Leitsatz:
Wer haftet, wenn der Briefkastenschlüssel abbricht?
AG Halle vom 17.3.2009 – 93 C 4044/08 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Dem Mieter brach der Briefkastenschlüssel ab. Es wurde eine Auswechslung des Briefkastenschlosses erforderlich. Hierfür entstanden dem Vermieter Kosten in Höhe von 75,45 Euro. Diesen Betrag verlangte er vom Mieter erstattet. Der Mieter zahlte nicht. Es kam zum Prozess. Das Amtsgericht Halle wies die Klage des Vermieters mit folgender Begründung ab: Der Vermieter habe keine Pflichtverletzung des Mieters vorgetragen, die einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Absatz 1 BGB begründen könnte. Denn dass der Mieter den Briefkastenschlüssel vorsätzlich abbrach, werde vom Vermieter nicht behauptet und ist auch kaum anzunehmen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Mieter fahrlässig handelte, denn es ist weder vorgetragen noch sonst nachzuvollziehen, welche Sorgfaltspflicht der Mieter verletzt haben soll. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass Schlüssel meist nicht wegen unsachgemäßer Handhabung, sondern wegen – nicht vom Mieter zu vertretender – Materialermüdung abbrechen. Somit handelte der Mieter nicht schuldhaft und sei daher nicht schadensersatzpflichtig.
Urteilstext
Tatbestand:
Die Kläger verlangen Schadensersatz aus einem laufenden Wohnraummietverhältnis.
Die Kläger vermieteten dem Beklagten eine Wohnung im Haus U. … in H.. Am 5. März 2008 brach dem Beklagten der Briefkastenschlüssel ab. Dies zeigte der Beklagte den Klägern auch unverzüglich an. Es wurde eine Auswechslung des Briefkastenschlosses erforderlich. Hierfür entstanden den Klägern Kosten in Höhe von 75,45 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 20 d. A. verwiesen. Diesen Betrag nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 46,41 Euro – wegen der Aufschlüsselung der Kosten wird auf die Darstellung auf Seite 4 der Anspruchsbegründung, Bl. 19 d. A., verwiesen – verlangen die Kläger mit der vorliegenden Klage.
Die Kläger behaupten, der Beklagte habe den Schlüssel zumindest fahrlässig zerstört und daher schuldhaft gehandelt. Da die Beschädigung im Machtbereich des Beklagten passiert sei, sei es Sache des Beklagten, einen Sachverhalt vorzutragen, welcher Verschulden ausschließt.
Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 75,45 Euro zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 46,41 Euro als Nebenforderung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet jedes Verschulden an der Beschädigung des Briefkastenschlüssels.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Kläger tragen keine Pflichtverletzung des Beklagten vor, die einen Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß § 280 Abs. 1 BGB begründen könnte. Die Kläger tragen vor, dass der Beklagte den Briefkastenschlüssel abbrach. Richtigerweise wird man wohl sagen müssen, dass dem Beklagten der Briefkastenschlüssel abbrach. Denn dass der Beklagte den Briefkastenschlüssel vorsätzlich abbrach, wird von den Klägern nicht behauptet und ist auch kaum anzunehmen. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Beklagte fahrlässig handelte, denn es ist weder vorgetragen noch sonst nachzuvollziehen, welche Sorgfaltspflicht der Beklagte verletzt haben soll. Somit handelte der Beklagte nicht schuldhaft und ist daher nicht schadensersatzpflichtig.
Zwar hat der Mieter eine nebenvertragliche Obhutspflicht, was bedeutet, dass er die gemieteten Sachen schonend und pfleglich zu behandeln hat. Er hat alles zu unterlassen, was zu einem Schaden an der Mietsache führen kann. (KG Berlin, Urteil vom 11. Februar 2008, Az. 8 U 151/07, zitiert nach juris.) Es ist aber nicht vorgetragen oder sonst zu erkennen, wie der Beklagte konkret gegen diese Obhutspflicht verstoßen haben soll.
Es ist auch nicht etwa Sache des Beklagten, ergänzend vorzutragen, warum der Schlüssel abbrach. Mehr als dass ihm der Schlüssel abbrach, was bereits unstreitig ist, kann er schlechterdings nicht vortragen. Im übrigen entspricht es auch der Lebenserfahrung, dass Schlüssel meist nicht wegen unsachgemäßer Handhabung, sondern wegen – nicht vom Mieter zu vertretender – Materialermüdung abbrechen. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre es daher Sache der Kläger, ergänzend vorzutragen, woraus gleichwohl ein Verschulden des Beklagten gefolgert werden soll.
Dass es zwischen den Parteien eine Vereinbarung des Inhalts gibt, dass der Beklagte verschuldensunabhängig für Schäden haftet, ist nicht vorgetragen.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus den von den Klägern zitierten Entscheidungen. In der Entscheidung des AG Hamburg vom 26. August 1999 (Az. 47 C 178/99, zitiert nach juris) ist – nach alter Rechtslage vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz – ebenso wie im vorliegenden Fall entschieden worden, dass der Vermieter vom Mieter für den Schlüssel keinen Schadenersatz verlangen kann, wenn dem Mieter (dort: beim Verlust des Schlüssels) kein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts Witten vom 20. November 2002 (Az. 15 C 417/02, zitiert nach juris) rechtfertigt auch dann, falls diese Entscheidung so zu verstehen sein sollte, dass der Mieter auch bei einem unverschuldeten Verlust des Schlüssels haftet, ebenfalls keine andere Entscheidung. Dort hat das Gericht aus dem Verlust des Schlüssels gefolgert, dass der Mieter gegen seine Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung verstoßen habe. Ob dies eine tragfähige Begründung ist, mag dahinstehen. Jedenfalls lässt sie sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen: Aus der Tatsache, dass der Schlüssel abbrach, lässt sich nicht folgern, dass der Beklagte gegen mietvertragliche Pflichten (welche?) verstoßen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Wegen einer möglichen Abweichung von der Entscheidung des AG Witten vom 20. November 2002 ist gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 ZPO die Berufung zuzulassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf die Gebührenstufe bis 300,00 Euro festgesetzt.
31.01.2013