Leitsatz:
Eine Verpfändungserklärung, die die Auszahlung auch ohne Nachweis der Fälligkeit erlaubt, ist wirksam.
AG Mitte vom 4.5.2011 – 9 C 89/11 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter verlangte von der Bank (!) die zukünftige Unterlassung der Auszahlung des als Mietkaution verpfändeten Sparguthabens an den Vermieter. In der Verpfändungserklärung hieß es: „Die Pfandgläubiger können ohne Nachweis der Fälligkeit der Ansprüche aus dem Mietverhältnis unter Vorlage der über die Spareinlage ausgestellten Urkunde Auszahlung des verpfändeten Guthabens von der Bank nach Maßgabe der für das Sparkonto geltenden Bedingungen verlangen.“ Das Gericht wies die Klage des Mieters ab. Die entsprechenden Vorschriften der §§ 1228, 1282 BGB, die eine Fälligkeit voraussetzten, seien abdingbar. Die Verpfändungserklärung sei wirksam.
Das AG Mitte verwies zur Begründung unter anderem auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe (vom 13.10.2009 – 19 U 88/09 -), dessen Leitsätze lauten: „Hat der Mieter als Kaution sein Sparguthaben an den Vermieter mit der Maßgabe verpfändet, dass dieser ohne besonderen Nachweis der Fälligkeit der gesicherten Ansprüche berechtigt ist, unter Vorlage der Sparurkunde jederzeit Auszahlung von der Bank zu verlangen, dann kann die Bank die Auszahlung grundsätzlich nicht mit der Begründung verweigern, die gesicherte Forderung sei zwischen den Mietvertragsparteien streitig. Die Bank darf die Auszahlung an den Vermieter verweigern, wenn auf Grund des unstreitigen Parteivorbringens oder liquider Beweismittel feststeht, dass der Vermieter im Verhältnis zum Mieter zur Einziehung nicht berechtigt ist. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn der Mieter die gesicherte Forderung, über die der Vermieter eine Abrechnung erteilt hat, bestreitet.“
Richtigerweise ist in solchen Fällen der Vermieter in Anspruch zu nehmen. Hat der Mieter die Forderung aus einem Sparkonto dem Vermieter als Sicherheit verpfändet, kann er bei Streit über Ansprüche des Vermieters den Zugriff auf das Konto durch einstweilige Verfügung gegen den Vermieter verhindern. Die Vereinbarung des Mieters mit der Bank, gegen Vorlage des Sparbuchs sei die Auszahlung jederzeit möglich, ändert daran nichts (LG Berlin vom 5.9.2002 – 65 T 64/02 -). Nach Beendigung des Mietverhältnisses kann der Mieter allerdings nicht durch einstweilige Verfügung die Auszahlung an den Vermieter verhindern, sondern muss im Hauptverfahren, in dem die Gegenforderungen geprüft werden können, auf Rückzahlung klagen (LG Berlin vom 15.1.2007 – 62 T 5/07 -).
Urteilstext
Aus den Gründen:
Die Klage war abzuweisen, weil sie sich als unbegründet erweist.
1. Dem Kläger steht gegen die Bekl. ein Anspruch darauf, es (dauerhaft) zu unterlassen, Geld aus seiner Spareinlage bei ihr an die Hausverwaltung seiner ehemaligen Vermieter auszuzahlen, nämlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
a) Dies folgt insbesondere nicht aus § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 1282 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die Bekl. der Hausverwaltung der ehemaligen Vermieter des Kl. den erforderten Geldbetrag gemäß §§ 700 Abs. 1, 488 Abs. 1 Satz 1, 1273, 1204 Abs. 2, 1284 BGB in Verbindung mit der „Verpfändungserklärung“ vom 30. Oktober 202 (sowie in Verbindung mit § 164 Abs. 1 BGB) auszahlen muss (vgl. OLG Karlsruhe, Ziffer II, zitiert nach BeckRS 2010, 48517).
(1) Zwar darf der Pfandgläubiger einer Forderung nach §§ 1282 Abs. 1 Satz 1 und 2, 1228 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit §§ 1273, 1204 Abs. 2 BGB erst nach Fälligkeit der zukünftigen Forderung, wegen der die andere Forderung verpfändet wurde, die verpfändete Forderung von dem Schuldner der verpfändeten Forderung einziehen und auch nur insoweit, wie dies zur Befriedigung des Pfandgläubigers erforderlich ist.
(2) Indes hat der Kl. als Forderungsverpfänder seiner Auszahlungsforderung gegen die Bekl. aus seiner Spareinlage bei ihr mit seinen ehemaligen Vermietern im Sinne des § 1284 BGB eine von §§ 1282 Abs. 1 Satz 1und 2, 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB abweichende Vereinbarung mit der „Verpfändungserklärung“ geschlossen – wozu es hier nämlich für die Fälligkeit des Einziehungsrechtes der ehemaligen Vermieter des Kl. bzw. deren Hausverwaltung als Pfandgläubigers genügt, dass „(sie) ohne Nachweis der Fälligkeit der Ansprüche aus dem Mietverhältnis unter Vorlage der über die Spareinlage ausgestellten Urkunde Auszahlung des verpfändeten Guthabens von der Bank nach Maßgabe der für das Sparkonto geltenden Bedingungen verlangen (können)“(vgl. auch OLG Karlsruhe, a.a.O., Ziffer II.3). Diese Voraussetzungen sind hier durch das Schreiben der Hausverwaltung der ehemaligen Vermieter an die Bekl. vom 26. Januar 2011 auch erfüllt (§§ 495, 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
(3) Des Weiteren ist die Bekl. ihrer Verpflichtung aus der „Verpfändungserklärung“ gegenüber dem Kl. nachgekommen, ihm diese Erforderung mit Schreiben vom 31. Januar 2011 anzuzeigen und die angekündigte Auszahlung nicht vor Ablauf von vier Wochen vorzunehmen.
(4) Entgegen der Auffassung des Kl. ist es nach dem eindeutigen Wortlaut der „Verpfändungserklärung“ nicht erforderlich, dass seine ehemaligen Vermieter bzw. deren Hausverwaltung entweder ihm oder aber der Bekl. eine Aufstellung über (angebliche) Gegenansprüche in Höhe des erforderten Geldbetrags vorlegen.
Zwar ist das Oberlandesgericht Karlsruhe sowohl in seinem Beschluss vom 18. August 2008, 8 W 34/08, dieser Auffassung (NZM 2009, 817) als auch in seinem Urteil vom 13. Oktober 2009 (= a.a.O., Ziffer II. 5 d). Ein solcher Nachweis ist nach dem klaren Wortlaut der hiesigen (wie auch dortigen) „Verpfändungserklärung“ aber nicht erforderlich – und würde auch nur die damit offensichtlich bezweckte, stark beschleunigte Befriedungsmöglichkeit des Vermieters im Vergleich zu der gesetzlichen Lage aus §§ 1282 Abs.1 Satz 1, 1228 Abs., 2 Satz 1 BGB wieder einschränken. Im Übrigen könnte der Mieter bzw. das seine Spareinlage verwahrende Kreditinstitut dem Vermieter insbesondere entgegenhalten, dass eine solche Aufstellung nicht prüffähig und deswegen die Spareinlage (in Höhe des erforderten Betrages) nicht auszahlungsfähig ist.
(5) Wegen der im konkreten Fall zwischen dem Kl. als ehemaligen Mieter und seinen ehemaligen Vermietern vereinbarten „Verpfändungserklärung“ als gesetzlich zugelassene Abweichung von §§ 1282 Abs. 1 Satz 1, 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB (§ 1284 BGB) braucht hier auch nicht entschieden zu werden, ob der Rechtsauffassung der Vorzug zu geben ist, dass – ohne eine solche „Verpfändungserklärung“ – aus dem Wesen der Mietsicherheit folgt, dass sich der Vermieter aus ihr nach Beendigung des Mietverhältnisses bei streitigen Ansprüche gegen den Mieter sofort befriedigen darf (so z.B. OLG Karlsruhe, jew. a.a.O.; LG Berlin GE 2007, 449) oder aber erst nach entsprechender rechtskräftiger Feststellung dieser Ansprüche (so z.B. LG Halle NZM 2008, 685; AG Bremen WuM 2007, 399).
(6) Dies alles hat der hiesige Vorsitzende auch in seinem Urteil in dem einstweiligen Verfügungsverfahren (ebenfalls) vom 4. Mai 2011 bereits dargelegt.
(7) Aber selbst nach seiner Rechtsauffassung könnte der Kl. von der Bekl. auch nicht dauerhaft verlangen, die Auszahlung des in Rede stehenden Betrags zu unterlassen: denn es ist nicht ausgeschlossen, dass seine ehemaligen Vermieter entsprechende Ansprüche gegen ihn haben aus dem beendeten Mietverhältnis (§ 551 Abs. 1 BGB), und dies – gegebenenfalls – zukünftig auch rechtskräftig festgestellt wird bzw. der Kl. diese Ansprüche unstreitig stellt. Für diesen Fall würde sein zeitlich unbegrenzter bzw. unbedingter Klageantrag aber zu weit gehen. …
10.05.2017