Leitsätze:
Die durch Veröffentlichung im Amtsblatt bekannt gegebene Erhöhung der Mietobergrenzen für mit öffentlichen Mitteln modernisierte Altbauten allein führt noch nicht zu einer Anhebung der vom Mieter geschuldeten Miete. Vielmehr bedarf es hierzu einer formgerechten Erhöhung nach §§ 558 ff. BGB.
Zukünftige Erhöhungen der Miete lassen sich nicht in der Weise vereinbaren, dass auf eine Verringerung oder einen Wegfall der Förderung oder auf sonstige Festsetzungen des Fördergebers Bezug genommen wird. Eine schrittweise Erhöhung der Miete kann – abgesehen von §§ 558 ff. BGB – nur in Form einer Staffelmiete nach § 557 a BGB oder einer Indexmiete nach § 557 b BGB vereinbart werden.
LG Berlin, Urteil vom 23.1.06 – 67 S 335/05 –
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin kann von den Beklagten nicht die Zahlung von 86,52 Euro gemäß § 535 Abs. 2 BGB verlangen. Sie kann auch nicht die Erstattung von Rücklastgebühren in Höhe von 5,00 Euro gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1 BGB verlangen.
1. a) Die Beklagten sind auf Grund eines mit der Klägerin am 17. Januar 2004 geschlossenen Vertrages Mieter einer Wohnung im Hause … . Im Mietvertrag wird die Wohnung als preisgebunden bezeichnet. Weiterhin heißt es, dass die in der Mietberechnung genannte Miete nach Maßgabe gesetzlicher Vorschriften erhöht oder ermäßigt werden kann. In der Mietberechnung heißt es, dass die monatliche Gesamtmiete 381,82 Euro beträgt und sich aus einer „Ausgangsmiete“ von 247,33 Euro sowie Umlagenvorschüssen für Betriebskosten in Höhe von 55,55 Euro, für Heizung in Höhe von 46,78 Euro und für Kaltwasser in Höhe von 32,16 Euro zusammensetzt. Weiterhin ist vereinbart, dass der Fördervertrag über die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen vom 7. bis zum 24. Oktober 1996 Bestandteil des Mietvertrages ist. Das Haus sei unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Förderung über die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nach Maßgabe der Förderungsrichtlinien Städtebaulicher Denkmalschutz vom 15. Juli 1996 umfassend modernisiert und
instandgesetzt worden. Mieter, die die Voraussetzungen für den Empfang eines Wohnberechtigungsscheins erfüllten, sollten jedoch keine höhere Miete als die Durchschnittsmiete des mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialen Wohnungsbaus bei städtischen Wohnungsbauunternehmen zahlen. Die maßgebliche heranzuziehende Durchschnittsmiete in Sozialen Wohnungsbau betrage 3,63 Euro/Quadratmeter nettokalt. Die besondere Mietobergrenze für Wohnungen bei Vorlage eines Wohnberechtigungsscheins habe auf den Mietvertrag die Auswirkung, dass sich die auf Grund der öffentlichen Förderung mietpreisrechtlich zulässige Netto-Kaltmiete wie folgt ändern werde:
Netto-Kaltmiete 3,63 Euro x 58,47 Quadratmeter = 212,25 Euro
Betriebskostenvorschuss: 87,71 Euro
Heizkostenvorschuss: 46,78 Euro
Summe: 346,74 Euro
Weiterhin heißt es in einer Anlage 5 zum Mietvertrag, dass im Bindungszeitraum der Förderung Mieterhöhungen nach §§ 557 ff. BGB nur bis zum Durchschnittswert aus den nach Maßgabe des Baualters, der Ausstattung und der Wohnlage maßgeblichen Mittelwerten des Mietspiegels für Wohnungen in der Größe von 40 Quadratmeter bis 60 Quadratmeter und für Wohnungen in der Größe von 60 Quadratmeter bis 90 Quadratmeter vorgenommen werden. In Nr. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ist davon die Rede, dass die Vermieterin berechtigt ist, die Miete nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften – auch rückwirkend – zu erhöhen. Dies gelte insbesondere auch bei einer Kürzung oder dem Wegfall der öffentlichen Förderung. Bei preisgebundenem Wohnraum gelte die jeweils gesetzlich zulässige Miete als vereinbart.
b) Mit einem undatierten Schreiben teilte die Klägerin den Beklagten mit, dass im Amtsblatt eine Veränderung der Höhe der Durchschnittsmiete für den Sozialen Wohnungsbau bekannt gegeben worden sei. Ab 1. Januar 2005 gelte eine Miete von 4,00 Euro/Quadratmeter. Die Aufwendungszuschüsse verringerten sich um 21,63 Euro. Um diesen Betrag erhöhe sich die Nettokaltmiete auf 247,33 Euro. Die Miete betrage insgesamt nunmehr 368,37 Euro.
2. Die Klägerin kann von den Beklagten entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die Zahlung dieses Erhöhungsbetrages nicht verlangen. Denn für die von der Klägerin vorgenommene Heraufsetzung der Miete gibt es keine Rechtsgrundlage.
a) Gemäß § 557 Abs. 2 BGB können die Vertragsparteien eines Mietvertrages künftige Änderungen der Miethöhe als Staffelmiete nach § 557 a BGB oder als Indexmiete nach § 557 b BGB vereinbaren. Im Übrigen kann der Vermieter gemäß § 557 Abs. 3 BGB Mieterhöhungen nur nach Maßgabe der §§ 558 bis 560 BGB verlangen, soweit nicht eine Erhöhung durch Vereinbarung ausgeschlossen ist oder sich der Ausschluss aus den Umständen ergibt.
b) Eine Ausnahme von diesen Regelungen gilt für Wohnungen, die der Mietpreisbindung nach gesetzlichen Vorschriften unterliegen. Diese Mietpreisbindung gibt es für Wohnungen, für die der Vermieter öffentliche Mittel im Sinne des § 6 Abs. 1 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes – II. WoBauG – erhalten hat. Dies sind Mittel des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die von ihnen zur Förderung des Baues von Wohnungen für die breiten Schichten des Volkes bestimmt sind. Die öffentlichen Mittel sind nur zur Förderung des Sozialen Wohnungsbaues nach den Vorschriften der §§ 25 bis 68 II. WoBauG zu verwenden. Nicht als öffentliche Mittel im Sinne dieses Gesetzes gelten gemäß § 6 Abs. 2 Buchstabe f Mittel, die aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung von bestehendem Wohnraum gewährt werden. Dies trifft auf den hiesigen Fall zu. Werden die öffentlichen Mittel auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung bewilligt, so hat gemäß § 72 Abs. 1 II. WoBauG die Bewilligungsstelle für die zum Vermieten bestimmten Wohnungen die Miete zu genehmigen, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist (Kostenmiete). In der Genehmigung ist der Mietbetrag zu bezeichnen, der sich für die öffentlich geförderten Wohnungen des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit auf Grund der Wirtschaftlichkeitsberechnung für den Quadratmeter der Wohnfläche durchschnittlich ergibt (Durchschnittsmiete). Für die Ermittlung der zulässigen Miete gelten im übrigen gemäß § 72 Abs. 4 II. WoBauG die Vorschriften der §§ 8 bis 8 b des Wohnungsbindungsgesetzes – WoBindG – und die zu deren Durchführung ergangenen Vorschriften, namentlich der Neubaumietenverordnung – NMW -. Gemäß § 8 Abs. 1 WoBindG darf der Verfügungsberechtigte die Wohnung nicht gegen ein höheres Entgelt zum Gebrauch überlassen, als zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist (Kostenmiete). Die Kostenmiete ist nach den §§ 8 a und 8 b WoBindG zu ermitteln. Die dem WobindG unterliegenden Wohnungen sind preisgebundener Wohnraum, § 8 Abs. 5. Gemäß § 8 a Abs. 1 WoBindG ist bei der Ermittlung der Kostenmiete von dem Mietbetrag auszugehen, der sich für die öffentlich geförderten Wohnungen des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit auf Grund der Wirtschaftlichkeitsberechnung für den Quadratmeter der Wohnfläche durchschnittlich ergibt (Durchschnittsmiete). Eine Erhöhung der Miete kann der Vermieter unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 WoBindG vornehmen. Ist der Mieter nur zur Entrichtung eines niedrigeren als des nach dem WoBindG zulässigen Entgelts verpflichtet, so kann der Vermieter dem Mieter gegenüber schriftlich erklären, dass das Entgelt um einen bestimmten Betrag, bei Umlagen um einen bestimmbaren Betrag, bis zur Höhe des zulässigen Entgelts erhöht werden soll. Die Erklärung ist nur wirksam, wenn in ihr die Erhöhung berechnet und erläutert ist. Der Berechnung der Kostenmiete ist eine Wirtschaftlichkeitsberechnung oder ein Auszug daraus, der die Höhe der laufenden Aufwendungen erkennen lässt, beizufügen.
c) Auf die Vorschriften des Wohnraumförderungsgesetzes vom 12. September 2001 kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Denn dieses Gesetz findet gemäß § 46 Abs. 1 nur auf Maßnahmen der sozialen Wohnraumförderung Anwendung, für die die Förderzusage nach dem 31. Dezember 2001 erteilt worden ist. Im Übrigen bestimmt § 50 Abs. 1 des genannten Gesetzes, dass das WoBindG ab 1. Januar 2002 auf Wohnraum Anwendung findet, für den öffentliche Mittel im Sinne des § 6 Abs. 1 II. WoBauG bis zum 31. Dezember 2001 bewilligt worden sind.
d) Für die vorliegende Wohnung sind weder öffentliche Mittel in dem dargestellten Sinn eingesetzt worden noch ist eine Kostenmiete auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung gebildet worden, auf deren Grundlage eine Erhöhung der Miete gemäß § 10 WoBindG hätte vorgenommen werden können.
e) Der Klägerin ist es im Rahmen der Vertragsfreiheit unbenommen, eine Mietpreisvereinbarung zu treffen, in der sie sich gewissen Beschränkungen hinsichtlich einer möglichen Erhöhung der Miete unterwirft. Solche Vereinbarungen, die auch in einem Fördervertrag enthalten sein können, können dem Mieter das Recht geben, sich auf diese Beschränkungen zu berufen. Die Klägerin ist aber nicht in der Lage, durch eine vertragliche Vereinbarung das Mietverhältnis einem Normenkomplex zu unterstellen, der ihr – abweichend von den Regeln des BGB – einseitige Mieterhöhungsmöglichkeiten eröffnet. Ein Mietverhältnis kann durch vertragliche Vereinbarung nicht zum Nachteil des Mieters den zwingenden Vorschriften einer gesetzlichen Mietpreisbindung unterworfen werden und damit die Möglichkeit zu einer einseitigen Erhöhung der Miete eröffnet werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen einer Mietpreisbindung nicht gegeben sind. Eine solche Vereinbarung wird durch § 557 Abs. 4 BGB verhindert, wonach zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen unwirksam sind.
f) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 2004 – Grundeigentum 2004, 619 f. – kann nicht dahingehend verstanden werden, dass die Auffassung vertreten werden soll, eine Mietpreisbindung könne vereinbart werden. Der Bundesgerichtshof hat sich in dem entschiedenen Fall an die Feststellung des Berufungsgerichtes gebunden gesehen, dass die betreffende Wohnung öffentlich gefördert sei und deshalb der Mietpreisbindung unterliege. In dem Urteil heißt es wörtlich: „An diese aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Auslegung ist der Senat gebunden. Die Auslegung von Vertragsbestimmungen ist Sache des Tatrichters und unterliegt daher nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht.“
g) Die Klägerin war nicht gehindert, in dem Vertrag mit den Beklagten zu vereinbaren, dass die Nettokaltmiete bei Mietern, die die Voraussetzungen für einen Wohnberechtigungsschein erfüllen, nicht höher sein sollte, als die Durchschnittsmiete des mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialen Wohnungsbaus bei städtischen Wohnungsbauunternehmen. Es handelt sich hierbei um eine Vereinbarung, die den Erhöhungsspielraum der Klägerin zu Gunsten der Mieter begrenzt. Eine solche Vereinbarung ist gemäß § 557 Abs. 3 BGB zulässig. Umgekehrt kann die Klägerin in ihren Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht eine Erhöhung der Miete für den Fall einer Kürzung oder eines Wegfalls der öffentlichen Förderung vorsehen. Denn ein solcher Erhöhungsgrund ist in den Vorschriften des BGB nicht vorgesehen. Ebenso wenig kann sie eine Erhöhung der Durchschnittsmiete des Sozialen Wohnungsbau zum Anlass einer einseitigen Erhöhung der Miete nehmen. Die vertragliche Bindung an die Durchschnittsmiete des Sozialen Wohnungsbaus ist kein Einfallstor für Mieterhöhungen, die in dieser Form im Gesetz nicht vorgesehen sind. Der Klägerin bleibt nur die Möglichkeit offen, unter den Voraussetzungen der §§ 558 bis 558 d BGB eine Zustimmung zur Erhöhung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete, jedoch unter Beachtung der vereinbarten Begrenzungen auf die Mittelwerte der genannten Felder des Mietspiegels zu erreichen.
h) Die Offenlegung der Mietpreiskalkulation in dem Mietvertrag bedeutet nicht, dass die Klägerin zu einer einseitigen Mieterhöhung befugt wäre, wenn sich einer der ihr zugrunde liegenden Faktoren ändern würde. Dies gilt insbesondere für eine Verringerung der öffentlichen Zuschüsse, die dazu führt, dass die Durchschnittsmiete des öffentlich geförderten Sozialen Wohnungsbaus steigt. Maßgeblich ist die Miete, die konkret bei Vertragsschluss vereinbart war. Es handelte sich um die Nettokaltmiete von 212,25 Euro. Dass die Klägerin ohne die besonderen Voraussetzungen einer Mietobergrenze wegen Vorlage eines Berechtigungsscheins eine höhere Miete hätte vereinbaren können, ändert daran nichts. Zukünftige Erhöhungen der Miete lassen sich nicht in der Weise vereinbaren, dass auf eine Verringerung oder einen Wegfall der Förderung oder auf sonstige Festsetzungen des Fördergebers Bezug genommen wird. Eine schrittweise Erhöhung der Miete kann – abgesehen von §§ 558 ff. BGB – nur in Form einer Staffelmiete nach § 557 a BGB oder einer Indexmiete nach § 557 b BGB vereinbart werden. …
04.05.2017