Leitsätze:
1. Die Gleitklausel „Alle allgemein oder im konkreten Fall eintretenden Mieterhöhungen und/oder Erhöhungen sowie Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstückslasten jeder Art sind vom Zeitpunkt des Eintritts ab vereinbart und vom Mieter zu zahlen. Unbeschadet bleibt das Kündigungsrecht des Mieters; für diesen Fall tritt eine Erhöhung der Miete nicht ein“ ist wirksam im Sinne des § 4 Abs. 8 NMV.
2. Die Klausel ist dahin auszulegen, dass die jeweils zulässige gesetzliche Miete vereinbart werden soll, wenn eine Kostenmiete zu zahlen ist. Die Wendung, dass die „Mieterhöhungen vom Zeitpunkt ihres Eintritts an vereinbart“ sein sollen, ist zwanglos in entsprechender Weise auszulegen. Eine Auslegung dahin, dass auf den Fälligkeitszeitpunkt abzustellen sei, ist fernliegend (so aber LG Berlin vom 26.1.1998 – 62 S 242/07 -, MM 98, 257). Der Mieter kann und darf diese Klausel nicht so verstehen. Der Vermieter als Verwender der entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen will mit der genannten Regelung vielmehr erkennbar die etwa vereinbarte Kostenmiete zur vertraglich vereinbarten Miete erklären. Zeitpunkt des Eintritts einer Mieterhöhung meint danach Zeitpunkt des Anstiegs der Kostenmiete nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften. Nur die vorstehende Auslegung ist auch vereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vom 5.11.2003 – VIII ZR 10/03, WM 04, 25) zu einer ähnlichen Vertragsklausel.
AG Tempelhof/Kreuzberg, Urteil vom 3.12.04 – 14 C 66/04 –
Mitgeteilt von RAin Dorothee Schöndienst
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte die geltend gemachte Miete für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Mai 2003 in Höhe von 244,95 Euro gemäß § 535 Abs. 2 BGB aus dem Mietvertrag zwischen den Parteien vom 29. April 1988 zu. Im Einzelnen handelt es sich um restliche Miete für die Monate Januar 2002 bis einschließlich Oktober 2002 in Höhe von jeweils 14,73 Euro, zusammen insoweit 147,30 Euro, sowie für die Monate November 2002 bis einschließlich Mai 2003 in Höhe von monatlich jeweils 13,95 Euro, zusammen insoweit 97,65 Euro. Diese Mietforderungen stehen der Klägerin auf Grund von § 3 Ziffer 6 des Mietvertrages in Verbindung mit dem die Mieterhöhung erläuternden Schreiben der Klägerin vom 30. April 2003 zu. Nach der genannten mietvertraglichen Regelung sind alle allgemein oder im konkreten Fall eintretenden Mieterhöhungen und/oder Erhöhungen sowie Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstückslasten jeder Art vom Zeitpunkt des Eintritts ab vereinbart und vom Mieter zu zahlen. Dies ist dahin zu verstehen, dass sich bei der hier vereinbarten preisgebundenen Kostenmiete die Miete entsprechend den gesetzlichen Vorgaben erhöht. Die Erhöhung einer Kostenmiete im öffentlich geförderten Sozialen Wohnungsbau ist nicht von einer entsprechenden Mieterhöhungserklärung abhängig, diese ist vielmehr lediglich fälligkeitsbegründend, da regelmäßig erst durch sie die Kostenmiete nachvollziehbar dargelegt wird (BGH, NJW 1982, 1587; 2004, 1598). Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 30. April 2003 die Steigerung der vereinbarten Kostenmiete nachvollziehbar dargelegt, ebenso im anspruchsbegründenden Schriftsatz vom 15. Juli 2004 im Rahmen dieses Rechtsstreits; die Beklagte hat hiergegen auch nichts vorgebracht. Gemäß § 4 Abs. 8 Satz 2 NMV konnte die Klägerin rückwirkend ab dem Beginn des ihrer Mieterhöhungserklärung vorausgehenden Kalenderjahres, mithin, wie geschehen, ab dem 1. Januar 2002 die erhöhte Miete verlangen.
Mit ihrer einzigen Einwendung, aus § 3 Ziffer 6 des Mietvertrages ergebe sich keine Vereinbarung der jeweiligen Kostenmiete, hat die Beklagte keinen Erfolg. Allerdings trifft es zu, dass das Landgericht Berlin in einem Urteil vom 26. Januar 1998, Geschäftszeichen 62 S 242/97 (MM 1998, 257 ff.) die Auffassung vertreten hat, eine der streitgegenständlichen Regelung in § 3 Ziffer 6 des Mietvertrages im Wortlaut entsprechende Regelung sei unklar im Sinne von § 5 AGBG: Ihr ließe sich nicht hinreichend entnehmen, dass mit dem „Zeitpunkt des Eintritts einer Mieterhöhung“ der Zeitpunkt gemeint sei, ab dem eine Erhöhung gesetzlich zulässig sei, und nicht der mit der Übersendung der Mieterhöhungserklärung eintretende Zeitpunkt der Fälligkeit; diese Unklarheit müsse sich nach § 5 AGBG (nunmehr: § 305 c Abs. 2 BGB) dergestalt zu Lasten des Vermieters auswirken, dass die erhöhte Miete erst ab Fälligkeit verlangt werden könne. Dem ist jedoch nicht zu folgen – dies jedenfalls nicht unter Berücksichtigung der von der Klägerin auch in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2003 (NJW 2004, 1598 ff.).
§ 3 Ziffer 6 des Mietvertrages ist dahin auszulegen, dass die jeweils zulässige gesetzliche Miete vereinbart sein soll, wenn wie hier eine Kostenmiete zu zahlen ist. Die Wendung, dass die „Mieterhöhungen vom Zeitpunkt ihres Eintritts an vereinbart“ sein sollen, ist zwanglos in entsprechender Weise auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Eine Auslegung dahin, dass auf den Fälligkeitszeitpunkt abzustellen sei, ist fernliegend. Der Mieter kann und darf diese Klausel nicht so verstehen. Der Vermieter als Verwender der entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen will mit der genannten Regelung vielmehr erkennbar die etwa vereinbarte Kostenmiete zur vertraglich vereinbarten Miete erklären. Zeitpunkt des Eintritts einer Mieterhöhung meint danach Zeitpunkt des Anstiegs der Kostenmiete nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften.
Nur die vorstehende Auslegung ist auch vereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer ähnlichen Vertragsklausel (BGH, NJW 2004, 1598 ff.). Der Bundesgerichtshof hatte die Wirksamkeit einer Klausel zu beurteilen, wonach bei preisgebundenem Wohnraum die jeweils gesetzlich zulässige Miete als vertraglich vereinbart gilt. Hierzu hat er unter II 2 b bb der Gründe ausgeführt:
„Nach diesen Grundsätzen wird die zu beurteilende Klausel dem Bestimmtheitsgebot und damit auch dem Transparenzgebot des § 9 AGBG hinreichend gerecht. Zwar trifft es zu, dass der Mieter der Regelung in Nr. 2 Abs. 2 AVB nicht konkret entnehmen kann, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang sich die Miete künftig in verbindlicher Weise erhöhen wird. Diese Unsicherheit ist jedoch hinnehmbar, weil die Erhöhungsmöglichkeit für den Vermieter an für den Mieter feststellbare Sachverhalte gebunden ist. Vor einer ungerechtfertigten Übervorteilung ist der Mieter zudem durch die Beschränkung einer Mieterhöhung auf die jeweils gesetzlich zulässige Miete und gegen eine überraschende Rückwirkung durch die zeitliche Begrenzung einer Nachforderung in § 4 Abs. 8 Satz 2 NMV geschützt. Der Umstand, dass die Mieterhöhung für ihn nicht konkret vorhersehbar ist, kann ihm im Übrigen auch deshalb zugemutet werden, weil seine Belange mit den berechtigten Interessen des Vermieters an der zeitnahen Erzielung einer mindestens kostendeckenden Miete abzuwägen sind; auch dieser kann die künftige Entwicklung seiner Aufwendungen in aller Regel nicht so genau überblicken, dass er die jeweils gesetzlich zulässige Miete schon im Voraus sicher bestimmen könnte. Vielmehr kann er die tatsächliche Höhe seiner Aufwendungen überwiegend erst nachträglich, im Übrigen auch nur für einen begrenzten Zeitraum im Voraus ermitteln und seiner Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Zukunft zu Grunde legen. Eine freie, alle möglichen künftigen Risiken und Chancen berücksichtigende Kalkulation ist ihm wegen der Preisbindung untersagt. Diese Einschränkung gleicht das Gesetz dadurch aus, dass es – in Grenzen – eine vertragliche Anpassungsklausel mit der Fiktion einer entsprechenden Vereinbarung anerkennt.“
Diesen Grundsätzen folgt das erkennende Gericht: Der Umstand, dass Zeitpunkt und Umfang künftiger Mieterhöhungen auch bei der vorliegend zu beurteilenden Klausel nicht vorherbestimmt sind – daraus leitet die Beklagte, der von ihr in Bezug genommenen Entscheidung des Landgerichts Berlin folgend, die ihr günstige Auslegung der Klausel her -, lässt die Klausel im Hinblick auf den gesetzlichen Hintergrund der Regelung gerade auch hinsichtlich des Zeitpunktes, ab dem die erhöhte Miete verlangt werden kann, nicht als zu unbestimmt erscheinen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung gegen dieses grundsätzlich nicht berufungsfähige Urteil war nicht zuzulassen, da die hierfür gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO bestehenden Voraussetzungen nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine obergerichtliche Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung (NJW 2004, 1598 ff.) eingehend eine, wie zuvor bereits ausgeführt, der vorliegenden Vertragsklausel in dem entscheidenden Punkt – keine konkrete Regelung des Zeitpunkts, ab dem die gesetzlich zulässige Kostenmiete gelten soll – vergleichbare Klausel für hinreichend bestimmt und wirksam erachtet.
09.05.2017