Leitsatz:
Enthält der Mietvertrag keine Betriebskostenvereinbarung, sondern lediglich die Verpflichtung zur Zahlung monatlicher Betriebskostenvorschüsse, schuldet der Mieter keine Betriebskosten. Dies gilt selbst dann, wenn jahrelang abgerechnet wird und die sich aus den Abrechnungen ergebenden Guthaben ausgezahlt und vom Mieter angenommen werden.
LG Berlin vom 13.8.2010 – 63 S 658/09 –
Mitgeteilt von RA Dr. Dilip D. Maitra
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
In § 6 des Mietvertrages war geregelt: „Der Betriebskostenvorschuss beträgt monatlich zurzeit 100 Euro. […] Die Vorschusszahlungen ändern sich, wenn sich die Höhe der Betriebskosten nach der letzten Berechnung geändert hat. Der Vermieter hat die Änderung dem Mieter mitzuteilen. Ein sich ergebender Saldo, auch soweit er auf der Abrechnung der Vorschüsse beruht, ist mit der nächsten Mietzahlung auszugleichen.“
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag enthält darüber hinaus keine weiteren Regelungen dazu, welche Betriebskosten der Mieter übernehmen soll.
Das Landgericht sprach dem Mieter einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum Januar 2006 bis November 2008 gezahlten Betriebskostenvorschüsse in Höhe von 3.067,34 Euro gemäß § 812 Absatz 1 Satz 1, 1. Variante BGB zu. Der Mieter leistete „etwas“ an den Vermieter ohne Rechtsgrund, indem er im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 100 Euro an den Vermieter erbrachte. Dies geschah auch ohne Rechtsgrund, da die Vereinbarung über die Zahlung der Betriebskosten in § 6 des Vertrags aufgrund der fehlenden Konkretisierung, welche Betriebskostenarten von ihr umfasst sein soll, unwirksam ist.
Urteilstext
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um den Anspruch der klagenden Mieter auf Rückzahlung der für den Zeitraum Januar 2006 bis November 2008 gezahlten Betriebskostenvorschüsse abzüglich bereits ausgezahlter Guthaben, mithin um eine Gesamtforderung in Höhe von 3.067,34 Euro.
Der zwischen den Parteien mit Wirkung zum 01.08.2004 geschlossene Hauswart-Dienstvertrag enthielt unter § 6 auch eine Vereinbarung über die Vermietung der Wohnung der beklagten Eigentümerin an die Klägerin. Dort regelten die Parteien u.a.:
Der Betriebskostenvorschuss beträgt monatlich z.Zt. 100,00 Euro. […] Die Vorschusszahlungen ändern sich, wenn sich die Höhe der Betriebskosten nach der letzten Berechnung geändert hat. Der Vermieter hat die Änderung dem Mieter mitzuteilen. Ein sich ergebender Saldo, auch soweit er auf der Abrechnung der Vorschüsse beruht, ist mit der nächsten Mietzahlung auszugleichen.
Der zwischen den Parteien geschlossene Hauswart-Dienstvertrag enthält darüber hinaus keine weiteren Regelungen dazu, welche Betriebskosten der Mieter übernehmen soll.
In der Folgezeit rechnete die von der Beklagten beauftragte Hausverwaltung über die von den Klägern gezahlten Vorschüsse ab. Die Abrechnung für das Jahr 2004 wurde am 18.04.2005 erstellt und endete mit einem Guthaben zu Gunsten der Kläger in Höhe von 42,75 Euro. Die Abrechnung für das Jahr 2005 wurde am 14.09.2006 erstellt und endete mit einem Guthaben zu Gunsten der Kläger in Höhe von 125,65 Euro. Ebenso verhielt es sich mit der Abrechnung für das Jahr 2006. Diese wurde am 08.11.2007 erstellt und endete mit einem Guthaben zu Gunsten der Kläger in Höhe von 55,14 Euro. Die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 endete mit einem Guthaben zu Gunsten der Kläger in Höhe von 377,52 Euro. Sie wurde am 04.08.2008 erstellt.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Kläger deren Mietvertrag anlässlich eines anderen Rechtsstreits geprüft hatte, machten die Kläger mit Schreiben vom 05.09.2008 gegenüber der Beklagten erstmalig die Rückzahlung von Betriebskostenvorschüssen für den Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2007 in Höhe von 2.400,00 Euro mit der Begründung geltend, die in § 6 des Hauswart-Dienstvertrags getroffenen Vereinbarung zur Zahlung von Betriebskosten sei unwirksam.
Diesen Einwand ließen die Kläger durch den Berliner Mieterverein mit Schreiben vom 12.12.2008 wiederholen, wobei sie jedoch nunmehr die Rückzahlung in Höhe von 3.167,34 Euro für den Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2008 begehrten und eine Zahlungsfrist bis zum 30.12.2008 setzten.
Im November 2008 wurde die streitgegenständliche Wohnung an die Beklagte zurückgegeben und das Mietverhältnis beendet.
Die Beklagte hat sich erstinstanzlich gegen die Forderung der Kläger damit verteidigt, dass die Betriebskostenvereinbarung durch nachträgliche Abrechnung gegenüber den Klägern wirksam geworden sei. Zudem hat sie behauptet, dass den Klägern bei Anmietung der Wohnung die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003 des Vormieters übergeben worden sei, so dass ersichtlich gewesen sei, welche Betriebskosten abgerechnet werden würden. Im Übrigen sei die Rückforderung verwirkt.
Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, durch die nachträgliche Abrechnung gegenüber den Klägern sei die unwirksame Vereinbarung über die Verpflichtung der Kläger zur Zahlung der Betriebskosten geheilt worden.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, welche sie damit begründen, allein dem Umstand, dass vier Abrechnungen erstellt worden seien, könne kein Erklärungswert beigemessen werden, so dass die unwirksame Vereinbarung über die Zahlung der Betriebskosten durch die Kläger nicht geheilt worden sei.
Im Übrigen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Desweiteren wird von der Darstellung eines Tatbestandes gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet, da die Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum Januar 2006 bis November 2008 gezahlten Betriebskostenvorschüsse in Höhe von 3.067,34 Euro gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. BGB haben. Die Kläger leisteten „etwas“ an die Beklagte ohne Rechtsgrund geleistet, indem sie im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 100,00 Euro an die Beklagte erbrachten.
Dies geschah auch ohne Rechtsgrund, da die Vereinbarung über die Zahlung der Betriebskosten in § 6 des Hauswart-Dienstvertrags aufgrund der fehlenden Konkretisierung, welche Betriebskostenarten von ihr umfasst sein soll, unwirksam ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Hausverwaltung der Beklagten den Klägern bei Anmietung angeblich die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003 des Vormieters übergeben haben will, denn diese ist nicht Bestandteil des Mietvertrages geworden. Hierfür wären übereinstimmende Willenserklärung beider Vertragsparteien erforderlich gewesen. Davon ist aber bei der von der Beklagten selbst vorgetragenen bloßen Übergabe der Betriebskostenabrechnung des Vormieters nicht auszugehen, da diesem Verhalten keine Erklärungswert beizumessen ist. Der zwischen den Parteien geschlossene Hauswart-Dienstleistungsvertrag enthält ferner auch keine Bezugnahme auf die Abrechnung etwa als Anlage.
Auch ist die Unwirksamkeit der Vereinbarung in § 6 des Hauswart-Dienstleistungsvertrags entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht nachträglich durch die Praxis der Beklagten über die Vorschüsse abzurechnen wirksam geworden. Hierzu hätte es einer wirksamen Änderungsvereinbarung zwischen den Parteien bedurft. Der BGH hat in einem ähnlichen Fall dazu ausgeführt, dass ein Änderungsvertrag, der eine erweiterte Umlage von Betriebskosten zum Gegenstand hat, zwar grundsätzlich auch stillschweigend zustande kommen könne (Senatsurteil vom 7. April 2004 – VIII ZR 146/03, NJW-RR 2004, 877, unter II 2 b; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2000 – XII ZR 35/00, NJW-RR 2000, 1463, unter II). Erforderlich dafür sei aber, dass der Vermieter nach den Gesamtumständen davon ausgehen könne, dass der Mieter einer Umlage weiterer Betriebskosten zustimmt. Dafür reiche es grundsätzlich nicht aus, dass der Mieter Betriebskostenabrechnungen unter Einbeziehung bisher nicht vereinbarter Betriebskosten lediglich nicht beanstande (BGH, Urteil vom 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, GE 2008, 46).
Außerdem lässt sich aus der Sicht des Mieters der Übersendung einer Betriebskostenabrechnung, die vom Mietvertrag abweicht, schon nicht ohne weiteres der Wille des Vermieters entnehmen, eine Änderung des Mietvertrages herbeizuführen. Selbst wenn er daraufhin eine Zahlung erbringt, kommt darin zunächst allein die Vorstellung des Mieters zum Ausdruck, hierzu verpflichtet zu sein (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556 Rdnr. 58). Vorliegend ergaben alle Abrechnungen ein Guthaben zu Gunsten der Kläger, so dass nach der vorzitierten Entscheidung des BGH erst Recht nicht davon auszugehen ist, dass die bloße Entgegennahme dieses Guthabens ein Erklärungswert dahingehend beinhaltet, dass die Kläger § 6 des Hauswart-Dienstleistungsvertrag ändern wollten.
Die von der Beklagten zitierten gegenteiligen Rechtsauffassungen sind auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar bzw. diesen kann nach der oben zitierten Entscheidung des BGH nicht gefolgt werden. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 23.05.2002 (NZM 2002, 526) bezog sich zudem auf einen Pachtvertrag über einen Gewerberaum.
Die Einwendungen der Kläger sind auch nicht gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB ausgeschlossen, da sie die Wirksamkeit der Vereinbarung früher als ein Jahr nach dem Zugang der jeweiligen Abrechnungen am 08.11.2007 (für das Jahr 2006) und am 04.08.2008 (für das Jahr 2007) am 05.09.2008 beanstandeten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch eine Umdeutung der vereinbarten Vorauszahlungen in eine Betriebskostenpauschale schon deshalb nicht möglich, da sich die Parteien ausdrücklich auf die Vereinbarung einer Vorauszahlung geeinigt haben. Eine Auslegung gegen diesen eindeutig dokumentierten Parteiwillen ist nicht möglich. Im Übrigen würde auch eine etwaige Umdeutung der vereinbarten Vorauszahlung in eine Betriebskostenpauschale nichts an der Unwirksamkeit der Vereinbarung in § 6 des Hauswart-Dienstleistungsvertrag ändern. Denn auch für die Vereinbarung einer Betriebskostenpauschale ist es erforderlich, dass die Parteien sich darüber einigen, welche konkreten Betriebskosten durch die Pauschale erfasst werden sollen. Dies ist vorliegend jedoch – wie bereits erörtert – nicht geschehen.
Die Rückforderung der Betriebskostenvorschüsse ist auch nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Dieser setzt voraus, dass der Leistende zum Zeitpunkt der Leistung positive Kenntnis davon hatte, dass er die Leistung nicht schuldet (Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl. 2010, § 814 Rn. 3). Das ist vorliegend nicht der Fall, da die Kläger nach unbestrittenem Vortrag erklärt haben, dass sie erst durch die Prüfung des Mietvertrages durch ihren Prozessbevollmächtigten im September 2008 von diesem auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung in § 6 des Hauswart-Dienstleistungsvertrag aufmerksam gemacht wurden. Die seit diesem Zeitpunkt geleisteten Vorschüsse zahlten die Kläger zudem unter Vorbehalt der Rückforderung.
Die Rückforderung der Betriebskostenvorschüsse für den Zeitraum Januar 2006 bis November 2008 ist auch nicht verwirkt. Verwirkung gemäß § 242 BGB setzt voraus, dass der Berechtigte sein Recht längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten sich auch darauf einreichten durfte, das dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 242 Rn. 87). Vorliegend fehlt es jedenfalls am Umstandsmoment, da die Kläger bloß die sich aus der Abrechnung ergebenden Guthaben entgegengenommen haben. Es ist kein darüber hinausgehendes Verhalten vorgetragen, an welches die Beklagte ein Vertrauen darauf knüpfen konnte, dass die Kläger die von ihnen geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen nicht zurückfordern würden.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB. Mit Ablauf der im Schreiben des Berliner Mietvereins vom 12.12.2008 gesetzten Zahlungsfrist bis zum 30.12.2008 trat spätestens Verzug ein.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
14.06.2017