Leitsatz:
Mit der Verpflichtung zu Transparenz und Rücksichtnahme (§ 241 Absatz 2 BGB) ist es nicht vereinbar, innerhalb des ersten Jahres nach Vertragsschluss eine einseitige Erhöhung der Miete um 10 % durchzuführen, deren Grundlage ganz überwiegend bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden hat.
AG Wedding vom 23.11.2011 – 8a C 137/11 –
Mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Sozialen Wohnungsbau darf der Vermieter Kostensteigerungen nicht an den Mieter weitergeben, die bereits vor Beginn des Mietverhältnisses eingetreten waren und ihm bei Abschluss des Mietvertrages hätten bekannt sein müssen.
Etwas anderes gilt, wenn der Vermieter sich bei Vertragsabschluss im Hinblick auf die etwa ausstehende Wirtschaftlichkeitsberechnung Erhöhungen ausdrücklich vorbehalten hat.
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Klägerin ist aufgrund einer sich aus den Umständen ergebenden Vereinbarung nach § 10 Abs. 4 WoBindG an einer Erhöhung der Miete gehindert …
Bei der Prüfung, ob sich ein Ausschluss einer Mieterhöhung aus den Umständen ergibt, hat nach der Rechtsprechung des BGH zu § 19 1. BMG, dem § 10 Abs. 4 WoBindG inhaltlich entspricht, eine dem Grundsatz von Treu und Glauben gerecht werdende und die Interessenlage der Parteien berücksichtigende Würdigung der gesamten Verhältnisse zu erfolgen (BGHZ 26, 310).
Dabei ist es möglich, daraus, dass der Vermieter bei der Vereinbarung der Miete unter der Kostenmiete geblieben ist, ein Beweisanzeichen dafür herzuleiten, eine Mieterhöhung habe nach dem vermuteten Parteiwillen ganz oder teilweise ausgeschlossen sein sollen (BGH ZMR 1970, 202; ZMR 69, 272; ZMR 66, 58; ZMR 64, 28; zitiert nach LG Hannover WuM 1996, 556).
Eine solche konkludente Vereinbarung eines Ausschlusses ist hier anzunehmen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war bekannt und wurde dies auch in Form der Wirtschaftlichkeitsberechnung in den Vertragsschluss einbezogen, dass die vertraglich vereinbarte Miete deutlich unter der gesetzlich zulässigen Kostenmiete liegt. Dies wiederum lässt den Rückschluss darauf zu, dass die Klägerin bewusst darauf verzichtet hat, die preisrechtlich zulässige Miete geltend zu machen – sei es, um zu diesem Zeitpunkt überhaupt eine Vermietung erzielen zu können, sei es aus anderen Gründen. Mit der Ausweisung von „künftig anstehenden Mietänderungen, soweit diese bekannt sind“, schafft die Klägerin einen weitergehenden Vertrauenstatbestand dahingehend, dass Mietänderungen, die dem Grunde nach bereits bekannt und dort eben nicht aufgeführt sind, auch nicht erfolgen werden. Eine solche Auslegung entspricht auch der Interessenlage der Parteien. Denn der Mieter darf erwarten, dass wirtschaftliche Dispositionen, die er dem Vertragsschluss zugrunde gelegt hat, nicht alsbald wieder zunichte gemacht werden. Er darf erwarten, dass der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum seinen Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB nachkommt und Rücksicht auf die Interessen des Vertragspartners nimmt (AG Tiergarten MM 2010, 147).
Mit dieser Verpflichtung zu Transparenz und Rücksichtnahme ist es nicht vereinbar, innerhalb des ersten Jahres nach Vertragsschluss eine einseitige Erhöhung der Grundmiete um über 10 % durchzuführen, deren Grundlage ganz überwiegend bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 10 des Mietvertrags, wonach bei preisgebundenem Wohnraum die jeweils gesetzlich zulässige Miete als vereinbart gilt. Diese Klausel kann nur dahingehend verstanden werden, dass eine Erhöhung nach den Vorschriften und im Rahmen der Grenzen des WoBindG erfolgen kann und damit auch etwaigen Beschränkungen nach § 10 Abs. 4 WoBindG unterliegt.
Aufgrund der kurzen Dauer des Mietverhältnisses bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob eine solche Einschränkung der Erhöhungsmöglichkeit auch dauerhaft anzunehmen ist. Der Vermieter ist dadurch auch nicht unbillig benachteiligt. Soweit – wie vorliegend geschehen – im Rahmen des Vertragsschlusses deutlich wird, dass die vertraglich vereinbarte Miete deutlich unter der preisrechtlich zulässigen liegt, liegt es in der Hand der Vertragsparteien, einen entsprechenden Erhöhungsvorbehalt zu vereinbaren und damit der Annahme eines konkludenten Ausschlusses nach § 10 Abs. 4 WoBindG zu verhindern …
16.08.2013