Leitsatz:
Der Mieter kann nach Abmahnung aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, wenn er die Wohnung derart vermüllt, dass die hieraus resultierenden Geruchsbelästigungen für die übrigen Bewohner des Hauses unzumutbar werden und er die mehrfach angebotene Hilfe uneinsichtig abgelehnt hat.
AG Hamburg-Harburg vom 18.3.2011 – 641 C 363/10 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter hatte nach Auffassung des Amtsgerichts die Rechte des Vermieters nach § 543 Absatz 2 Nr. 2 BGB erheblich verletzt, weil er die Wohnung in erheblichem Umfang verwahrlosen ließ. Ein Zeuge, der im Oktober 2010 zweimal in der Wohnung des Mieters gewesen ist, habe bestätigt, dass die Wohnung nur über Kriechgänge zugänglich gewesen sei, im Übrigen mit Unrat, Kartons mit abgelaufenen Lebensmitteln, aber auch offen herumstehenden, verschimmelten Lebensmitteln vollständig zugestellt gewesen sei. Der Zeuge habe weiter bestätigt, dass die Küche eigentlich gar nicht zugänglich gewesen sei, der Kühlschrank offen stand und nicht angeschaltet gewesen sei, und die Toilette – jedenfalls beim ersten Besichtigungstermin – nicht funktionsfähig gewesen sei. Der Zeuge berichtete zudem, dass es in der gesamten Wohnung bestialisch gestunken habe. Ein weiterer Zeuge habe diese Wahrnehmungen jedenfalls mit Blick auf das Badezimmer für den 10.11.2010 bestätigt. Auch dieser Zeuge habe glaubhaft geschildert, dass das Bad mit allerlei Müll zugestellt und sehr verdreckt gewesen sei. So sei die Duschwanne mit leeren Flaschen gefüllt und die Toilette mehr schwarz als weiß gewesen. Zudem standen mit gelber Flüssigkeit gefüllte Flaschen neben dem Klo.
Auch habe der Zeuge zudem bekundet, dass es in der Wohnung stark gestunken habe und er deshalb sofort nach Eintreten ein Fenster geöffnet habe, um es aushalten zu können. Nach Überzeugung des Gerichts sei es bei dem Zustand der Wohnung des Mieters nur eine Frage der Zeit, wann sich Ungeziefer in der Wohnung ausbreite, welches zudem womöglich auch andere Wohnungen des Hauses befalle.
Der Mieter habe durch sein Verhalten auch den Hausfrieden erheblich und nachhaltig gestört, § 569 Absatz 2 BGB. Durch die Verwahrlosung der Wohnung und der sich daraus ergebenden Gefahr eines Ungezieferbefalls sowie dem daraus resultierenden Gestank seien weitere Nutzer des Hauses in der Nutzung ihrer Wohnungen in nicht auf Dauer zumutbarer Weise gestört worden.
Urteilstext
Sachverhalt:
Der Kläger als Vermieter begehrt vom Beklagten die Räumung von Wohnraum.
Mit Schreiben vom 20.7.2010 zeigte das Amt für Wohnungspflege beim Bezirksamt dem Kläger als Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung eine „Vermüllung“ der Wohnung an. Das Amt berief sich insoweit auf Beschwerden eines weiteren Hausbewohners über erhebliche Geruchsbelästigungen, welche etwa die Balkonnutzung stark einschränkten. Das Amt für Wohnungspflege überprüfte die Beschwerde im Rahmen eines Ortstermins am 16.7.2010 und forderte den Kläger im Anschluss mit Schreiben vom 20.7.2010 zur Beseitigung dieser Störung auf.
Mit Schreiben vom 26.7.2010 forderte der Kläger den Beklagten durch anwaltliches Schreiben unter Fristsetzung bis zum 6.8.2010 auf, seine Wohnung von Müll und Unrat zu reinigen und das Entweichen von Gestank aus der Wohnung zu unterbinden. Zudem wurde eine Abmahnung ausgesprochen und für den Fall der Nichterfüllung der Müllbeseitigung die fristlose Kündigung angedroht.
Der vom sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamts für den Beklagten eingeschaltete Pflegedienst M. verweigerte nach einem Ortstermin in der Wohnung des Beklagten am 31.8.2010 die Übernahme der Pflege unter Hinweis auf den vermüllten Zustand der Wohnung, auch vergammelte Essensreste.
Mit Schreiben vom 3.9.2010 erklärte der Kläger die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Mietvertrags und verwies zur Begründung auf die – nach Angaben des Mitarbeiters des Pflegedienstes M. – weiter bestehende erhebliche Vermüllung. Bereits im Jahr 2009 war der Versuch der Einrichtung einer Betreuung für den Beklagten gescheitert, weil sich der Beklagte zwar in Gesprächen einsichtig zeigte, sich im Anschluss aber nicht den Abreden entsprechend verhielt.
Eine vom sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamts in Auftrag gegebene Entmüllung der Wohnung durch den Containerdienst S. konnte nur teilweise erfolgen, weil der Beklagte nur eine teilweise Räumung und Reinigung zuließ.
Nachdem der Beklagte den mit der Beseitigung einer zuvor festgestellten Toilettenverstopfung beauftragten Klempner, Herrn H., am 27.11. und 28.11.2010 nicht in die Wohnung gelassen und für den 29.10. und 2.11.2010 vereinbarte Termine wieder abgesagt hatte, erwirkte der Kläger am 2.11.2010 eine einstweilige Verfügung auf Zutrittgewährung zur streitgegenständlichen Wohnung (AG Hamburg-Harburg – 646 C 492/10 -). Mit Hilfe der einstweiligen Verfügung verschaffte das Amt für Verbraucherschutz dem Klempner H. am 10.11.2010 Zutritt zur Wohnung des Beklagten.
Aus den Gründen:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der vom Beklagten gemieteten Wohnung, § 546 Abs. 1 BGB. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist beendet. Der Kläger hat den Wohnungsmietvertrag mit dem Beklagten mit Schreiben vom 3.9.2010 wirksam fristlos gekündigt, § 543 Abs. 1 BGB. Der Beklagte hat seine mietvertraglichen Pflichten, namentlich die Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit der Mietsache aus § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB und seine Pflicht aus § 569 Abs. 2 BGB, den Hausfrieden nicht zu stören, nachhaltig in erheblicher Weise verletzt und auch auf eine qualifizierte Abmahnung hin sein Verhalten nicht geändert, sodass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Kläger auch bei Berücksichtigung der Interessen des Beklagten am Erhalt seiner Wohnung nicht mehr zumutbar gewesen ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts als Ergebnis der Beweisaufnahme.
Der Beklagte hat die Rechte des Vermieters nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB erheblich verletzt, weil er die Wohnung in erheblichem Umfang verwahrlosen ließ. Der Zeuge S., der im Oktober 2010 zweimal in der Wohnung des Beklagten gewesen ist, hat bestätigt, dass die Wohnung nur über Kriechgänge zugänglich gewesen ist, im Übrigen mit Unrat, Kartons mit abgelaufenen Lebensmitteln, aber auch offen herumstehenden, verschimmelten Lebensmitteln vollständig zugestellt gewesen ist. Der Zeuge hat weiter bestätigt, dass die Küche eigentlich gar nicht zugänglich gewesen ist, der Kühlschrank offenstand und nicht angeschaltet gewesen ist, und die Toilette – jedenfalls beim ersten Besichtigungstermin – nicht funktionsfähig gewesen ist. Der Zeuge berichtete zudem, dass es in der gesamten Wohnung bestialisch gestunken hat. Der Zeuge H. hat diese Wahrnehmungen jedenfalls mit Blick auf das Badezimmer für den 10.11.2010 bestätigt. Auch der Zeuge H. hat glaubhaft geschildert, dass das Bad mit allerlei Müll zugestellt und sehr verdreckt gewesen ist. So ist die Duschwanne mit leeren Flaschen gefüllt und die Toilette mehr schwarz als weiß gewesen. Zudem standen mit gelber Flüssigkeit gefüllte Flaschen neben dem Klo. Auch der Zeuge H. hat zudem bekundet, dass es in der Wohnung stark gestunken hat und er deshalb sofort nach Eintreten ein Fenster geöffnet hat, um es aushalten zu können. Nach Überzeugung des Gerichts ist es bei dem Zustand der Wohnung des Beklagten nur eine Frage der Zeit, wann sich Ungeziefer in der Wohnung ausbreitet, welches zudem womöglich auch andere Wohnungen des Hauses befällt. …
Der Beklagte hat durch sein Verhalten auch den Hausfrieden erheblich und nachhaltig gestört, § 569 Abs. 2 BGB. Durch die Verwahrlosung der Wohnung und der sich daraus ergebenden Gefahr eines Ungezieferbefalls, sowie dem daraus resultierenden Gestank, sind weitere Nutzer des Hauses in der Nutzung ihrer Wohnungen in nicht auf Dauer zumutbarer Weise gestört worden.
Der Kläger hat die zur Kündigung führenden Vertragsverletzungen des Beklagten gemäß § 543 Abs. 3 BGB schriftlich und zudem qualifiziert, unter Androhung der fristlosen Kündigung für den Fall der Fortdauer, mit Schreiben vom 26.7.2010 abgemahnt.
Aufgrund der Gefährdung der Mietsache und der Störungen des Hausfriedens durch den Beklagten ist es dem Kläger auch bei Berücksichtigung seiner Fürsorgepflicht der weiteren Bewohner des Hauses nicht zumutbar gewesen, das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung mit dem Beklagten fortzusetzen. Die Gefährdung der Mietsache durch Verwahrlosung und die Störungen des Hausfriedens durch den infolge der Vermüllung entstehenden Gestank sind auch für die Zukunft nicht hinreichend auszuschließen. So hat der Beklagte weder die qualifizierte Abmahnung vom 26.7.2010 noch die fristlose Kündigung vom 3.9.2010 zum Anlass genommen, sein vertragswidriges Verhalten zu ändern. Der Beklagte ist mit Blick auf sein vertragswidriges Nutzerverhalten auch nicht oder nur in zu geringem Maße einsichtig und nur sehr eingeschränkt zu einer Zusammenarbeit mit dem Kläger oder auch Ämtern bereit. Dies zeigt etwa die Weigerung des Beklagten, seine Wohnung im erforderlichen Umfang entmüllen und reinigen zu lassen. So war der Beklagte etwa nicht bereit, die dringend erforderliche Entsorgung des Teppichbelags in der Wohnung zu dulden. Die mangelnde Einsicht des Beklagten zeigt sich auch in dem Umstand, dass der Beklagte erst nach Erlass einer einstweiligen Verfügung bereit war, dem mit einer Toilettenverstopfung beauftragten Klempner H. Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren. Schließlich indiziert auch die gescheiterte Einrichtung einer Betreuung für den Beklagten im Jahre 2009, dass der Beklagte nicht oder nur sehr eingeschränkt bereit ist, Hilfestellung von Dritten zu akzeptieren und mit diesen zusammenzuarbeiten. Es ist vor diesem Hintergrund nicht hinreichend absehbar, ob und inwieweit sich das Verhalten des Beklagten in Zukunft tatsächlich nachhaltig so ändert, dass er eine erneute Verwahrlosung der Wohnung unterlässt, mit oder auch ohne Hilfe Dritter. Dies gilt auch mit Blick auf die nunmehr beauftragte Haushaltshilfe. Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang sich der Zustand der Wohnung aktuell gebessert hat. Aufgrund des dargelegten Verhaltens des Beklagten in der Vergangenheit kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Beklagte diese Hilfestellung dauerhaft zulässt.
In Anbetracht des festgestellten erheblich verwahrlosten Zustandes der Wohnung im Zeitraum Juli bis November 2010 ist es dem Kläger schließlich nicht zuzumuten gewesen, die weitere Entwicklung abzuwarten.
30.01.2013