Leitsatz:
Die unentgeltliche Hausreinigung durch Verwandte ist keine Eigenleistung des Vermieters.
LG Berlin vom 6.12.2011 – 63 S 122/11 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Vermieterin hatte in die Betriebskostenabrechnung unter anderem Kosten für die Hausreinigung und die Schneebeseitigung eingestellt. Diese Arbeiten hatte sie jedoch nicht selbst durchgeführt, sie waren von ihrem Ehemann erledigt worden. Eine Bezahlung für diese Arbeiten hat es nicht gegeben. Die Mieter verweigerten die Übernahme der Kosten.
Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Vermieterin diese Kosten nicht wie eine Eigenleistung als Betriebskosten abrechnen darf.
Denn nach § 1 Betriebskostenverordnung, auf den in § 556 BGB Bezug genommen wird, seien umlagefähige Betriebskosten Aufwendungen, die dem Vermieter tatsächlich entstanden sind. Für den Fall, dass der Vermieter diese in Eigenleistung erbringe, könne ein fiktiver Aufwendungsersatz für eine gleichwertige Leistung eines Dritten angesetzt werden. Das gelte aber nach dem Wortlaut nicht, wenn ein Dritter die Leistungen unentgeltlich erbringe. Da es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz handele, kommt eine analoge Ausdehnung des Regelungsinhalts nicht in Betracht. Anhaltspunkte ergäben sich auch nicht aus der Begründung der Verordnung. Dort sei allein bei Sach- und Arbeitsleistungen des Eigentümers oder des Erbbauberechtigten ein fiktiver Kostenansatz vorgesehen.
Urteilstext
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt Nachzahlung aus Betriebskostenabrechnungen in Höhe von insgesamt 1.169,50 Euro, und zwar:
für 2007 in Höhe von 423,23 Euro
für 2008 in Höhe von 363,60 Euro und
für 2009 in Höhe von 382,67 Euro.
Die Beklagten wenden sich gegen die angesetzten Kosten für Schneebeseitigung, Hausreinigung, Kabelanschluss und Dachrinnenreinigung und sonstige Betriebskosten.
Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 176,62 Euro verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Für 2007 bestehe ein Anspruch für den Aufwand für die Schneebeseitigung durch den Ehemann der Kläger, der im Einzelnen dargetan sei und von den Beklagten nicht nur pauschal bestritten werden könne. Die sonstigen Betriebskosten seien durch Rechnungen belegt. Ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sei nicht dargetan. Der Aufwand für die Hausreinigung sei dagegen nicht dargetan, die Umlage der Kosten für den Kabelanschluss nach der Anzahl der angeschlossenen Wohnungen widerspreche der vertraglich vereinbarten Umlage nach dem Flächenanteil.
Für 2008 bestehe kein Anspruch, weil die Klägerin mit Schreiben vom 10. Mai 2009 eine Einsicht in die Unterlagen verwehrt habe.
Für 2009 bestehe danach ein Anspruch für die Kosten für Schneebeseitigung und die sonstigen Betriebskosten. Im Übrigen bestehe kein Anspruch für die Kabelkosten und die Kosten für Hausreinigung. Die Kosten für die Dachrinnenreinigung seien als sonstige Betriebskosten nur umlagefähig, wenn dies vereinbart sei. Das sei hier nicht der Fall.
Die Klägerin verlangt mit der Berufung die restliche Zahlung. Die Beklagte beanstandet mit der Anschlussberufung einen Rechenfehler des Amtsgerichts, greift aber die zugesprochenen Beträge nicht dem Grunde nach an.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 992,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 287,13 Euro seit dem 4. April 2008, aus 363,30 Euro seit dem 6. April 2009 und aus 342,15 Euro seit dem 8. April 2010 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
sowie im Wege der Anschlussberufung, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 107,36 Euro nebst Zinsen in Höhen von 4 % aus 127,10 Euro für die Zeit vom 4. April 2008 bis zum 7. April 2010 und aus 107,36 Euro seit dem 8. April 2010 zu zahlen, und im Übrigen die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt ferner, die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten rügen insoweit einen Rechenfehler im angefochtenen Urteil.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur teilweise begründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß § 535 Abs. 2 BGB aus den Betriebskostenabrechnungen für 2007, 2008 und 2009 eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 493,85 Euro verlangen.
Das Amtsgericht hat von der Klägerin geltend gemachte Positionen teilweise zu Unrecht nicht berücksichtigt.
1. Kabelkosten
Der Einwand der Beklagten in Bezug auf den Umlagemaßstab ist zutreffend. Im Mietvertrag ist in § 4 Nr. 4 die flächenanteilige Umlage vereinbart. Das führt indes, wie das Amtsgericht meint, nicht zum Wegfall des Nachzahlungsanspruchs insgesamt. Denn es handelt sich um einen inhaltlichen Fehler, der korrigiert werden kann. Der Flächenanteil der Wohnung der Beklagten ist in den Abrechnungen ausgewiesen und beträgt 38,84 % (87 qm von 224 qm).
Der Umstand, dass die Parteien im Vergleich vom 3. November 2005 eine Absicht zu einer Änderung der Vereinbarungen in Bezug auf den Kabelanschluss erklärt haben, ist nicht erheblich. Denn eine solche beabsichtigte Vereinbarung ist unstreitig nicht zustande gekommen. Auf die Gründe hierfür kommt es nicht an. Die Wohnung der Beklagten ist unstreitig an das Kabelnetz angeschlossen.
Der für 2007 und 2008 auf die Beklagten entfallende Anteil beträgt danach jeweils 114,06 Euro (38,84 % von 293,67 Euro), sodass die in diesen Abrechnungen angesetzten Kosten von jeweils 146,84 Euro jeweils um 32,78 Euro zu vermindern waren.
Der für 2009 auf die Beklagten entfallende Anteil beträgt danach 113,48 Euro (38,84 % von 292,17 Euro), sodass die in der Anrechnung angesetzten Kosten von 146,09 Euro um 32,61 Euro zu vermindern waren.
2. Hausreinigung
Die Einwände der Beklagten gegen die Nachvollziehbarkeit der Hausreinigungskosten können dahinstehen, denn diese sind im vorliegenden Fall deshalb nicht umlegbar, weil sie der Klägerin nicht entstanden sind. Eine Zahlung ist nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht erfolgt. Die Arbeiten sind vielmehr von ihrem Ehemann ausgeführt worden, für die sie lediglich eine fiktive Aufwandsentschädigung verlangt. Tatsächliche Zahlungen sind an den Ehemann, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nicht geleistet worden und werden von diesem auch nicht verlangt. Nach § 1 BetrkV, auf den in § 556 BGB Bezug genommen wird, sind umlagefähige Betriebskosten Aufwendungen, die dem Vermieter tatsächlich entstanden sind. Für den Fall, dass der Vermieter diese in Eigenleistung erbringt, kann ein fiktiver Aufwendungsersatz für eine gleichwertige Leistung eines Dritten angesetzt werden. Das gilt aber nach dem Wortlaut nicht, wenn ein Dritter die Leistungen unentgeltlich erbringt. Dass es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz handelt, kommt eine analoge Ausdehnung des Regelungsinhalts nicht in Betracht. Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der Begründung der Verordnung (BR-Drs 568/03, S. 28). Dort ist allein bei Sach- und Arbeitsleistungen des Eigentümers oder des Erbbauberechtigten ein fiktiver Kostenansatz vorgesehen. Die Kammer teilt nicht die Auffassung von Schmid (MüKo-Schmid, 5. Aufl., § 1 BetrKV, Rn 14), wonach alle unentgeltliche Leistungen von Dritten einer Eigenleistung des Vermieters gleichzusetzen sind. Zum einem gibt es hierfür nach der Verordnungsbegründung keine Grundlage. Zum anderen sind die Regelungen im II. WoBauG zum Eigenkapitalersatz, auf welche er sich zur Begründung seiner Ansicht beruft, von der Zielsetzung nicht vergleichbar. Die Frage, ob ein Bauherr, der öffentliche Fördergelder in Anspruch nimmt, seinerseits eine ausreichende finanzielle Grundlage zur Durchführung des Bauvorhabens hat, betrifft ganz andere Rechtsgüter, nämlich die Sicherung des Zwecks öffentlicher Fördergelder, als die Umlage dem Vermieter vom Mieter treuhänderisch überlassenen Vorschüsse anhand der tatsächlich angefallenen Betriebskosten, bei der auch etwa erhaltene Preisnachlässe o.Ä. grundsätzlich an den Mieter weiterzugeben sind. Hinzu kommt, dass die Regelung in § 36 Abs. 2 c) II. WoBauG auch bereits bei Erlass der gleich lautenden Vorgängerregelung in § 27 Abs. 2 II.BV schon bestanden hat und es deshalb nahe gelegen hätte, entweder diese Regelung zu übernehmen oder hierauf zumindest in der Begründung Bezug zu nehmen, wenn der Verordnungsgeber eine derartige Regelung gewollt hätte.
Danach ergibt sich für 2007 ein Abzug von 149,29 Euro, für 2008 von 170,41 Euro und für 2009 von 162,40 Euro.
3. Schneereinigung
Die obigen Ausführungen geltend entsprechend, soweit die Klägerin für 2008 Aufwendungen für die Schneereinigung geltend macht. Durch die für 2007 und 2009 vom Amtsgericht zugesprochenen Aufwendungen ist die Klägerin nicht beschwert. Mit der Anschlussberufung der Beklagten werden hiergegen keine Einwände vorgebracht.
Daraus ergibt sich für 2008 ein Abzug von 1,46 Euro.
4. Dachrinnenreinigung
Insoweit verweise ich auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts. Die Aufwendungen stellen keine Kosten der Entwässerung dar, sondern sind sonstige Betriebskosten, deren Umlage einer konkreten Vereinbarung bedarf (BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 – VIII ZR 167/03, GE 2004, 613), die hier nicht vorliegt.
Daraus ergibt sich für 2009 ein Abzug von 93,92 Euro.
Der begründete Anspruch der Klägerin berechnet sich danach wie folgt:
2007
angesetzte Kosten
1.650,35 Euro
Abzüge (s.o.) ·/·
182,07 Euro
begründete Kosten
1.468,28 Euro
Vorauszahlungen ·/·
1.227,12 Euro
241,16 Euro
2008
angesetzte Kosten
1.590,72 Euro
Abzüge (s.o.) ·/·
204,65 Euro
begründete Kosten
1.386,07 Euro
Vorauszahlungen ·/·
1.227,12 Euro
158,95 Euro
2009
angesetzte Kosten
1.688,18 Euro
Abzüge (s.o.) ·/·
288,93 Euro
begründete Kosten
1.399,25 Euro
Vorauszahlungen ·/·
1.305,51 Euro
93,74 Euro
493,85 Euro
In dieser Höhe ist die Klageforderung begründet.
Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist nicht begründet. Es kann dahinstehen, ob der mit der Anschlussberufung gerügte Rechenfehler eine Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO darstellt oder auf einem Denkfehler des Amtsgerichts beruht und deshalb nicht offenkundig ist. Denn angesichts des nach den obigen Ausführungen begründeten höheren Nachzahlungsanspruchs kommt es hierauf nicht an. Die mit der Anschlussberufung vorgebrachten Einwände sind dabei berücksichtigt. Einen Erfolg in der Sache hat sie danach jedenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob für unentgeltliche Arbeitsleistungen von Dritten im Rahmen einer Betriebskostenumlage fiktive Kosten in Höhe der üblichen Aufwendungen angesetzt werden dürfen, stellt sich nicht nur in Einzelfällen und ist bislang obergerichtlich noch nicht entschieden.
04.01.2018