Leitsätze:
Gelangen üble Gerüche dauerhaft aus einer Wohnung in das Treppenhaus und zum Teil auch in die Wohnungen anderer Mieter, müssen diese das grundsätzlich nicht hinnehmen. Die Rücksichtnahme auf Alter und Krankheit des störenden Mieters findet in der Unzumutbarkeit der Belästigung für die übrigen Hausbewohner ihre Grenze.
Wann von unzumutbaren Geruchsbelästigungen auszugehen ist, muss gegebenenfalls durch Gutachten festgestellt werden.
LG Berlin vom 28.1.2011 – 65 S 296/10 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Vorliegend ging es um den Gestank von sich zersetzenden menschlichen Exkrementen beziehungsweise sich zersetzendem organischen Müll mit der Folge, dass ein Betreten des Treppenhauses nur noch mit Geruchsschutz als erträglich empfunden wurde und ein Hineinsickern des Gestanks in die eigene Wohnung nicht zu verhindern war.
Solcherart Gerüche seien – wie das Landgericht feststellte – auch nicht zu vergleichen mit gelegentlich oder regelmäßig durch Kochen, Wäschewaschen und so weiter auftretenden Gerüchen, die als mit dem Wohnen unvermeidlich zusammenhängend und soweit sie im üblichen Rahmen liegen, hinzunehmen seien und keine Minderung der Miete bewirkten.
Der Vermieter hatte diesen Mangel bestritten und den Mieter aufgefordert, geminderte Miete nachzuzahlen. Der Mieter beauftragte daraufhin einen Sachverständigen mit der Begutachtung des olfaktorischen Zustandes. Dieser hatte den charakteristischen Geruch nicht nur bei Öffnen der Briefklappe wahrgenommen. Dem Gutachten war auch zu entnehmen, dass der Geruch sich an der geöffneten Klappe um ein Vielfaches verstärkte, der Geruch aber auch noch vor der Tür der Wohnung des Mieters eine Etage darüber wahrgenommen werden konnte. Das Gericht erkannte dem Mieter aufgrund des Gutachtens eine Mietminderung von 10 Prozent wegen unzumutbarer Geruchsbelästigung zu.
Darüber hinaus hat es den Vermieter zur Erstattung der in Höhe von 330 Euro angefallenen Kosten für das Sachverständigengutachten verurteilt. Der Mieter durfte durch die Einholung des Sachverständigengutachtens annehmen, dass dies zur Durchsetzung seines Mangelbeseitigungsanspruchs beitragen werde, da der Vermieter eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung in Abrede stellte und auch nach einem Ortstermin nicht tätig geworden war, um den Mangel zu beseitigen. Außerdem ergab das Gutachten nicht lediglich ein Ergebnis in Bezug auf die Beeinträchtigung durch den Geruch beziehungsweise Gestank. Es schloss auch eine Geruchsquelle, nämlich leichtflüchtige organische Kohlenwasserstoffe, wie sie in Lösungsmitteln, Lacken, Farben, Klebern und so weiter ausgasen können, aus.
Urteilstext
Gründe:
Die Berufung rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Miete war im fraglichen Zeitraum gemäß § 536 Abs. 1 BGB in dem vom Amtsgericht erkannten Umfang gemindert. Der Gestank von sich zersetzenden menschlichen Exkrementen bzw. sich zersetzendem organischen Müll in dem von den Beklagten geschilderten Umfang mit der Folge, dass ein Betreten des Treppenhauses nur noch mit Geruchsschutz als erträglich empfunden wird und ein Hineinsickern des Gestanks in die eigene Wohnung nicht zu verhindern ist, rechtfertigt die hier vorgenommene Minderung. Gerade diese Gerüche, auch wenn sie jedenfalls teilweise offenbar denen von Chemikalien gleichkamen, werden Allgemein als ganz besonders unangenehm und ekelhaft empfunden. Bei einem Aufenthalt in davon betroffenen Räumlichkeiten ist das Wohlbefinden für Menschen mit Geruchssinn ganz erheblich beeinträchtigt. Solcherart Gerüche sind auch nicht zu vergleichen mit gelegentlich oder regelmäßig durch Kochen, Wäschewaschen usw. auftretenden Gerüchen, die als mit dem Wohnen unvermeidlich zusammenhängend und soweit sie im üblichen Rahmen liegen, hinzunehmen sind und keine Minderung der Miete bewirken.
Auch wenn der Mieter ab Januar 2010 im Krankenhaus war, mussten die in der Wohnung gelagerten verunreinigten Gegenstände, die weiterhin ihren Gestank ausdünsteten, entweder entfernt oder gründlich gereinigt werden, was dann erst nach dem 15. März 2010 erfolgt war. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass gerade intensive und lang andauernde Gerüche auch in die nicht direkt betroffenen Textilien, Wand- und Bodenbeläge, Möbel usw. eindringen und es längere Zeit benötigt, bis solcherart intensive Gerüche verfliegen, soweit dies überhaupt möglich ist. Denn nur deshalb konnte der von den Beklagten beauftragte Sachverständige im März 2010, als der Nachbar bereits etwa 2 Monate nicht mehr in der Wohnung weilte, überhaupt noch einen solchen Geruch identifizieren. Dafür, dass der vor Ort anwesende Sachverständige hier nur Formulierungen der Beklagten wiederholt hätte, findet sich in dem Gutachten nichts. Es mag zutreffen, dass der Beklagte bereits im Schreiben vom 11.03.2010 das Ergebnis der Begutachtung mitteilte, allerdings dürfte der Beklagte an dem Ortstermin auch selbst teilgenommen haben, so dass er die Feststellungen des Sachverständigen auch selbst wahrnehmen konnte bevor sie in das schriftliche Gutachten Eingang fanden. Aus der Tatsache, dass dieser Geruch am 11. März 2010 noch in dieser Weise identifizierbar war, ergibt sich aber, dass er zuvor – wie die Beklagten vorgetragen haben – noch erheblich stärker, unangenehmer und beeinträchtigender gewesen sein muss. Der von den Beklagten beauftragte Gutachter hat den charakteristischen Geruch nicht nur bei Öffnen der Briefklappe wahrgenommen. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der Geruch sich an der geöffneten Klappe um ein Vielfaches verstärkte, der Geruch aber auch noch vor der Tür der Wohnung der Beklagten eine Etage darüber wahrgenommen werden konnte.
Im übrigen haben die Beklagten dem Umstand, dass keine weiteren Quellen von Gestank geschaffen wurden, die Wohnungstür auch nicht mehr regelmäßig und teilweise länger geöffnet war insoweit Rechnung getragen, als die Minderung ab Januar 2010 sodann nur noch in Höhe von 10 % vorgenommen worden ist, was auch das Berufungsgericht nach eigener Prüfung hier für angemessen hält.
Angesichts dessen, dass den Beklagten bei dem Ortstermin am 30.12.2009 noch angeboten worden war, ihre Wohnungstür eventuell abzudichten, kann auch keine Rede davon sein, dass hier eine die Wohnung selbst und ihren Gebrauch nicht beeinträchtigende Belästigung durch den Gestank vorgelegen habe.
Zutreffend hat das Amtsgericht auch die Minderung der Miete noch für den Monat April 2010 in Höhe von 5 % bejaht. Der Vortrag der Beklagten ist dazu substantiiert gewesen. Die Beklagten hatten das der Klägerin gegenüber nochmals ausdrücklich in ihrem Schreiben vom 30.04.2010 gerügt. Auf dieses Schreiben hatten sie in ihrer Klageerwiderung Bezug genommen. Angesichts der Kürze des Schreibens war eine wörtliche Wiedergabe in der Klageerwiderung nicht erforderlich. Gegen die Klägerin spricht auch, dass es nochmals zu einer weiteren Reinigungsaktion im Mai 2010 gekommen war.
Zutreffend hat das Amtsgericht auch der Widerklage zur Erstattung der in Höhe von 330,00 Euro angefallenen Kosten für das Sachverständigengutachten stattgegeben. Die Klägerin befand sich in Verzug mit der Mängelbeseitigung. Die Beklagten durften durch die Einholung des Sachverständigengutachtens annehmen, dass dies zur Durchsetzung ihres Mangelbeseitigungsanspruchs beitragen werde, da die Klägerin eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung in Abrede stellte und auch nach dem Ablauf des Jahres 2009 und dem Ortstermin am 30.12.2009 nicht tätig geworden war, um den Mangel zu beseitigen. Angesichts dessen, dass es nicht darum ging, den Zustand selbst zu beweisen, sondern darum, ob die Intensität hinzunehmen sei, durften die Beklagten durchaus davon ausgehen, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen die Wahrnehmung zum einen „verobjektivieren“ würde und zum anderen durch die Sachkenntnis auch eine bessere Bewertung dessen möglich sein würde, ob dieses hinzunehmen oder hier ein Mangelbeseitigungsanspruch besteht. Außerdem ergab das Gutachten nicht lediglich ein Ergebnis in Bezug auf die Beeinträchtigung durch den Geruch bzw. Gestank. Es schloss auch eine Geruchsquelle, nämlich leichtflüchtige organische Kohlenwasserstoffe, wie sie in Lösungsmitteln, Lacken, Farben, Klebern usw. ausgasen können, aus. Zudem hat sich die Erwartung der Beklagten, das Gutachten würde die Klägerin zum Tätigwerden veranlassen, schließlich auch erfüllt. Denn die Klägerin ist dann zur Mangelbeseitigung auch tätig geworden, denn sie sorgte für die Grundreinigen der Wohnung nach dem 15.03.2010, wobei nicht unerheblich die Feststellungen in dem Gutachten in Bezug auf eventuelle Gesundheitsgefahren durch mögliche infektiöse, bakterielle und mikrobielle Belastungen in der Wohnung gewesen sein dürften. …
31.01.2013