Leitsätze:
1. Auch für Wohnungen im Nikolai-Viertel ist bei der Bestimmung der ortsüblichen Miete vom Berliner Mietspiegel 2007 auszugehen.
2. Es finden § 558 d BGB und der qualifizierte Mietspiegel Anwendung und nicht ein Parteigutachten, wenn es sich bei der Wohnung nicht um eine Ausreißerwohnung handelt, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mit den Kriterien des Mietspiegels zu erfassen wäre.
3. Wenn bereits der nach dem Mietspiegel höchstzulässige Mietzins gezahlt wird, und der Vermieter die Zustimmung zu einer darüber hinaus gehenden Mieterhöhung verlangt, muss er die Vermutung des § 558 d Abs. 3 BGB wiederlegen. Dazu gehört zunächst substanzierter Vortrag dazu, warum der qualifizierte Mietspiegel nicht die ortsübliche Vergleichsmiete angeben soll und warum die Wohnung mit ihren Merkmalen vom Mietspiegel nicht erfasst wird.
4. § 558 a Abs. 3 BGB ist auch dann erfüllt, wenn in dem dem Mieter übersandten Gutachten (hier auf Seite 18) das einschlägige Mietspiegelfeld nebst Preisspanne und Mittelwert aufgeführt ist.
AG Mitte, Urteil vom 21.11.07 – 103 C 94/07 –
Mitgeteilt von RA Jörg Grützmacher
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Zustimmungsfrist des § 558 b Abs. 1 BGB wurde durch das Zustimmungsverlangen der Klägerin vom 26. Februar 2007 in Gang gesetzt. Das Zustimmungsverlangen ist formell wirksam. Es ist in der nach § 558 a Abs. 1 BGB geforderten Textform abgefasst. Zur Begründung wird – wie dies § 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB zulässt – auf ein mit Gründen versehenes Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen B. Bezug genommen. Das Gutachten war dem Zustimmungsverlangen beigefügt. Auch die Tatsache, dass es sich um ein Sammelgutachten handelt und der Sachverständige nur die beiden auf Seite 9 des Gutachtens bezeichneten Basiswohnungen besichtigt hat, führt nicht dazu, dass es kein Gutachten im Sinne des § 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB wäre. Das Gericht ist der Ansicht, dass das Zustimmungsverlangen auch den Anforderungen des § 558 a Abs. 3 BGB entspricht. Es liegt in Berlin ein qualifizierter Mietspiegel vor, bei dem die Vorschrift des § 558 d Abs. 2 BGB eingehalten ist. Die streitgegenständliche Wohnung wird vom Mietspiegel auch erfasst. Der Vermieter hat nach dem Wortlaut des § 558 a Abs. 3 BGB die Angaben für die Wohnung, die der Mietspiegel enthält, auch dann mitzuteilen, wenn er die Mieterhöhung auf ein anderes Begründungsmittel stützt. Der Mietspiegel enthält aber keine Angaben zu den Merkmalen der konkreten Wohnung. Vielmehr enthält er Angaben zur Mietpreisspanne für das Mietspiegelfeld, in das die Wohnung einzuordnen ist. Der Vermieter muss deshalb bei einem nicht mit dem Mietspiegel begründeten Erhöhungsverlangen angeben, welche Preisspanne der Mietspiegel vorsieht und welche konkrete Miete für die Wohnung nach dem Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete ist. Dies ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 558 a Abs. 3 BGB. Die Angaben sollen im Hinblick auf die Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 3 BGB dem Mieter eine Überprüfung anhand des qualifizierten Mietspiegels ermöglichen und das Erhöhungsverfahren transparenter machen (Palandt-Weidenkaff, BGB, 65. A., Rdnr. 13 zu § 558 a BGB). Dazu gehört es nach Ansicht des Gerichts auch, dass der Mieter gleich erkennen kann, ob eine über den Mietspiegelwerten liegende Miete verlangt wird.
Hier sind aber im Gutachten auf Seite 18 die Mietspiegelfelder nebst Preisspanne und Mittelwert aufgeführt. Das Gutachten ist als Anlage des Mieterhöhungsverlangens dem Mieter zugestellt worden. Der Mieter muss sich das Gutachten ohnehin im eigenen Interesse sorgfältig durchlesen. Im Inhaltsverzeichnis auf Seite 2 des Gutachtens ist auch aufgeführt „9. Mietspiegeldiskussion“. Dies reicht aus, um dem Mieter mit zumutbarem Aufwand die benötigten Informationen zu für ihn maßgeblichen Mietspiegelwerten zu vermitteln.
Die Klagefrist des § 558 b Abs. 2 S. 2 BGB wurde eingehalten. Die Frist lief am 31. Juli 2007 ab. Die Klageschrift ging am 27. Juli 2007 bei Gericht mit dem Kostenvorschuss ein, so dass die Klägerin alles für eine alsbaldige Zustellung erforderliche getan hatte. Da der Beklagte nicht gerügt hat, dass die Wartefrist und die Kappungsgrenze nicht eingehalten seien, geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Angabe der am 1. Mai 2004 geschuldeten Nettokaltmiete von 181,48 Euro um einen Irrtum handelt und dass tatsächlich die vertraglich vereinbarte Miete auch zu diesem Zeitpunkt geschuldet war.
Die Klage ist aber unbegründet. Die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt den vom Beklagten bereits gezahlten Nettokaltmietzins von 6,70 Euro/qm bzw. 218,72 Euro nicht. Der Oberwert des Mietspiegels weist für die Wohnung einen Betrag von 6,32 Euro/qm aus. Hinzu kommt ein Zuschlag für ein modernes Bad von 0,37 Euro/qm, so dass die ortsübliche Vergleichsmiete 6,69 Euro/qm beträgt.
Gemäß § 558 d Abs. 3 BGB wird bei einem qualifizierten Mietspiegel, der gemäß § 558 d Abs. 2 BGB alle zwei Jahre fortgeschrieben wird, vermutet, dass die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Dies ist eine gesetzliche Vermutung gemäß § 292 ZPO. Danach ist der Beweis des Gegenteils zulässig, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Der Berliner Mietspiegel ist unstreitig ein qualifizierter Mietspiegel. Er wird alle zwei Jahre fortgeschrieben. Der Mietspiegel 2005 wurde im Sommer diesen Jahres durch den Mietspiegel 2007 abgelöst. Wenn bereits der nach dem Mietspiegel höchstzulässige Mietzins gezahlt wird, und der Vermieter die Zustimmung zu einer darüber hinaus gehenden Mieterhöhung verlangt, muss er die Vermutung des § 558 d Abs. 3 BGB widerlegen. Dazu gehört zunächst substanziierter Vortrag dazu, warum der qualifizierte Mietspiegel nicht die ortsübliche Vergleichsmiete angeben soll und warum die Wohnung mit ihren Merkmalen vom Mietspiegel nicht erfasst wird.
Dazu enthält weder das Gutachten noch der klägerische Vortrag im Prozess hinreichende Angaben. Der Sachverständige hat die streitgegenständliche Wohnung nicht besichtigt und auch keine andere der 67 Wohnungen in der P-Straße. Besichtigt wurden nur zwei Wohnungen in den Häusern S.- und A-Straße. Bereits daraus folgt, dass der Sachverständige keine konkrete Überprüfung der Vergleichbarkeit der streitgegenständlichen Wohnung mit den auf Seite 13 des Gutachtens aufgeführten Vergleichswohnungen durchgeführt hat. Bei den Vergleichswohnungen sind auch zwei Wohnungen in Wilmersdorf aufgeführt, von denen die eine erheblich günstiger und die andere erheblich teurer als die streitgegenständliche Wohnung ist. Zum Zustand dieser Wohnungen lässt sich dem Gutachten nichts entnehmen. Die Behauptung der Klägerin, dass alle Wohnungen im Nikolaiviertel umfangreich instand gesetzt und modernisiert worden seien, trifft nach Kenntnis des Gerichts außerdem nicht zu. Es sind in anderen Abteilungen des Amtsgerichts Mitte anhängige Klagen teilweise zurückgenommen worden, weil sich herausgestellt hat, dass die dort streitgegenständlichen Wohnungen nicht saniert waren.
Es finden § 558 d BGB und der qualifizierte Mietspiegel Anwendung und nicht ein Parteigutachten, wenn es sich bei der Wohnung nicht um eine Ausreißerwohnung handelt, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mit den Kriterien des Mietspiegels zu erfassen wäre (LG Berlin, Urteil vom 10. September 2004, Az: 63 S 145/04, Fundstelle juris). Die Orientierungshilfe zum Mietspiegel, die als solche nicht der Qualifikationswirkung unterfällt, wird seitens des Gerichts im Rahmen des § 286 ZPO zur Ermittlung der ortsüblichen Miete angewandt. Außerdem zahlt der Beklagte bereits eine Miete, die dem Oberwert des Mietspiegels entspricht.
Hier ist nicht ersichtlich, weshalb die streitgegenständliche Wohnung eine vom Mietspiegel nicht hinreichend erfasste Ausreißerwohnung sein soll. Der Berliner Mietspiegel enthält eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung, in der alle von der Klägerin und vom Sachverständigen angeführten besonderen Merkmale berücksichtigt sind. Dazu gehören zum Beispiel auch eine bevorzugte Citylage in guter Wohnlage beim Wohnumfeld oder ein überdurchschnittlicher Erhaltungszustand des Gebäudes beim Merkmal Gebäude. Ein repräsentatives oder hochwertig saniertes Treppenhaus mit zum Beispiel Spiegeln oder Marmor wird ebenfalls berücksichtigt. Letzteres liegt bei dem streitgegenständlichen Plattenbau auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht einmal vor. Das Foto eines Eingangsbereichs im Anhang zum Gutachten zeigt keinen derartig hochwertigen Zustand.
Der Zeuge B. wird zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht vernommen. Es wird auch kein Sachverständigengutachten eingeholt. Beides würde zu einer unzulässigen Ausforschung führen. Die pauschale Behauptung, die verlangte Miete würde die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen, reicht nach der Einführung des § 558 d Abs. 3 BGB durch das Mietrechtsreformgesetz im Jahr 2001 bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen nicht mehr aus. Das Gericht stellt insoweit nicht, wie dies bei dem im Jahr 1999 vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachverhalt der Fall war, Anforderungen, die im Gesetz keine Stütze finden. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit Einführung des § 558 d BGB die Bedeutung von qualifizierten Mietspiegeln erheblich gestärkt. Dies verstößt nicht gegen Art. 14 GG, denn es bleibt dem Vermieter unbenommen, darzulegen, weshalb seine Wohnung vom Mietspiegel nicht erfasst wird. Aufgrund des vergleichsweise breiten statistischen Datenmaterials erscheint ein Mietspiegel gegenüber dem Sachverständigengutachten als das grundsätzlich überlegene Beweismittel (LG Potsdam, Urteil vom 30. September 2004, Az: 11 S 271/04, Fundstelle Juris, Seite 3; LG Freiburg, Fundstelle Juris, Seite 4). Dieser in § 558 d Abs. 3 BGB zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers folgt das Gericht. Da nach § 558 Abs. 2 BGB die ortsübliche Vergleichsmiete aus den üblichen Entgelten gebildet wird, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für vergleichbaren Wohnraum in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind, ist auf die gesamte Gemeinde abzustellen und nicht auf einen kleinen Teil der Gemeinde wie das Nikolaiviertel in Berlin, den der Sachverständige fast ausschließlich seinem Gutachten zugrunde legt.
04.02.2013