Leitsatz:
Stellt der Mieter entgegen der Hausordnung sein Kraftfahrzeug auf dem zum Mietwohnhaus gehörenden Grundstück ab, so ist der Vermieter in der Regel gehalten, den Mieter zunächst zum Wegfahren aufzufordern, bevor er dessen Fahrzeug abschleppen lässt.
AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 23.11.06 – 8 C 106/06 –
Mitgeteilt von RA Rainer Döring
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Aufgrund des Umstands, dass gemäß Ziffer 5 der Zusatzvereinbarung im Mietvertrag das Be- und Entladen der Fahrzeuge durch die Mieter zulässig ist, und zwar von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr und lediglich das Parken untersagt ist, und des Umstandes, dass ein Mietverhältnis nach der Rechtsprechung besonderen Grundsätzen unterliegt, durfte die Vermieterin nicht, – ohne vorher versucht zu haben, den Beklagten zu erreichen -, sein Fahrzeug abschleppen, unabhängig davon, ob dieser Abschleppvorgang sich tatsächlich am 1. Juli 2005 abgespielt hat. Neben der Pflicht des Vermieters, dem Mieter den ungestörten, vertragsgemäßen Mietgebrauch zu gewähren, trifft den Vermieter darüber hinaus auch eine Pflicht, durch Vorsorge Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs zu vermeiden. Diese Fürsorgepflicht stellt eine besondere Erscheinungsform der allgemeinen Überlassungs- und Erhaltungspflicht des Vermieters dar. Aus der Fürsorgepflicht des Vermieters kann sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall auch eine gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des Mieters ergeben, wenn diese für den Vermieter möglich und zumutbar ist (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht 8. Auflage, § 535 Anm. 76 und 78). Mietvertraglich hat die Vermieterin ihren Mietern die Möglichkeit gewährt, das Gelände, in welchem sich die Wohnungen befinden, welches grundsätzlich weitgehend autofrei bleiben soll, zum Be- und Entladen tagsüber von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr zu benutzen, wobei zeitliche Ausnahmen mit dem Verwalter gemäß Ziffer 7 der Hausordnung auch geregelt werden können. Ein Abschleppen des Fahrzeugs darf die Vermieterin gemäß Ziffer 5 der Zusatzvereinbarung nur vornehmen, wenn Zuwiderhandlungen vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall. Auch nach Vortrag der Klägerin handelt es sich zum einen nicht um eine derartige Zuwiderhandlung im Sinne der Ziffer 5 der Zusatzverordnung, dass der Beklagte auf einem Zufahrtsweg für die Feuerwehr etc. sein Auto hingestellt hatte. Im Gegenteil ist der Darlegung des Beklagten zu entnehmen, dass die seitens der Klägerin eingereichten Fotos veranschaulichen, dass das Auto neben seinem Wohnungseingang steht, welcher ebenfalls auf dem Foto erkennbar sei. Die Klägerin hat nicht substantiiert unter Beweisantritt dargelegt, dass der Beklagte die andere Zuwiderhandlung der Ziffer 5 der Zusatzvereinbarung begangen hat, nämlich, dass er das Auto auf dem Grundstück geparkt hat. Da sie selbst darlegt, sie habe den Abschleppvorgang bereits um 8.00 Uhr begonnen und dieser habe mindestens 10 bzw. 15 Minuten gedauert, kann ein „Parken“ nur vorgelegen haben, wenn das Auto längere Zeit vor 8.00 Uhr sich bereits auf dem Gelände befunden hat. An einem derartigen Vortrag, dass das Auto bereits mehrere Stunden oder die Nacht über auf dem Gelände abgestellt worden war, mangelt es. Anders als in der Straßenverkehrsordnung ist ein Mieter nicht gehalten, einen Be- und Entladevorgang zügig und in kurzer Zeit vorzunehmen, sondern er kann sich hierfür die Zeit lassen, die er auch benötigt, d.h. es kann sich – theoretisch – auch um mehrere Stunden bei entsprechender Ladetätigkeit (Urlaubsrückkehr, Möbeltransporte etc.) handeln. Ein Parken ist nur zu bejahen, wenn ein Be- und Entladevorgang gar nicht stattfindet, wobei dies der Vermieter jedoch nicht aufgrund einer Zeitspanne von ca. 30 Minuten, in der das Auto abgestellt ist, entscheiden kann. Insoweit erfordert die Fürsorgepflicht des Vermieters, dass er sich die Kraftfahrzeugkennzeichen seiner Mieter bei Mietvertragsabschluss nennen lässt und, wenn es sich um ein Auto eines Mieters handelt, diesen zumindest versucht zu erreichen, um zu ergründen, ob eine Be- und Entladetätigkeit vorgenommen wird. Allein die Kürze oder Länge eines Zeitabschnittes des abgestellten Autos genügen insoweit nicht. Unabhängig davon, dass der Beklagte substantiiert dargelegt hat, dass die Hausmeister der Vermieterin seit Jahren sein auffälliges Auto kennen, darf die Vermieterin nicht ohne weiteres Autos abschleppen, ohne vorher abzuklären, ob es sich nicht um ein Auto handelt, das einem Mieter gehört. Sie hat im Mietvertrag den Mietern insoweit Rechte eingeräumt und kann diese nicht derart beschneiden, dass den Mietern, ohne dass sie sich erklären können, dass sie ggf. eine Ladetätigkeit durchführen, hohe Abschleppkosten entstehen. Allerdings genügt in jedem Fall der Versuch des Vermieters, den Mieter zu erreichen; legt er unter Beweisantritt dar, dass er an der Wohnungstür des Mieters geklingelt hat und es wurde ihm nicht geöffnet, erscheint eine Beauftragung eines Abschleppunternehmens gerechtfertigt. …
03.02.2013