Leitsätze:
1. Betriebskostenerhöhungen bei vereinbarter Bruttokaltmiete setzen eine wirksame mietvertragliche Anpassungsklausel voraus. Eine Klausel, die eine unbeschränkte rückwirkende Geltendmachung von Betriebskostenerhöhungen seit Vertragsabschluss beziehungsweise vom Zeitpunkt der Entstehung an zulässt, ist zu weit gefasst und daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Eine solche Klausel durchbricht den von § 4 Abs. 3 Satz 2 MHG (= § 560 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.) gezogenen Gestaltungsrahmen, der die Rückwirkung auf den Zeitraum bis zum Beginn des der Mieterhöhung vorangehenden Kalenderjahres begrenzt.
2. Der Mieter ist nicht befugt, die Betriebskostenposition „Kabelgebühren“ einfach aus der Abrechnung herauszustreichen, weil er kein Interesse mehr an einem Kabelanschluss hat.
3. Der Mieter hat gemäß § 560 Abs. 4 BGB zwar das Recht, eine Anpassung der Vorauszahlung auf eine angemessene Höhe vorzunehmen, jedoch hat dies nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform zu geschehen. Eine solche schriftliche Erklärung bewirkt die Anpassung ab deren Zugang. Ohne diese Erklärung ist eine eigenmächtige Senkung des Betriebskostenvorschusses unzulässig.
AG Charlottenburg, Urteil vom 13.1.05 – 214 C 426/04 –
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist in dem aus dem Tenor zu 1) ersichtlichen Umfang begründet.
Der Beklagte schuldet für die Monate Mai bis August 2004 einen restlichen Mietzins in Höhe von monatlich 20,37 Euro, insgesamt 81,48 Euro.
Er war nicht berechtigt, die Heizkostenvorauszahlung einfach zu kürzen, weil er sie für zu hoch hält. Der Mieter hat gemäß § 560 Abs. 4 BGB zwar das Recht, eine Anpassung der Vorauszahlung auf eine angemessene Höhe vorzunehmen, jedoch hat dies nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform zu geschehen. Eine solche schriftliche Erklärung bewirkt die Anpassung ab deren Zugang. Eine rein tatsächliche Kürzung des Heizkostenvorschusses ist unzulässig. Der Kläger kann selbstverständlich nach wie vor die Heizkostenvorschüsse für das Jahr 2004 verlangen, da die Abrechnungsfrist insoweit gerade erst zu laufen begann.
Des Weiteren schuldet der Beklagte die Vorauszahlung auf die Kabelgebühren in Höhe von 5,37 Euro monatlich gemäß der wirksamen Anpassung des Vorschusses vom 24.2.1993 in Verbindung mit der entsprechenden Abrechnung. Der Mieter ist nicht befugt, diese Betriebskostenposition einfach herauszustreichen, weil er kein Interesse mehr an einem Kabelanschluss hat. Die Wohnung wurde mit Kabelanschluss vermietet, so dass die Kläger nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, diesen weiterhin zur Verfügung zu stellen. Eine Änderung ist nur in beiderseitigem Einverständnis zwischen Vermieter und Mieter möglich. Der Umlage der Kabelgebühren steht auch nicht entgegen, dass sich die Kläger im Rahmen der Modernisierungsvereinbarung vom 28.2.1990 verpflichtet haben, keine höhere Bruttokaltmiete als dort angegeben zu verlangen. Denn in der Einstiegskaltmiete sind lediglich die „Betriebskosten zum Zeitpunkt der Bewilligung“ enthalten. Später hinzutretende Betriebskosten wie jene für den Kabelanschluss können ohne Weiteres umgelegt werden, wie dies in wirksamer Weise mietvertraglich geschehen ist.
Das mit am 8.1.2004 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenem Schriftsatz erklärte Zurückbehaltungsrecht war gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.
Einen darüber hinausgehenden Zahlungsanspruch haben die Kläger indes nicht.
Der Beklagte schuldet lediglich die gemäß der Staffelmietvereinbarung geschuldete Bruttokaltmiete in Höhe von 269,20 Euro (letzte Staffel) zuzüglich Heizkosten- und Kabelvorschuss.
Die im Laufe der Mietzeit gemäß § 4 Abs. 2 MHG vorgenommenen Mieterhöhungen wegen gestiegener Betriebskosten sind unwirksam, da die entsprechende Gleitklausel unter § 4 Nr. 3 a Satz 2 des Mietvertrages unwirksam ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten folgt dies allerdings noch nicht daraus, dass die einzelnen Betriebskosten nicht aufgeführt sind; vielmehr genügt die Bezugnahme auf die Anlage zu § 27 II. Berechnungsverordnung. Dies gilt jedenfalls bei preisfreiem, nicht öffentlich gefördertem Wohnungsbau wie dem streitgegenständlichen. Der Baukostenzuschuss wurde gemäß dem Landesmodernisierungsprogramm (Modernisierungs- und Instandsetzungsrichtlinien) gewährt und es gelten allein die Maßgaben des Modernisierungsvertrages sowie das Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz. Ein öffentlich geförderter Wohnraum im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder der Neubaumietenverordnung liegt nicht vor (§ 6 Abs. 2 f Il. WoBauG).
Jedoch ist die Gleitklausel zu weit gefasst und daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Klausel durchbricht den von § 4 Abs. 3 Satz 2 MHG (§ 560 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.) gezogenen Gestaltungsrahmen, der die Rückwirkung auf den Zeitraum bis zum Beginn des der Mieterhöhung vorangehenden Kalenderjahres begrenzt (vgl. Seldeneck, Betriebskosten, Rn. 4146). Denn sie lässt eine unbeschränkte rückwirkende Geltendmachung von Betriebskostenerhöhungen seit Vertragsschluss bzw. vom Zeitpunkt der Entstehung an zu. Die Mieterhöhungserklärungen konnten mithin keine Wirkung entfalten.
Auch ist keine konkludente Vereinbarung über die Mieterhöhungen zustande gekommen. Anders als bei Mieterhöhungen nach § 558 BGB ist bei Betriebskostenerhöhungen gemäß § 560 BGB eine Zustimmung des Mieters nicht erforderlich. Zahlt er auf Grund einer unwirksamen Betriebskostenerhöhung, dann deswegen, weil er sich (irrtümlich) für hierzu verpflichtet hält. Ein rechtsgeschäftlicher Wille dahingehend, einer Mietänderung zustimmen zu wollen, fehlt mithin völlig. …
04.05.2017