcher bei der Bestimmung des Personenkreises maßgeblich ist (vgl. Schmidt-Futterer, § 535 BGB, Rn. 159; Sternel, Mietrecht, Teil ll, Rn. 294). Es kann unter Berücksichtigung der Privatsphäre (Art. 2 Abs. 1 GG) des Mieters und dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) nicht angehen, dass sämtliche Mitarbeiter der Hausverwaltung die Wohnung besichtigen. …
31.12.2016