Leitsatz:
Die Klausel „Jedoch sind bei Beendigung des Mietverhältnisses die Schönheitsreparaturen auszuführen, die nach dem Zustand tatsächlich fällig sind“ kann nicht als Einschränkung der starren Fristenregelung angesehen werden. Sie kann genauso gut als Erweiterung des Inhalts aufgefasst werden, dass der Mieter nicht nur eine Renovierung nach Ablauf der starren Fristen schuldet, sondern, falls bei Beendigung des Mietverhältnisses die Fristen noch nicht abgelaufen sein sollten, jedenfalls die dann erforderlichen Schönheitsreparaturen. Diese Unklarheit geht nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Vermieters.
AG Charlottenburg, Urteil vom 3.1.05 – 209 C 470/04 –
Mitgeteilt von RAin Petra Petersen
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz für nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen.
Die Beklagte und ihr Ehemann, Herr L. mieteten mit formularschriftlichem Vertrag vom 7.3.1984 ab dem 15.3.1984 von der Klägerin eine im Hause R.-Straße in Berlin, gelegene Wohnung. § 3 Nr. 5 des Vertrages enthielt folgende Klausel:
„Die Schönheitsreparaturen trägt Mieter. Während der Dauer des Mietverhältnisses hat der Verpflichtete die Schönheitsreparaturen jeweils spätestens nach Ablauf folgender Zeiträume ausführen zu lassen:
Küche, Bad bzw. Duschraum, Toilette spätestens alle … Jahre
alle übrigen Mieträume spätestens alle … Jahre s. Anlage
… spätestens alle … Jahre. Jedoch sind bei Beendigung des Mietverhältnisses die Schönheitsreparaturen auszuführen, die nach dem Zustand tatsächlich fällig sind.“
Eine Anlage zum Mietvertrag enthielt folgende Regelung:
„Mieter verpflichtet sich, bei Aufgabe der Wohnung infolge Kündigung oder Zwangsräumung die folgenden Arbeiten vor Auszug fachmännisch durchführen zu lassen:
a) Anstrich der Decken in allen Räumen mit weißer Dispersionsfarbe
b) Anstrich des Paneels in der Küche mit Ölfarbe
c) Tapezieren der Wände im Korridor, Wohn und Schlafzimmer
Soweit die Räume mit noch einwandfreier Rauhfasertapete ausgestattet sind, genügt ein neuer Farbanstrich der entsprechenden Wände in weiß oder hellen Pastelltönen.
d) Anstrich der Türzargen mit Kunstharzfarbe
e) Reinigung des Fußbodens von Kleberrückständen, sofern solche infolge von Teppichauslegware vorhanden sind.
Für die Ausführung der Schönheitsreparaturen sind nachstehend aufgeführte Zeiträume vorgesehen:
1. In Wohnküchen – alle zwei Jahre
2. In Koch-, Essküchen und Kochnischen – alle drei Jahre
3. In Bädern und in Räumen mit Duschanlagen – alle drei Jahre
4. In Wohn- und Schlafräumen – alle fünf Jahre
5. In Fluren, Dielen und Toiletten – alle fünf Jahre
6. In sonstigen Nebenräumen – alle sieben Jahre“
Mit Schreiben vom 30.6.2003 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, ihr Mann sei letztes Jahr verstorben und sie kündige das Mietverhältnis zum 30.6.2003. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 3.4.2003, der frühestmögliche Kündigungstermin sei der 31.3.2004. Zwischen März und Mai 2003 kam es zu mehreren Besichtigungen der Wohnung durch die Parteien.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte hätte keine Schönheitsreparaturen ausgeführt; die Ausführung dieser werde 3741,00 Euro brutto kosten. Die Klägerin trägt weiter vor, die Beklagte habe bei einer Wohnungsbegehung am 17.3.2003 ausdrücklich „zur Ausführung der Schönheitsreparaturen“ zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 29.10.2004 nebst Anlagen Bezug genommen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Zahlung dieses Betrages, ferner begehrt sie Prozesszinsen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.741,00 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten Zahlung von 3741,00 Euro verlangen. Ein derartiger Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch wegen – von der Klägerin behaupteter – unterlassener Schönheitsreparaturen gegenüber der Beklagten zu, weil die Beklagte schon nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet war und aus einem etwaigen Nichtdurchführen von Schönheitsreparaturen kein Schadensersatzanspruch erwachsen konnte. Die Durchführung von Schönheitsreparaturen unterfällt grundsätzlich der dem Vermieter nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Instandhaltungspflicht; sie fällt daher nach dem Willen des Gesetzgebers nach § 538 BGB dem Vermieter zur Last. Diese Vorschriften sind indes insoweit abdingbar, als dem Mieter – auch durch Formularklauseln im Wege allgemeiner Geschäftsbedingungen – die Schönheitsreparaturen überbürdet werden können. Eine Überbürdung durch Formularklauseln muss sich indes an §§ 305 ff. BGB bzw. an §§ 1 ff. AGBG a. F. messen lassen. Danach ist die Überbürdung der Schönheitsreparaturen vorliegend unwirksam, so dass es bei der genannten gesetzlichen Regelung bleibt, wonach die Schönheitsreparaturen zur Instandhaltungspflicht des Vermieters gehören.
Vorliegend haben die Mietvertragsparteien in der Formularklausel des § 3 Nr. 5 des Vertrages vereinbart, dass die Mietpartei die Schönheitsreparaturen „jeweils spätestens nach Ablauf folgender Zeiträume ausführen zu lassen“ habe; hinsichtlich der Fristen wurde sodann auf eine Anlage Bezug genommen, die bestimmte starre Fristen enthielt. Unerheblich ist, ob die Anlage zum Mietvertrag, welche § 3 Nr. 5 des Vertrages ergänzt und somit mit diesem zusammen eine inhaltliche Einheit bildet, individuell vereinbart ist oder ob sie – wofür die nicht auf die konkrete Wohnung zugeschnittene Aufzählung der Zimmer bei den Fristen spricht – ebenfalls eine Formularklausel ist. Denn bei der Prüfung einer Klausel nach § 307 BGB bzw. § 9 AGBG a. F. ist der gesamte Klauselinhalt einschließlich seiner Individualanteile zu würdigen (BGH NJW 1993/532). Vorliegend haben die so vereinbarten starren Fristen zur Folge, dass nach Ablauf der Fristen Renovierungsarbeiten unabhängig vom tatsächlichen Renovierungsbedarf geschuldet sind, also auch dann, wenn etwa mangels Abnutzung der Wohnung überhaupt keine Renovierung nötig ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der weiteren Klausel in § 3 Nr. 5 des Vertrages („Jedoch sind bei Beendigung des Mietverhältnisses die Schönheitsreparaturen auszuführen, die nach dem Zustand tatsächlich fällig sind.“) nichts anderes. Diese Klausel kann nicht als Einschränkung der starren Fristenregelung angesehen werden; sie kann genauso gut als Erweiterung des Inhalts aufgefasst werden, dass der Mieter nicht nur eine Renovierung nach Ablauf der starren Fristen schuldet, sondern, falls bei Beendigung des Mietverhältnisses die Fristen noch nicht abgelaufen sein sollten, jedenfalls die dann erforderlichen Schönheitsreparaturen. Diese Unklarheit geht nach § 305 c Abs. 2 BGB bzw. § 5 AGBG a. F. zu Lasten der Klägerin. Es bleibt daher dabei, dass der Beklagten eine Renovierungspflicht mit starren Fristen auferlegt worden ist. Ferner wurde der Beklagten in der Anlage zum Mietvertrag die Durchführung – näher benannter – Arbeiten bei Aufgabe der Wohnung infolge Kündigung oder Zwangsräumung auferlegt, ohne dass es auch hier auf den Zustand der Wohnung ankommen sollte. Dies ist trotz des letzten Satzes von § 3 Nr. 5 des Vertrages jedenfalls nach § 305 c Abs. 2 BGB bzw. § 5 AGBG a. F. so zu verstehen, wie es in der Anlage zum Mietvertrag geregelt ist. Hierin und in der starren Fristenregelung liegt eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG a. F. Eine unangemessene Benachteiligung nach diesen Vorschriften liegt vor, wenn eine formularvertragliche Regelung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Nach der gesetzlichen Regelung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB rechnet die Durchführung von Schönheitsreparaturen – wie ausgeführt – zur Vermieterpflicht. Eine formularvertragliche Bestimmung, die den Mieter mit Renovierungspflichten belastet, die über den tatsächlichen Renovierungsbedarf hinausgehen, ist mit dieser gesetzlichen Regelung unvereinbar. Sie würde dem Mieter eine höhere Instandhaltungsverpflichtung auferlegen, als der Vermieter dem Mieter (ohne vertragliche Abwälzung der Schönheitsreparaturen) nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB schulden würde. Auch ist ein Interesse des Vermieters, den Mieter auch dann zur Renovierung der Wohnung zu verpflichten, wenn ein Renovierungsbedarf tatsächlich noch nicht besteht, nicht schützenswert (BGH GE 2004/1023). Der vorliegend vereinbarte starre Fristenplan ist daher unwirksam. Gleiches gilt hinsichtlich der Endrenovierungsklausel in der Anlage zum Mietvertrag. Dies führt dazu, dass die Überbürdung der Schönheitsreparaturpflicht insgesamt unwirksam ist; eine geltungserhaltende Reduktion der Formularklausel findet nicht statt (BGH GE 2004/1024).
Soweit die Klägerin weiter vorträgt, die Beklagte habe bei einer Wohnungsbegehung am 17.3.2003 mit einem Mitarbeiter der Hausverwaltung der Klägerin ausdrücklich „zur Ausführung der Schönheitsreparaturen“ zugestimmt, verhilft ihr dies – unabhängig vom nicht ganz klaren Wortlaut dieser Behauptung – nicht zum Erfolg. Ein etwaiges Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis bedarf nach §§ 780, 781 BGB der Schriftform; in dem von der Klägerin eingereichten (schriftlichen) Abnahmeprotokoll vom 17.3.2003 hat die Beklagte lediglich anerkannt, dass der in dem Protokoll geschilderte Zustand der Wohnung zutrifft; sie hat aber keine Renovierungsverpflichtung anerkannt. Im Übrigen konnte die Beklagte am 17.3.2003 gegenüber dem Mitarbeiter der Hausverwaltung gar kein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis abgeben, weil dies einen Vertragsschluss erfordert hätte, der Mitarbeiter der Hausverwaltung nach dem vorletzten Satz des Protokolls oberhalb der Datumszeile aber nicht zu rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen für die Hausverwaltung berechtigt war.
Die Klage ist daher einschließlich der Nebenforderung abzuweisen. …
31.12.2016