Leitsatz:
Der deutsche Wohnungsnutzer kann einen Anspruch auf Duldung der Installation einer Parabolantenne nicht aus Art. 49 EG-Vertrag herleiten.
LG Berlin, Urteil vom 15.3.04 – 67 S 377/03 –
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Klägerin kann von der Beklagten nicht gemäß § 535 Abs. 1, § 242 BGB verlangen, dass diese die Installation einer Parabolantenne für die streitgegenständliche Wohnung im Hause G…-Weg in Berlin duldet.
Der Klägerin ist der Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen über den in der Wohnung vorhandenen Kabelanschluss möglich. Ein anerkennenswertes Interesse der Klägerin an dem Empfang arabischer Sender ist nicht zu erkennen. Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und daher nicht mit einem ausländischen Mitbürger vergleichbar, der auf Grund seiner fortbestehenden Bindung an die Heimat ein anerkennenswertes Interesse daran hat, den Kontakt zu seiner Heimat aufrecht zu erhalten und sich über die dort herrschenden Verhältnisse zu informieren. Das Informationsinteresse der Klägerin, geschützt durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, überwiegt das Eigentumsinteresse des Beklagten aus Art. 14 GG hier nicht. Eine andere Entscheidung würde das Eigentumsrecht des Vermieters verkennen und letztlich zu einer völligen Aushöhlung dieses Rechtes beitragen. Für die deutsche Klägerin ist der Empfang von arabischen Rundfunk- und Fernsehprogrammen eine Form der Freizeitgestaltung, die hinter dem Grundrecht des Eigentümers zurücktritt. Der syrische Partner der Klägerin, der mit ihr nicht zusammenlebt, ist an dem Mietvertrag mit der Beklagten nicht beteiligt. Selbst ein eingebürgerter Ausländer kann sich auf Grund der erfolgten Trennung von seiner Heimat nicht mehr auf ein gesteigertes Informationsbedürfnis berufen (vgl. LG Berlin [67 S 230/03], GE 2004, 181).
Wegen des fehlenden berechtigten Informationsinteresses muss sich die Klägerin auf andere Möglichkeiten verweisen lassen, ihre Freizeitgestaltung zu organisieren, zumal dem Vortrag der Klägerin über die mangelnde Aktualität anderweitiger Medien nicht gefolgt werden kann. Die Beklagte verweist zu Recht auf die Möglichkeit der Lektüre von ausländischen Tageszeitungen und auf die Benutzung des Internets, wodurch die Klägerin auch ihre arabischen Sprachfähigkeiten trainieren kann. Schließlich ändert sich auch durch die Schwerbehinderung der Klägerin nichts daran, dass sie den Empfang von arabischen Rundfunk- und Fernsehprogrammen lediglich als eine bestimmte Art der Freizeitgestaltung nutzen will.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf Duldung der Installation einer Parabolantenne auch nicht aus Art. 49 EG herleiten. Die Norm richtet sich an die Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften und begründet Abwehrrechte gegen den Staat. Es ergibt sich hieraus jedoch keine unmittelbare Drittwirkung für das Privatverhältnis zwischen den Bürgern (vgl. LG Berlin [62 S 382/02], GE 2003, 1021). Aus der Entscheidung des EuGH vom 29.11.2001 (WM 2002, 368) ergibt sich nichts anderes. Danach sind Art. 59 EG-Vertrag (heute: Art. 49 EG) sowie Art. 60 und 66 EG-Vertrag (heute: Art. 50 und 55 EG) so auszulegen, dass sie der Anwendung einer Abgabe auf Parabolantennen entgegenstehen, wie sie durch die Artikel 1 bis 3 der am 24.6. 1997 vom Gemeinderat von Watermael-Boitsfort erlassenen Abgabenverordnung eingeführt worden ist. Eine Übertragung der Rechtsprechung auf den privaten Rechtsverkehr ist nicht möglich.
Schließlich hat der BGH in einer Entscheidung vom 22.1.2004 (V ZB 51/03) die Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendung der Allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Nutzung der Parabolantennen angesprochen, ohne daraus die rechtliche Konsequenz herzuleiten, dass auch deutsche Wohnungsnutzer einen Anspruch auf Duldung der Installation einer Parabolantenne haben. …
09.06.2018