Leitsatz:
Hat der Mieter jahrelang unwirksam vereinbarte Staffelmieterhöhungen gezahlt, ist ein Rückforderungsanspruch dieser Beträge ausgeschlossen.
LG Berlin vom 9.11.2010 – 63 S 138/10 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Rahmen einer Modernisierungsvereinbarung hatten die Parteien folgende Staffelmietvereinbarung getroffen: „Es wird folgende Mietentwicklung vereinbart: ab Wiederbezug der sanierten Wohnung für die Dauer von 4 Jahren (48 Monaten): 4,11 Euro pro Quadratmeter und Monat; ab dem 5. Jahr (49. Monat) nach Wiederbezug für die Dauer von 2 Jahren (24 Monaten): 5,11 Euro pro Quadratmeter und Monat, ab dem 7. Jahr (72. Monat) nach Wiederbezug für die Dauer von 2 Jahren (24 Monaten): 6,14 Euro pro Quadratmeter und Monat, ab dem 8. Jahr (96. Monat) nach Wiederbezug gelten die mietrechtlichen Regelungen des BGB. Die absolute Nettokaltmiete ergibt sich anhand der nach Schlussaufmaß festgestellten Wohnfläche.“
Der Mieter zahlte die jeweils erhöhte Miete über Jahre hinweg, bevor er die Rückzahlung der Beträge wegen Unwirksamkeit der Staffelmietvereinbarung rügte.
Das Landgericht entschied wie aus dem Leitsatz ersichtlich: Zwar sei die Staffelmietvereinbarung unwirksam, da weder der Erhöhungsbetrag noch die erhöhte Miete in einem Gesamtbetrag angegeben seien. Vielmehr hänge die Berechnung der Mieterhöhung von einem noch ungewissen Faktor, nämlich dem Schlussaufmaß ab. Daher konnte der Mieter den Umfang der Erhöhung bei Abschluss der Vereinbarung nicht vorhersehen, so dass die Vereinbarung gemäß § 557 a Absatz 4 BGB unwirksam sei.
Jedoch habe der Mieter durch die vorbehaltlose Zahlung der erhöhten Mieten über Jahre hiweg konkludent die jeweilige Mietzinsvereinbarung für den jeweiligen Monat bestätigt. Aus der unwirksamen Staffelmietvereinbarung komme nämlich der zugrunde liegende Wille der Parteien eindeutig zum Ausdruck, die Miete regelmäßig zu erhöhen. Hieran habe sich der Mieter auch gehalten und seine Zahlungen dementsprechend über die gesamte Dauer der Vereinbarung ohne jeden Vorbehalt entsprechend erhöht. Damit habe er konkludent zum Ausdruck gebracht, dass diese Mietzahlungen weiterhin seinem bei Abschluss des Vertrags geäußerten Willen entsprächen. Einer Annahme dieser Erklärung durch den Vermieter bedurfte es hierzu gemäß § 151 BGB nicht, weil dies für ihn nur vorteilhaft war.
Urteilstext
Zum Sachverhalt:
Im Rahmen einer Modernisierungsvereinbarung hatten die Parteien folgende Staffelmietvereinbarung getroffen: „Es wird folgende Mietentwicklung vereinbart: ab Wiederbezug der sanierten Wohnung für die Dauer von 4 Jahren (48 Monaten): 4,11 Euro pro Quadratmeter und Monat; ab dem 5. Jahr (49. Monat) nach Wiederbezug für die Dauer von 2 Jahren (24 Monaten): 5,11 Euro pro Quadratmeter und Monat, ab dem 7. Jahr (72. Monat) nach Wiederbezug für die Dauer von 2 Jahren (24 Monaten): 6,14 Euro pro Quadratmeter und Monat, ab dem 8. Jahr (96. Monat) nach Wiederbezug gelten die mietrechtlichen Regelungen des BGB. Die absolute Nettokaltmiete ergibt sich anhand der nach Schlussaufmaß festgestellten Wohnfläche.“
Der Mieter zahlte die jeweils erhöhte Miete über Jahre hinweg, bevor er die Rückzahlung der Beträge wegen Unwirksamkeit der Staffelmietvereinbarung rügte.
Aus den Gründen:
… Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass die Staffelmietvereinbarung in der Anlage 5 zur Modernisierungsvereinbarung unwirksam ist, denn sie verstößt gegen § 557 a Abs. 1 BGB, da weder der Erhöhungsbetrag noch die erhöhte Miete in einem Gesamtbetrag angegeben sind. Vielmehr hängt die Berechnung der Mieterhöhung von einem noch ungewissen Faktor, nämlich dem Schlussaufmaß ab. Daher konnte der Beklagte den Umfang der Erhöhung bei Abschluss der Vereinbarung nicht vorhersehen, so dass die Vereinbarung gemäß § 557 a Abs. 4 BGB unwirksam ist (vgl. hierzu auch Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., 2008, § 557 a, Rn. 8 m.w.N.).
Jedoch hat der Beklagte nicht ohne Rechtgrund geleistet, denn durch die vorbehaltlose Zahlung der erhöhten Mieten über Jahre hinweg hat er nach der Auffassung der Kammer konkludent die jeweilige Mietzinsvereinbarung für den jeweiligen Monat bestätigt (vgl. LG Berlin, Urteil vom 5.5.2002, 63 S 268/01, GE 2002, 804). Aus der unwirksamen Staffelmietvereinbarung kommt nämlich der zugrunde liegende Wille der Parteien eindeutig zum Ausdruck, die Miete regelmäßig zu erhöhen. Hieran hat sich der Beklagte auch gehalten und seine Zahlungen dementsprechend über die gesamte Dauer der Vereinbarung ohne jeden Vorbehalt entsprechend erhöht. Damit hat er konkludent zum Ausdruck gebracht, dass diese Mietzahlungen weiterhin seinem bei Abschluss des Vertrags geäußerten Willen entsprechen. Einer Annahme dieser Erklärung durch den Kläger bedurfte es hierzu gemäß § 151 BGB nach der Verkehrssitte nicht, weil dies für ihn nur vorteilhaft war (vgl. LG Berlin, Urteil vom 5.5.2002, 63 S 268/01, GE 2002, 804).
Es kann auch dahinstehen, ob sich der Beklagte bei jeder Zahlung bewusst war, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins /Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat. Diese Grundsätze gelten auch für schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein. Es wird als Willenserklärung wirksam, wenn der sich Äußernde fahrlässig nicht erkannt hat, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden konnte und der Empfänger es tatsächlich auch so verstanden hat. Auch für einen rechtlichen Laien ist es erkennbar, dass aus der Sicht des Vermieters als Zahlungsempfänger die vorbehaltlosen Zahlungen während des gesamten Mietverhältnisses als Bestätigung der vertraglichen Vereinbarungen aufgefasst werden können. Die gleiche Auffassung vertritt auch die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin, wenn auch mit einer anderen Begründung (vgl. LG Berlin, Urteil vom 8.4.2008, 65 S 292/07, beckRS 2009, 26610).
Ohne Erfolg wendet der Beklagte gegen diese Rechtsprechung ein, dass das konkludente Verhalten durch Zahlung vorliegend nicht zur Bestätigung der unwirksamen Staffelmietvereinbarung führen könne, denn der Abschluss der Staffelmietvereinbarung sei gemäß § 557 a Abs. 1 BGB schriftlich vorzunehmen. Nur formlose Rechtsgeschäfte könnten daher durch schlüssiges Verhalten bestätigt werden (BGH, Urteil vom 6.5.1985, VIII ZR 119/84, NJW 1985, 2579 [2580]; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl. 2010, § 141 Rn. 7). Darauf kommt es vorliegend nicht an, da durch die Zahlungen nicht die gesamte formbedürftige Staffelmietvereinbarung wirksam wird, sondern nur die jeweilige Mietzinsvereinbarung für den Monat, in welchem vorbehaltlos gezahlt worden ist. …
23.04.2017