Leitsatz:
Zur Frage, ab welchem Zeitpunkt die Miete gemäß § 560 Abs. 3 BGB zu senken ist.
AG Schöneberg, Urteil vom 22.1.03 – 104 C 541/02 A –
Mitgeteilt von RA Klaus Henningsen
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Miete für den Monat Juni 2002 in Höhe von 255,54 Euro gemäß § 535 Abs.2 BGB.
1. Zwar besteht unstreitig zwischen den Parteien ein Mietverhältnis über eine 206,12 Quadratmeter große Sechszimmerwohnung im Hause A.-Platz. Die Parteien sind auch darüber einig, dass die Beklagten im Juni 2002 eine Brutto-Kalt-Miete von 710,65 Euro zuzüglich 143,16 Euro Vorschuss auf die Heizkostenumlage, zusammen 853,81 Euro schuldeten. Tatsächlich haben sie unstreitig für diesen Monat nur 598,27 Euro bezahlt.
2. In Höhe der Differenz von 255,54 Euro ist die Forderung der Klägerin jedoch gemäß §389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Bereicherungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB gegen die Klägerin erloschen.
Den Beklagten steht ein Bereicherungsanspruch in Höhe von 255,60 Euro zu, weil – entgegen der Erklärung der von der Klägerin bevollmächtigten Hausverwaltung vom 13.3. 2002 – sich ihre Miete entsprechend § 560 Abs. 3 BGB im Verhältnis der Ermäßigung der Betriebskosten nicht erst ab 1.4.2002 um monatlich 17,04 Euro verringert hat, sondern bereits ab 1.1.2001. Um die im Jahre 2001 und im ersten Quartal 2002 monatlich von den Beklagten ohne Rechtsgrund gezahlten 17,04 Euro ist die Klägerin auf Kosten der Beklagten bereichert. Die Summe hat sie den Beklagten zu erstatten.
a) Gemäß Art. 229 § 3 Abs. 4 2. HS EGBGB ist bei einem am 1.9.2001 bestehenden Mietverhältnis, bei dem eine Bruttomiete vereinbart ist, die Regelung des § 560 Abs. 3 BGB entsprechend anzuwenden, das heißt, dass in Übereinstimmung mit der bisherigen Bestimmung in §4 Abs. 4 MHG im Falle einer Verringerung der Betriebskosten der Mietzins vom Zeitpunkt der Ermäßigung ab herabzusetzen ist.
b) Eine Senkung der Betriebskosten ist hier ausweislich der Abrechnung vom 12.3.2002 im Jahre 2001 gegenüber dem Jahr 2000 eingetreten. Aus der Abrechnung ergibt sich, dass sich die Ausgaben für Müllabfuhr und Straßenreinigung wegen einer Gebührensenkung um 226,05 DM, die Aufwendungen für Be- und Entwässerung wegen eines erheblich gesunkenen Verbrauchs um 3936,19 DM, die Kosten für die Hausbeleuchtung wegen eines geringeren Verbrauchs um 47,82 DM, die Ausgaben für den Hauswart um 109,78 DM und für Reinigungsmittel um 16,95 DM im Vergleich zum Vorjahr verringert haben, während sich die Gebühr für den Schornsteinfeger um 8,33 DM und die Versicherungsprämien um 65,26 DM erhöht haben. Insgesamt lagen die auf die Gesamt-Wohnfläche entfallenden Aufwendungen im Jahre 2001 um 3267,74 DM unter denen des Jahres 2000.
c) Nach § 560 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung ist die Miete vom Zeitpunkt der Ermäßigung an herabzusetzen.
Es kommt insofern entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die Klägerin beziehungsweise ihre Hausverwaltung eine Prognose über die Entwicklung der verbrauchsabhängigen und sonstigen Betriebskosten möglich ist, sondern es ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem objektiv eine Verringerung der Aufwendungen eingetreten ist. Dies ergibt sich aus der Systematik der Regelung, die ausdrücklich zwischen dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter Kenntnis von der Ermäßigung der Betriebskosten erlangt, und dem Zeitpunkt der Ermäßigung der Miete unterscheidet. Der Vermieter muss die Ermäßigung zwar dem Mieter unverzüglich nach Kenntniserlangung mitteilen, unabhängig vom Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung tritt die Ermäßigung der Miete aber mit dem Zeitpunkt der Kostenverringerung ein (vgl. Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl. § 4 MHG Rdnr. 43, 46).
Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass ein sinkender Verbrauch beispielsweise von Wasser oder Energie nicht sofort und eindeutig erkennbar zu einer Verringerung der Aufwendungen führt, anders als zum Beispiel die Kündigung des Hauswarts. Oft wird erst aus der Abrechnung des jeweiligen Anbieters nachträglich der Eintritt einer Kostensenkung im Vergleich zum vergangenen Abrechnungszeitraum deutlich werden. In jedem Fall – auch beim Wegfall einer ganzen Betriebskostenart – kommt es aber darauf an, ob sich der Gesamtbetrag der Betriebskosten gegenüber dem früheren Zustand ermäßigt hat (vgl. Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl. § 4 MHG Rdnr. 38), so dass immer ein Vergleich der gesamten Betriebskosten, die in einem bestimmten Vergleichszeitraum angefallen sind, erforderlich ist und deshalb die Kenntnis von der Kostensenkung praktisch immer deren Eintritt nachfolgen wird.
Mangels einer differenzierenden Erläuterung in der Betriebskostenabrechnung ist hier davon auszugehen, dass die Kosten sich im gesamten Abrechnungszeitraum gleichmäßig reduziert haben, so dass seit dem 1.1.2001 auf jeden Monat eine Ersparnis um 1/12 der Gesamtsumme entfällt. Einer spezifizierteren Darlegung der Beklagten bedarf es im vorliegenden Fall nicht, weil ausweislich der Abrechnung vom 12.3.2002 auch die klägerische Hausverwaltung von dieser Prämisse ausgegangen ist, indem sie dort ein Guthaben der Beklagten in Höhe von 0,991790 Euro pro Quadratmeter und Monat für das Jahr 2001 ausweist. Daran muss sich die Klägerin festhalten lassen. Es wäre nunmehr an ihr, abweichende Angaben zum Zeitpunkt und zum jeweiligen Umfang der Betriebskostenermäßigung bei den einzelnen Positionen zu machen. Es ist aber nach ihren eigenen Angaben in dem Schriftsatz vom 9.1.2003 zu unterstellen, dass ihr dies unter anderem mangels einer Abrechnung der Anbieter über kürzere Intervalle gar nicht möglich ist. Letztendlich bedeutet diese Pauschalierung auch eine Vereinfachung, die keiner Partei schadet, da im Hinblick auf die feststehende Gesamtsumme eine tatsächliche niedrigere Kostensenkung in einzelnen Monaten durch eine entsprechend höhere Reduzierung in anderen Monaten ausgeglichen würde.
d) Die Herabsetzung der Miete erfolgt nicht automatisch durch die Ermäßigung der Betriebskosten, sondern durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Vermieters in Erfüllung seiner Gestaltungsverpflichtung. Die von der Klägerin bevollmächtigte Hausverwaltung hat die Herabsetzung der Miete mit Schreiben vom 13.3.2002 ausdrücklich erst zum 1.4.2002 erklärt. Darauf kommt es aber nicht an, da die Wirkung vom Zeitpunkt der Ermäßigung ab auch dann eintritt, wenn der Vermieter in seiner Erklärung einen späteren Zeitpunkt für die Herabsetzung bezeichnet hat (vgl. Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 4 MHG Rdnr. 46).
Danach haben die Beklagten für die Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.3.2002 monatlich 17,04 Euro zuviel gezahlt, so dass sie insgesamt 255,60 Euro hätten zurückfordern können. Die Aufrechnung mit einem Teilbetrag von 255,54 Euro ist jedenfalls berechtigt. …
10.03.2013