Leitsatz:
Eine Quoten- bzw. Abgeltungsklausel für am Vertragsende noch nicht fällige Schönheitsreparaturen ist unwirksam, wenn sie die Ermittlung des Abgeltungsbetrags aufgrund eines vom Vermieter einzuholenden Kostenvoranschlages vorsieht (entgegen BGH vom 6.7.1988 – ARZ 1/88 -, WuM 88, 294).
LG Berlin vom 17.7.2012 – 65 S 66/12 –
Mitgeteilt von RA Jörg Grützmacher
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Sind die üblichen Fristen für Schönheitsreparaturen von 3, 5 und 7 Jahren noch nicht abgelaufen, muss der Mieter beim Auszug in der Regel nicht renovieren. Viele Mietverträge enthalten aber eine Quoten- oder Abgeltungsklausel. Diese Klausel verpflichtet den Mieter einen festgelegten Anteil auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags zu zahlen. Das Landgericht hat die Quotenklausel im vorliegenden Fall jedoch für unwirksam gehalten, weil sie die Ermittlung des Abgeltungsbetrags aufgrund eines vom Vermieter einzuholenden Kostenvoranschlags vorsieht. Das Landgericht stellt sich damit ausdrücklich gegen eine alte Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1988, in der eine solche Klausel noch für wirksam erachtet wurde.
Im Lichte der Fortentwicklung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen und des in § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB inzwischen normierten Transparenzgebotes könne dieser Ansicht des BGH nämlich nicht mehr gefolgt werden. Die eindeutig statuierte Pflicht, eine Quote anhand des Kostenvoranschlags eines Malerfachbetriebs zu entrichten, lasse es schon für fraglich erscheinen, ob auch für den verständigen Mieter erkennbar werde, dass es sich nur um eine unverbindliche Berechnungsgrundlage handele. Es komme hinzu, dass die Klausel die Auswahl des Fachbetriebs ausschließlich dem Vermieter vorbehalte. Der Mieter müsse dies jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung dahin verstehen, dass von ihm eingeholte Alternativangebote damit von vornherein unbeachtlich seien. Zumindest die Kumulation dieser Gesichtspunkte lasse die Klausel als unangemessen im Sinne des § 307 BGB erscheinen und folglich unwirksam sein.
Das Landgericht hat die Revision zugelassen, weil hier die Rechtsfrage der Wirksamkeit der Klausel abweichend von der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1988 beurteilt wird und sowohl die Fortbildung des Rechts als auch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung es gebieten, dem BGH erneut die Möglichkeit einzuräumen, sich mit diesem Aspekt auseinanderzusetzen.
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Abgeltungsbetrags für am Mietvertragsende noch nicht fällig gewordene Schönheitsreparaturen. Sie kann sich nicht auf § 4 Ziff. 5 Buchst. c) des Mietvertrags berufen. Diese Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam.
…
Die hier zu beurteilende Klausel ist … deshalb unwirksam, weil sie die Ermittlung des Abgeltungsbetrags aufgrund eines vom Vermieter einzuholenden Kostenvoranschlags vorsieht. So sah die dem BGH in dem … Urteil vom 26.9.2007 – VIII ZR 143/06 vorliegende Abgeltungsklausel vor, dass der Betrag auf der Basis eines Kostenvoranschlags eines von den Vertragsparteien ausgewählten Malerfachbetriebs ermittelt werden sollte.
Zwar hat der BGH in seinem Rechtsentscheid vom 6.7.1988 – AZR 1/88 – (NJW 1988, 2790 ff. = WuM 1988, 294 ff. = Grundeigentum 1988, 881ff. zitiert nach juris) in Anlehnung an einen früheren Rechtsentscheid des OLG Stuttgart aus dem Jahr 1982 es nicht als unwirksam erachtet, wenn der Kostenvoranschlag vom Vermieter einzuholen sein sollte, weil es sich aus Sinn und Zweck der Regelung ergeben würde, dass der Mieter diesen Kostenvoranschlag bestreiten könne (a.a.O. Tz. 23).
Im Lichte der Fortentwicklung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen und des in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB inzwischen normierten Transparenzgebotes kann dem nach Auffassung der Kammer nicht mehr gefolgt werden (so auch Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. § 538 Rn. 191). Die eindeutig statuierte Pflicht, eine Quote anhand des Kostenvoranschlags eines Malerfachbetriebs zu entrichten, lässt es schon für fraglich erscheinen, ob auch für den verständigen Mieter erkennbar wird, dass es sich nur um eine unverbindliche Berechnungsgrundlage handelt. Die Auslegung der Klausel in diesem Sinne ist als unzulässige geltungserhaltende Reduktion zu qualifizieren. Es kommt hinzu, dass die Klausel die Auswahl des Fachbetriebs ausschließlich dem Vermieter vorbehält. Der Mieter muss dies jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung dahin verstehen, dass von ihm eingeholte Alternativangebote damit von vornherein unbeachtlich sind. Zumindest die Kumulation dieser Gesichtspunkte lässt die Klausel als unangemessen im Sinne des § 307 BGB erscheinen und folglich unwirksam sein (a.a.O.).
Die in der Klausel weiter enthaltene Regelung für den Fall der fehlenden Einigung der Mietvertragsparteien über die Abschläge von dem Kostenangebot im Falle einer unverhältnismäßig geringfügigen Abnutzung oder einer besonders aufwändigen Dekoration ändert an dieser Bewertung nichts. Sie setzt zwar notwendiger Weise voraus, dass die Mieterseite die Angaben der Vermieterseite in Frage stellen kann. Diese Regelung bezieht sich ihrem Sinn und Wortlaut nach aber nur auf einen möglichen Streit der Parteien darüber, wie weit der Anteil des Mieters infolge besonders schonenden Umgangs oder besonders hochwertiger Dekoration zu reduzieren ist. Sie erfasst somit das vom Vermieter einzuholende Kostenangebot nicht.
…
Die Revision ist zuzulassen, weil hier die Rechtsfrage der Wirksamkeit der Klausel abweichend von der Entscheidung des BGH aus dem Jahr1988 beurteilt wird und sowohl die Fortbildung des Rechts als auch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung gebieten, dem BGH erneut die Möglichkeit einzuräumen, sich mit diesem Aspekt auseinander zusetzen.
14.06.2017