Leitsatz:
Natürlicher Baumwuchs und die dadurch zunehmende Verschattung stellen keinen Mietmangel dar, wenn es sich bei der Mietwohnung um eine Erdgeschosswohnung vor einem baumbestandenen parkähnlichen Garten handelt und die Bäume des Gartens im Laufe der Zeit höher wachsen.
AG Neukölln, Urteil vom 2.7.08 – 21 C 274/07 –
Mitgeteilt von RA Matthias Tüxen
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist nicht begründet.
1. Antrag auf Rückschnitt
Der Antrag ist schon unzulässig, weil er – wie die Beklagte zu Recht gerügt hat – nicht ausreichend konkret beschreibt, welche Bäume oder Gehölze genau beschnitten werden sollen.
Ein entsprechender Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO erübrigte sich jedoch, weil im Verlaufe der Verhandlungen und Ortstermine ohnehin offensichtlich geworden ist, dass der Antrag auch bei hinreichender Konkretisierung in der Sache keinen Erfolg haben konnte.
Zunächst hat der Kläger im Verlaufe des Rechtsstreits nicht mehr behauptet, die Sträucher vor seinem Wohnzimmer bzw. der Loggia würden nicht beschnitten. In beiden Ortsterminen konnte das Gericht feststellen, dass die Sträucher geschnitten waren und unterhalb der Brüstung der Loggia endeten. Die Beklagte hat auch vorgetragen, dass insoweit 2 x jährlich ein Rückschnitt erfolge. Dem ist der Kläger nicht mehr weiter entgegengetreten. Eine Verschattung durch Sträucher ist daher nicht feststellbar.
Soweit der Kläger die Beschneidung der Kastanien und Buchen im Umfeld seiner Wohnung verlangt, ist ein Anspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nicht gegeben. Ein solcher Rückschnitt von Laubbäumen unterfällt nicht ohne Weiteres der normalen Instandhaltungspflicht und ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 536 BGB, weil der natürliche Baumwuchs und die dadurch zunehmende Verschattung im vorliegenden Fall nicht zu einem Mangel der Mietsache führen (vgl. auch LG Hamburg, Urteil vom 10.9.1998, 307 S 130/98).
Denn ein Mangel der Mietsache ist durch die Verschlechterung der Lichtverhältnisse im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben.
Es ist unstreitig, dass die Wohnung beim Einzug des Beklagten wegen der damals noch nicht so großen Bäume deutlich besser gewesen sein wird. Bei der Anlage handelt es sich aber – wie auch die Beklagte vorträgt – um ein Gelände mit waldähnlichem Charakter. Eine Vielzahl großer Bäume (vor allem auf der Ostseite: zahlreiche Buchen) stehen dort und waren unstreitig auch schon beim Einzug des Klägers vorhanden. Dieser Baumbestand prägt auch den Charakter der Anlage und macht gerade einen besonderen Reiz der Wohnsiedlung aus, weil hierdurch der Eindruck einer Park- und teilweise waldähnlichen Anlage entsteht, wodurch ein attraktives – nämlich gesundes und erholsames – Umfeld für die Mieter entsteht. Der Kläger hat daher von Anfang an damit in besonderem Maße rechnen müssen, dass die Bäume wachsen und dadurch zunehmend mehr Licht wegnehmen werden.
Zu einem Mangel der Mietsache kann sich dies nur dann entwickeln, wenn das Maß der Verschattung unzumutbar wird, denn nur dann kann nach den Vorgaben der Baumschutzverordnung überhaupt ein Rückschnitt genehmigt werden.
Die Grenze des Zumutbaren ist dabei vorliegend nicht überschritten. Aus diesem Grunde eröffnet die anwendbare BaumschutzVO hier auch gar nicht die Möglichkeit, durch den verlangten Beschnitt bessere Lichtverhältnisse herzustellen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Im Termin am 4.2.2008 hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die Angaben des anwesenden Mitarbeiters R… von der beauftragten Gartenbaufirma vorgetragen, dass ein Beschneiden solcher Laubbäume grundsätzlich nicht üblich sei, den Kastanien im übrigen auch schweren Schaden zufügen könne, weil sie einen Rückschnitt schlecht vertrügen. Ferner teilte die Beklagte mit, dass trotzdem regelmäßig der von der BaumschutzVO zugelassene Freischnitt des Lichtraumprofils (d.h. des Gehwegs bis in eine Höhe von 2,50 m) erfolge (vgl. BaumschVO § 4 Abs. 4 Nr. 2). Dies war auch erkennbar, denn über dem Gehweg vor dem Haus war ein großer Raum ohne hereinragende Zweige vollständig frei. Die Äste der Kastanien erreichten auch zum Haus hin weder im unteren noch im Traufbereich die Hausfassade, so dass der behauptete vollständige Abschluss der Äste mit der Traufe des Hauses nicht besteht, und zwar weder im Winter noch in belaubtem Zustand im Sommer.
Weitere Eingriffe in das Wachstum geschützter Bäume sind nur mit einer Ausnahmegenehmigung durch die zuständige Behörde zulässig. Um eine solche Genehmigung hat sich die Beklagte sogar bemüht. Der Antrag ist aber mit Bescheid vom 27.3.2007 durch die Behörde zurückgewiesen worden. Die Behörde weist darauf hin, dass die Bäume sämtlichst gesund, vital und standsicher seien, so dass Gefährdungstatbestände, die eine Fällung oder Beschneidung rechtfertigen können, nicht gegeben sind.
Die von den Bäumen ausgehende Verschattung sei ferner auch nicht unzumutbar, die beantragte Einkürzung der Kronen könne die Belichtungsverhältnisse nur minimal verbessern, wohingegen die Bäume durch den Schnitt aber unnötig verschandelt würden.
Das Gericht teilt diese Einschätzung der Behörde. Nach den Feststellungen vor Ort ist davon auszugehen, dass die Belichtungsverhältnisse nicht allein durch den Baumbestand schlecht sind, sondern in erster Linie durch die Lage des Wohngebäudes zur Sonne, die Lage der Wohnung im Erdgeschoss und deren konkretem Zuschnitt, insbesondere die Bauweise des Wohnzimmers mit der vorgelagerten Loggia. Dies sind aber Umstände, durch die die Lichtverhältnisse in der Wohnung von Anfang an beeinträchtigt gewesen sein müssen und die daher für den Kläger erkennbar hingenommen worden sind.
Es ist zwar erkennbar geworden, dass auf der Ostseite (Küche, Bad und Schlafzimmer des KI.) durch die Buchen tatsächlich nur wenig Sonnenlicht durchdringt. Es hat sich aber gezeigt, dass auch der Beschnitt der am nächsten gelegenen Buche nur wenig bis gar nichts gebracht hat. Wie von den Parteien im Termin am 4.2.2008 vereinbart, wurde mit Genehmigung der Behörde ein Ast zurückgeschnitten, der dem Küchenfenster des Klägers am nächsten kam. Hierdurch hat sich an den Lichtverhältnissen fast nichts geändert. Es hat sich gezeigt, dass hier eine durchgreifende Verbesserung allenfalls zu erzielen wäre, wenn der gesamte Baum entfernt oder die Krone umfassend zurückgestutzt werden würde. Auch durch die weiter entfernt liegenden Buchen (vor dem gegenüberliegenden Gebäuderiegel auf der östlichen Seite) wird die Morgen- und Vormittagssonne erheblich verdeckt, so dass auch diese Bäume radikal beschnitten werden müssten. Hierdurch würde das Erscheinungsbild dieser Bäume und damit auch die Gesamtwirkung der Wohnanlage stark beeinträchtigt.
Auf der Westseite hat sich in beiden Terminen gezeigt, dass die Sonne ab ca. 13.00 Uhr die Vorderseite des Hauses zu bescheinen beginnt. Hierbei war erkennbar, dass auch im Juni nach voller Entfaltung des Blattwerkes zwischen den Kastanien und der Hauswand ein breiter Streifen frei war und das Sonnenlicht zunächst vollständig durchlässt, so dass der Weg vor dem Haus und die Fassade in der Sonne liegen. Freilich ist der Einfallswinkel zu dieser Tageszeit sehr steil. Hierdurch erklärt sich, dass insbesondere in die EG-Wohnungen trotzdem wenig Licht einfällt, insbesondere auch deshalb, weil das direkte Sonnenlicht allenfalls die Loggien, aber nicht mehr die dahinter zurückgesetzten Wohnzimmer erreicht. Im Verlaufe des Nachmittags ergibt sich dann jedenfalls in der Zeit von 14.30 Uhr bis ca. 18.00 Uhr zwischen den beiden vor dem Gebäude Nr. 9 a stehenden Kastanien eine Lücke, die das Sonnenlicht vollständig durchlässt, so dass zumindest die Loggia im Sonnenlicht liegt. Wenn das Licht dann nicht bis in das Wohnzimmer fällt, hat das nichts mit dem Baumbestand, sondern mit der Bauweise der Wohnung zu tun. Insoweit dürften aber die Belichtungsverhältnisse beim Einzug des Klägers kaum anders gewesen sein; mit einer schlechten Belichtung der im EG gelegenen Wohnung angesichts der vorhandenen Ausrichtung und Bauweise musste der Kläger daher von vornherein rechnen. Es handelt sich daher nicht um einen nach Vertragsschluss aufgetretenen Sachmangel.
Das Gericht ist der Auffassung, dass für die Beurteilung der Lichtverhältnisse diejenigen im Wohnraum von größerem Gewicht sind als diejenigen auf der Seite der Küche, des Bades und des Schlafzimmers. In den Räumen, wie auch im Wohnzimmer der Wohnung, war ferner festzustellen, dass der Beklagte einzelne Wände mit dunklen Farben gestrichen hat (Schlafzimmer: himbeerrot, Wohnzimmer: gelb, Küche: dunkelgelb). Auch diese Farbgestaltungen tragen erheblich zu den schlechten Lichtverhältnissen in der Wohnung bei. Dem Kläger stünde insoweit ein einfaches Mittel zu Gebote, um die Situation selbst wenigstens etwas zu verbessern.
Die Belichtungsverhältnisse in der Wohnung sind nach den vorstehenden Ausführungen nicht als unzumutbar anzusehen, denn die Wohnung hat zumindest in der Zeit von 13.00 bis 18.00 Uhr auf der Wohnzimmerseite einen angemessenen Lichteinfall, der jedenfalls nicht durch die Kastanienbäume unzumutbar beeinträchtigt wird. Im Winter dürfte auch auf der östlichen Seite die Belichtungssituation besser sein, wenn das Licht durch die entlaubten Bäume dringen kann. Dass der Kläger möglicherweise in der Küche ganztägig künstliches Licht einschalten muss, ist für die Beurteilung der Gesamtverhältnisse ohne Gewicht, denn eine Küche (insbesondere eine so kleine Küche wie die des Klägers) ist kein Raum, der für den längerfristigen Aufenthalt des Mieters bestimmt ist.
2. Feststellungsantrag
Aus den vorstehenden Gründen ist der Kläger nicht berechtigt, die Miete wegen der Belichtungsverhältnisse zu mindern. Ein Mangel der Mietsache liegt nicht vor.
03.02.2013