Leitsatz:
Zum Anspruch des Mieters gegen den Vermieter, dass dieser in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots den Wärmelieferungsvertrag für das Mietobjekt kündigt oder eine Kulanzregelung mit dem Wärmelieferer trifft.
Kammergericht vom 19.4.2010 – 20 U 247/08 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter ist nicht verpflichtet, einen Wärmeversorgungsvertrag laufend darauf zu überprüfen, ob er möglicherweise günstigere Konditionen erzielen kann. Er muss auch nicht versuchen, mit dem Versorger eine Kulanzregelung über niedrigere Preise zu erzielen. Die laufenden Verträge muss der Vermieter erst dann überprüfen und gegebenenfalls eine Änderungskündigung aussprechen, um bessere Konditionen zu erreichen, wenn sich zum Beispiel die Tarifstruktur ändert und sich die Frage stellt, welcher Tarif am günstigsten ist; ebenso, wenn sich die Kosten signifikant erhöhen und dies nicht auf Preiserhöhungen oder die Witterungsverhältnisse zurückzuführen ist.
Urteilstext
Aus den Gründen:
Der Senat hält die Berufung der Beklagten nach eingehender Beratung einstimmig weiterhin für aussichtslos. Die Gründe hierfür sind der Beklagten mit der am 15. März 2010 zugestellten Verfügung vom 11. März 2010, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ausführlich dargestellt worden. Die Stellungnahme der Beklagten mit Schriftsatz vom 13. April 2010 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
1. Soweit die Beklagte – unter Bezug auf die Äußerung des Senats, bis zum Jahre 2004 habe auch aus der Sicht der Beklagten für die Klägerin keine Veranlassung bestanden, an das Versorgungsunternehmen heranzutreten – die Auffassung vertritt, es sei zu berücksichtigen, dass der Anschlusswert in dem 1994 abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrag von Anfang an „weit überhöht“ gewesen sei, führt dieses nicht zu einem anderen Ergebnis.
Wie die Beklagte selbst ausführt, sind für den Mieter die im Zeitpunkt seines Vertragsschlusses mit dem Vermieter vorliegenden Verträge des Vermieters mit den jeweiligen Versorgungsunternehmen maßgebend. Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Mietvertrag am 14. April 2003 (Mietvertragsbeginn: 1. Juni 2003) abgeschlossen, zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Wärmeversorgungsvertrag vom 28. April/30. Mai 1994 zunächst zum 30. April 1999 verlängert und hätte – theoretisch – spätestens bis 31. Juli 2003 zum 30. April 2004 gekündigt werden können. Auch wenn somit nach Abschluss des Mietvertrages mit der Beklagten noch für einige Monate die theoretische Möglichkeit der Beendigung des Wärmeversorgungsvertrags zum 30. April 2004 durch die Klägerin bestanden hat, hilft das der Beklagten nicht weiter. Denn in Anbetracht der durchaus üblichen Heizkosten in Höhe von rd. 1 EUR/qm hatte die Klägerin aus ihrer Sicht keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob sich durch eine Modifizierung des Anschlusswertes die Heizkosten noch weiter verringern ließen. Auch die Beklagte hatte zum damaligen Zeitpunkt keine Veranlassung gesehen, daran zu zweifeln, dass es sich bei der Vorauszahlung von 1 EUR/qm um einen „realistischen Wert“ handelt. Dass dieses der Fall war, hat sich dann auch durch die Nebenkostenabrechnung vom 3. Dezember 2004 für das Jahr 2003 bestätigt (Vorauszahlungen nunmehr 0,97 EUR pro qm), auch wenn der Mietvertrag der Beklagten erst am 1. Juni 2003 in Kraft trat.
Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin habe den Wärmeversorgungsvertrag „laufend überprüfen müssen“, und sie hätte daher innerhalb der Kündigungsfrist eine Änderungskündigung im Juni 2003 aussprechen können und müssen, teilt der Senat so nicht.
Anlass zu einer Überprüfung der laufenden Verträge, verbunden mit der Konsequenz, im Wege einer Änderungskündigung günstigere Konditionen zu erhalten, hat der Vermieter erst dann, wenn sich z.B. bei einer Änderung der Tarifstruktur des Wärmeversorgungsunternehmens die Frage stellt, ob und welcher Tarif wirtschaftlich am günstigsten ist, oder wenn eine signifikante Erhöhung der Kosten, die nicht auf Preiserhöhungen oder Witterungsverhältnisse zurückzuführen ist, die Überlegung nahe legen, ob durch eine Modifizierung des Versorgungsvertrages Abhilfe geschaffen werden kann.
Wie oben festgestellt, hatte die Klägerin wegen der sich im gewohnten Rahmen bewegenden angefallenen Heizkosten aber keinen Anlass, im Jahre 2003 eine Änderungskündigung in Erwägung zu ziehen. Ein solcher Anlass hätte frühestens nach der Abrechnung vom 13. Dezember 2005 über die Heizkosten für das Jahr 2004 bestanden; zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Wärmeversorgungsvertrag aber bereits bis zum 30. April 2009 verlängert.
2. Der Senat ist auch weiterhin der Auffassung, dass der Vermieter nicht verpflichtet ist, das Versorgungsunternehmen im Wege der Kulanz um eine Änderung des noch laufenden Vertrages zu bitten.
Grundsätzlich gilt, dass Verträge einzuhalten sind (pacta sunt servanda), auch wenn diese sich für eine Seite als ungünstig herausstellen. Es ist nach Auffassung des Senats systemwidrig, wenn der Vermieter, der ebenfalls diesem grundlegenden Rechtsprinzip unterliegt und an den Vertrag mit dem Wärmeversorgungsunternehmen gebunden ist, Schadensersatzansprüchen des Mieters ausgesetzt ist, wenn er nicht den Versuch unternimmt, eine Abänderung des Vertrages im Wege der Kulanz bei seinem Vertragspartner, dem Wärmeversorgungsunternehmen, zu erreichen.
Mangels einer Verpflichtung, kommt es auf die Frage, ob das Wärmeversorgungsunternehmen bei entsprechender Anfrage durch die Klägerin schon vor 2007 bereit gewesen wäre, den laufenden Vertrag zu modifizieren, nicht an.
3. Eine von Ziffer 2. abweichende Beurteilung ist auch nicht wegen einer etwaigen Verpflichtung des Wärmeversorgungsunternehmens zur Abänderung des Versorgungsvertrages aus besonderen Gründen geboten. Auch die in den Jahren 2005 und 2006 angefallenen Heizkosten rechtfertigen noch nicht die Annahme eines außerordentlichen Kündigungsrechtes nach § 314 BGB bzw. einer Vertragsanpassung nach § 242 BGB. Die Heizkosten sind zwar ungewöhnlich hoch und die Annahme, dass der damals bestehende Vertrag für die Klägerin sehr ungünstig war, durchaus zutreffend. Die Beträge erreichen aber noch nicht einen Bereich – gerade auch vor dem Hintergrund des Rechtsgrundsatzes, dass Verträge einzuhalten sind und zwar auch dann, wenn sich diese für eine Vertragspartei als nachteilig erweisen -, der ein Festhalten an dem Vertrag für die Klägerin als „unzumutbar“ erscheinen lässt.
4. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts im Urteilsverfahren.
Zu der Frage, ob der Vermieter im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes auch gehalten ist, auf das Versorgungsunternehmen hinzuwirken, dass dieses im Wege der Kulanz einer Änderung des noch laufenden Vertrages zustimmt, gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung und – jedenfalls soweit ersichtlich – ist diese Frage bisher auch nicht Gegenstand von (divergierenden) Entscheidungen anderer Gerichte gewesen. Die Frage hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO. Das ist dann der Fall, wenn „eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt“ (statt vieler: BGH NJW 2003, 2319; Zöller-Heßler, ZPO, 28. Aulage, § 543 Rdnr. 11). Dieses kann zumindest derzeit nicht festgestellt werden. Zu der Frage, unter welchen Umständen ein Festhalten am Vertrag unzumutbar im Sinne von § 314 ZPO ist, gibt es bereits eine umfassende obergerichtliche Rechtsprechung.
Der Beschluss ist gemäß § 522 Abs. 3 ZPO nicht anfechtbar.
31.01.2013