Leitsätze:
1. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein Vermieter von Wohnraum den Erwerber des vermieteten Grundstücks grundsätzlich ermächtigen kann, ein ihm zustehendes Kündigungsrecht im eigenen Namen wahrzunehmen.
2. Auf Grund der Ermächtigung kann der Erwerber allerdings nur ein in der Person des gegenwärtigen Vermieters bestehendes Kündigungsrecht ausüben. Der bisherige Vermieter kann den Erwerber lediglich dazu ermächtigen, ein Kündigungsrecht auszuüben, das ihm selber zustand. Dem liegt der Rechtssatz zu Grunde, dass niemand mehr an Rechten übertragen kann, als ihm selbst zusteht („nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet“).
3. Die Kündigung wegen Hinderung wirtschaftlicher Verwertung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber das Grundstück in Kenntnis der Unwirtschaftlichkeit zum Zwecke der Sanierung und anschließenden Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins erworben hat.
LG Berlin, Urteil vom 24.1.05 – 67 S 301/04 –
Mitgeteilt von RAin Petra Petersen
Urteilstext
Aus den Gründen:
A.
Am 4. Juni 1991 schloss die Wohnungsbaugesellschaft M. mbH mit den Beklagten einen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung im Hause B.-straße in Berlin. Der Mietzins für die streitgegenständliche Wohnung wurde zunächst auf 1,00 DM festgelegt. Der Mietvertrag vom 4. Juni 1991 wurde durch eine „zusätzliche Vereinbarung“ ergänzt, aus deren Präambel sich ergab, dass seitens der Wohnungsbaugesellschaft M. mbH beabsichtigt war, das Gebäude durch die Bewohner als „Selbsthilfeprojekt“ instandsetzen und modernisieren zu lassen. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass sich das Gebäude in staatlicher Verwaltung befand und die Wohnungsbaugesellschaft M. mbH daher in ihrer Verfügungsmacht nach dem Vermögensgesetz beschränkt sei. Die Parteien gingen davon aus, dass nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung der wieder eingesetzte Eigentümer über das Grundstück verfügen könne. In diesem Zusammenhang war in § 2 der „zusätzlichen Vereinbarung“ zu dem Mietvertrag vom 4. Juni 1991 die Klausel enthalten: „Die Parteien gehen auf Grund des beiderseitig bekannten schlechten Bauzustandes der Mietsache davon aus, dass der Eigentümer nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen durchführen will, indem er in zulässiger Weise die Räume beseitigen oder so wesentlich verändern oder instand setzen will, dass die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich erschwert würden.“ Aus diesem Grunde wurde vereinbart, dass das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung drei Jahre nach der Unterzeichnung des Mietvertrages vom 4. Juni 1991 enden solle, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Im Einverständnis mit der Wohnungsbaugesellschaft M. mbH nutzten die Beklagten die streitgegenständliche Wohnung indes über den vorgenannten Zeitraum hinaus. Der Kammer ist aus den Parallelverfahren 67 S 299/04 und 67 S 300/04 bekannt, dass die Wohnungsbaugesellschaft M. mbH den Mietern sämtlicher Wohnungen in dem Gebäude mitteilte, dass die auf die Dauer von drei Jahren geschlossenen Mietverträge mit sofortiger Wirkung in unbefristete Mietverträge umgewandelt werden sollen.
Die Liegenschaft wurde zunächst an die Gebrüder W. OHG i.L. zurückübertragen, welche die Immobilie mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Juli 1999 an die W. H. J. GmbH veräußerte. Die W. H. J. GmbH wurde am 28. Juli 2001 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen und veräußerte die Liegenschaft am 8. Januar 2002 an die HGV mbH, die ihrerseits am 18. August 2003 in das Grundbuch eingetragen wurde.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Januar 2003 veräußerte die HGV mbH eine Teilfläche von 900 qm der Liegenschaft, die sich insgesamt über 1983 qm erstreckt, an die damals in Gründung befindliche Klägerin zu einem Preis von 406616,64 Euro.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 ermächtigte die HGV mbH die Klägerin, „im eigenen Namen alle auf dem … Grundstück bestehenden Mietverhältnisses zu kündigen, alle hierfür erforderlichen Erklärungen abzugeben und Handlungen vorzunehmen sowie im eigenen Namen alle die Mietverhältnisse betreffenden Rechtsstreitigkeiten mit den Mietern zu führen.“
Am 6. Januar 2004 wurde die Klägerin in das Handelsregister eingetragen. Inzwischen hat sich deren persönlich haftende Gesellschafterin geändert, bei der es sich nunmehr um die D. & F. GmbH handelt.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit den Beklagten zum 31. Juli 2004. Sie machte geltend, das Grundstück von der HGV mbH erworben zu haben. Diese habe sie ermächtigt, die bestehenden Mietverhältnisse zu kündigen. Die Klägerin berief sich in ihrem Schreiben vom 29. Oktober 2003 auf den Kündigungsgrund des § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB und führte hierzu aus, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Kündigung habe. Durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses werde sie an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert. Die Substanz des Gebäudes und die Ausstattung der Wohnungen befänden sich in einem dringend sanierungsbedürftigen Zustand. Die Klägerin teilte weiter mit, dass sie beabsichtige, die folgenden Arbeiten vorzunehmen:
– Erneuerung des maroden Mauerwerkes im Rahmen der Denkmalpflege
– Entfernung und Neuaufbau des Dachgebälkes
– Schaffung von neuem Wohnraum in der Größe von 262,83 qm im Dachgeschoss
– Ersatz der mit Hausschwamm befallenen Deckenbalken
– Instandsetzung der Fassaden und Austausch der Fenster
– Einbau einer zentralen Gas- und Warmwasseranlage
– Erneuerung und Verstärkung der Frisch- und Abwasserleitungen sowie der Stromkabel
– Installierung einer Aufzugsanlage
– Ausstattung der Wohnungen mit einem Balkon.
In seinem gegenwärtigen Zustand sei das Mietobjekt nicht wirtschaftlich zu betreiben. Es ergebe sich eine jährliche Unterdeckung von 23237,15 Euro. Ausgehend von einem Verkehrswert des Grundstücks von 540000,00 Euro beliefen sich die laufenden Aufwendungen auf 41714,39 Euro, während die erzielbaren Mieteinnahmen lediglich bei 18477,24 Euro lägen. Nach Durchführung der geplanten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen wäre das Objekt auf der Basis einer erzielbaren ortsüblichen Vergleichsmiete wirtschaftlich zu betreiben. Es ergäbe sich ein Überschuss von 12281,92 Euro. Die Aufwendungen beliefen sich auf 121623,50 Euro und die erzielbaren Mieteinnahmen auf 133905,42 Euro. Bei einem Fortbestand der Mietverhältnisse wäre das Objekt trotz der Sanierung nicht rentabel zu betreiben. Den Aufwendungen von 121623,50 Euro stünden dann lediglich erzielbare Einnahmen von 83147,80 Euro gegenüber, so dass eine jährliche Unterdeckung von 38475,70 Euro gegeben wäre. Auf die weiteren Einzelheiten des Schreibens der Klägerin vom 29. Oktober 2003 wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO Bezug genommen.
In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von den Beklagten die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
Die Klägerin macht geltend, dass sich die Kosten für die geplanten Baumaßnahmen auf 1270000,00 Euro belaufen würden. Die Fassade des Gebäudes befände sich in einem schlechten Zustand. Der Putz sei großflächig abgefallen. Von einer Durchfeuchtung des Mauerwerks sei auszugehen, weshalb es saniert werden müsse. Die Verblechungen auf den Fenstergesimsen und im Dachbereich seien zerstört oder fehlten ganz. Die Dacheindeckung sei verschlissen. Gegebenenfalls sei auch der Dachstuhl zu erneuern. Soweit die Abwasserleitungen bereits erneuert worden seien, fehle es an deren Abkofferung im Treppenhaus. Die Holzbalkendecken müssten saniert und statisch bewertet werden. Bei einer Begehung sei Feuchte in einer Balkendecke festgestellt worden. Mit der Notwendigkeit einer Bekämpfung von Hausschwamm sei zu rechnen. Alle Badfußböden müssten mit Dichtungen versehen werden. Schließlich sei geplant, Isolierglasfenster einzubauen.
Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Klägerin mit der Kündigung einen wirtschaftlichen Wert zu realisieren versuche, der ihr niemals zur Verfügung gestanden habe. Der Zustand des Gebäudes und die Ausgestaltung der bestehenden Mietverhältnisse hätten dazu geführt, dass der Kaufpreis äußerst günstig gewesen sei. Die früheren Vermieter hätten es unterlassen, die Mieteinnahmen an die ortsübliche Vergleichsmiete anzupassen. Die Ansätze in der Wirtschaftlichkeitsberechnung seien ebenso zu bestreiten wie die Angaben der Klägerin zu den Mieteinnahmen und zu den Rentabilitätsberechnungen. Die HGV mbH habe die Klägerin nicht ermächtigt, die bestehenden Mietverhältnisse zu kündigen.
Das Amtsgericht hat die von der Klägerin erhobene Klage auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung durch Urteil vom 26. August 2004, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
Gegen das ihr am 7. September 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. September 2004 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2004 hat die Klägerin ihre Berufung begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Mitte vom 26. August 2004 die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen im Hause der Klägerin B.-Straße in Berlin, inne gehaltene, im 3. OG Mitte des 1. Quergebäudes gelegene Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Bad/WC und Flur sowie den dazu gehörenden Kellerraum sofort geräumt an die Klägerin zu Händen ihrer Hausverwaltung zu übergeben.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurück zu weisen.
B.
I. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Auf den Streitwertbeschluss der Kammer vom 24. Januar 2005 wird Bezug genommen. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat indes keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung im Hause B.-Straße in Berlin, der sich aus § 546 Abs. 1 BGB ergeben würde.
1. Auf Grund des Vertragsabschlusses vom 4. Juni 1991 besteht ein wirksames Mietverhältnis zwischen der HGV mbH und den Beklagten, das den Mietern ein Recht zum Besitz an der streitgegenständlichen Wohnung gibt. Die Kündigung, welche die Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 erklärt hat, ist unwirksam.
2. Dem geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch stünde nicht allein die Tatsache entgegen, dass die Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht das Eigentum an dem Grundstück erworben hat, auf dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet und sie deshalb noch nicht gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses eingetreten ist, das zwischen der HGV mbH und den Beklagten besteht. Die Klägerin macht den Räumungs- und Herausgabeanspruch in gewillkürter Prozessstandschaft für die HGV mbH geltend. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer Einziehungsermächtigung als ein Fall der Einwilligung zur Verfügung über ein fremdes, dem Einwilligenden gehöriges Recht wird in der Rechtsprechung bejaht. Der Dritte erlangt auf Grund der Ermächtigung die Befugnis, die fremde Forderung im eigenen Namen einzuziehen. Da ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung der Forderung für den Ermächtigten besteht, kann dieser die Forderung auch im eigenen Namen einklagen (BGHZ 4, 153 ff. unter IV; siehe auch BGH GE 1998, 176 unter 5). Das erforderliche Eigeninteresse ist angesichts des Interesses der Klägerin an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gegeben. Vor diesem Hintergrund war die HGV mbH nicht daran gehindert, die Klägerin gemäß § 185 Abs. 1 BGB zu ermächtigen, einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung im eigenen Namen geltend zu machen. Ob die HGV mbH die Klägerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 tatsächlich wirksam ermächtigt hat, bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Dem vorgenannten Schreiben zufolge sind die Herren A. und R. die Geschäftsführer der HGV mbH. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG muss die Erklärung einer GmbH durch sämtliche Geschäftsführer gezeichnet werden, sofern nicht anderes bestimmt ist. Das Schreiben der HGV mbH vom 27. Oktober 2003 trägt eine unleserliche Unterschrift, die nach dem Vortrag der Klägerin von Herrn A. stammen soll, der alleinvertretungsberechtigt ist. Die Beklagten bestreiten, dass die Unterschrift von dem vertretungsberechtigten Geschäftsführer herrührt.
3. Die Klägerin war jedenfalls nicht in der Lage, auf Grund einer ihr von der HGV mbH eingeräumten Ermächtigung die Kündigung des Mietverhältnisses unter Berufung auf § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB zu erklären.
a) Dabei unterliegt es keinem Zweifel, dass ein Vermieter den Erwerber des vermieteten Grundstücks grundsätzlich ermächtigen kann, ein ihm zustehendes Kündigungsrecht im eigenen Namen wahrzunehmen. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 10. Dezember 1997 – XII ZR 119/96 – (GE 1998, 176) die Frage offen gelassen, ob ein Vermieter ein Kündigungsrecht selbstständig abtreten könne (Urteilsgründe unter 2.). Jedoch könne eine unwirksame Abtretung gemäß § 140 BGB in eine wirksame Ermächtigung zur Kündigung gemäß § 185 BGB umgedeutet werden. Der Bundesgerichtshof führt in diesem Zusammenhang weiter aus: „Eine Ermächtigung zur Abgabe einer Kündigungserklärung im eigenen Namen ist systematisch und funktionell der Vollmacht verwandt … Stellvertretung ist auch bei der Ausübung unselbstständiger Gestaltungsrechte unbestritten zulässig. Die Stellvertretung unterscheidet sich von einer Ermächtigung nach § 185 Abs. 1 BGB im Wesentlichen dadurch, dass der Stellvertreter die Erklärung im fremden Namen abgibt, der Ermächtigte im eigenen Namen. Von diesem eher formalen Unterschied hängt es nicht ab, in welchem Umfang der eigentlich berechtigte Vertragspartner das Kündigungsrecht aus der Hand gibt. Während nach einer wirksamen Abtretung des Kündigungsrechts der Zessionar an Stelle des Zedenten frei entscheiden könnte, ob er die Kündigung erklärt oder nicht, führt sowohl der von einem Vertragspartner Bevollmächtigte als auch der von diesem Ermächtigte seine Befugnis auf eine Erlaubnis des eigentlich Berechtigten zurück, die auch im Falle der Ermächtigung regelmäßig bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich ist (§ 183 BGB).“
b) Auf Grund der Ermächtigung konnte die Klägerin allerdings nur ein in der Person der gegenwärtigen Vermieterin bestehendes Kündigungsrecht ausüben. Die HGV mbH konnte die Klägerin lediglich dazu ermächtigen, ein Kündigungsrecht auszuüben, das ihr selbst zustand. Dem liegt der Rechtssatz zu Grunde, dass niemand mehr an Rechten übertragen werden kann, als ihm selbst zusteht („nemo plus iuris trensferre potest quam ipse habet“). Die Klägerin will ein Recht zur Kündigung aus § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB herleiten. Nach dieser Vorschrift kann ein Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum kündigen, wenn er daran ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches liegt insbesondere vor, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Dabei bleibt die Möglichkeit, durch anderweitige Vermietung eine höhere Miete zu erzielen, außer Betracht.
aa) Die Darlegungen der Klägerin in dem Kündigungsschreiben vom 29. Oktober 2003 zielen darauf ab, welche Investitionen sie in Bezug auf das von ihr erworbene Grundstück vornehmen will. Sie legt im Einzelnen dar, welche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sie vornehmen will, welcher Kapitaleinsatz dazu erforderlich ist, welche laufenden Aufwendungen ihr dadurch entstehen, welche Mieteinnahmen gegenwärtig erzielbar sind und welche Mieteinnahmen erzielbar wären, wenn alle Wohnungen und Gewerberäume im sanierten und modernisierten Zustand vermietet werden könnten. Alle ihre Darlegungen befassen sich nur mit ihren Vorstellungen und Wünschen.
bb) Entscheidend für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung sind aber die Zielsetzungen der HGV mbH, die nicht die Absicht hatte, dieselben Investitionen vorzunehmen, die der Klägerin vorschweben. Die Absicht der HGV mbH war es, das Grundstück im unveränderten Zustand zu verkaufen und dabei einen Kaufpreis zu erzielen, der ihr angemessen erschien. Dieses Ziel hat sie mit Abschluss des Kaufvertrages vom 27. Januar 2003 erreicht. Soweit die Klägerin geltend macht, dass auch für die HGV mbH der Gesichtspunkt zutrifft, dass bei deren Erwerb eine rentable Bewirtschaftung des Grundstücks wegen der unzureichenden Mieten nicht möglich war und angesichts der niedrigen Ausgangsmieten auch nach der Sanierung und Modernisierung keine Rentabilität zu erreichen war, kommt es hierauf schon deswegen nicht an, weil die Klägerin in ihren Kündigungsschreiben keine Investitionsüberlegungen der HGV mbH dargestellt hat. Denn bei einer Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 und Abs. 2 BGB können nur diejenigen Umstände berücksichtigt werden, die in dem Kündigungsschreiben dargestellt sind. Gemäß § 573 Abs. 3 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind. Letzteres ist nicht der Fall, weil die Vorstellungen der Klägerin nicht mit denjenigen übereinstimmen, welche die HGV mbH haben könnte. Zwar mögen Instandsetzungsarbeiten, die objektiv erforderlich sind, auch den Vorstellungen der HGV mbH entsprechen. Bei den Modernisierungsarbeiten kann dies aber schon anders sein. Es ist keineswegs gewiss, ob sich die HGV mbH zu so kostenträchtigen Maßnahmen wie dem Einbau eines Aufzuges oder der Ausstattung der Wohnungen mit Balkon entschlossen hätte. Soweit auch aus der Sicht der HGV mbH der erzielbare Mietzins ohne Vornahme irgendwelcher Sanierungsarbeiten die allein durch den Kauf ausgelösten laufenden Aufwendungen, die im Übrigen nicht dargestellt worden sind, nicht decken würde, könnte dieser Umstand eine Kündigung schon deswegen nicht rechtfertigen, weil die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, nach dem Willen des Gesetzes außer Betracht bleibt.
cc) Soweit die Klägerin geltend macht, die HGV mbH habe erhebliche Nachteile erlitten, als sie das Grundstück an die Klägerin weiter verkauft habe, fehlt es schon an einer Darstellung, zu welchem Preis die HGV mbH selbst das Grundstück erworben hatte. Dabei ließe sich der Ankaufspreis nicht ohne weiteres mit dem Verkaufspreis vergleichen, weil die Klägerin nur eine Teilfläche von 900 qm des 1983 qm großen Grundstücks erworben hat. Auch hierbei handelt es sich wieder um einen Gesichtspunkt, der in dem Kündigungsschreiben nicht erwähnt ist, § 573 Abs. 3 BGB. Soweit die Klägerin bei ihren Überlegungen auf den Verkehrswert von 540000,00 Euro abstellt, kann es darauf nicht ankommen. Denn entscheidend ist der Gesichtspunkt, zu welchem anteiligen Preis die HGV mbH selbst die verkaufte Teilfläche erworben hat. Der Kaufpreis und die damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Kosten, wie Notar- und Gerichtskosten sowie die Grundsteuer bilden die Grundlage für eine Berechnung der laufenden Aufwendungen.
4. Selbst wenn als Kündigungsgründe die Umstände beachtlich wären, welche die Klägerin aus ihrer eigenen Interessenslage anführt, könnten sie nicht zum Zuge kommen.
a) Soweit die Klägerin geltend macht, auch im Falle einer Instandsetzung und Modernisierung ließen sich mit Hilfe von Mieterhöhungen gemäß §§ 558 und 559 BGB angesichts der äußerst geringen Ausgangsmieten keine Mieteinnahmen erzielen, welche die durch die Kosten verursachten laufenden Aufwendungen decken würden, kann dies eine Kündigung nicht rechtfertigen, weil dem die Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BGB entgegensteht. Die Anwendung dieser Vorschrift ist nicht unbillig. Bei einem jahrelang bestehenden Mietverhältnis hat es der Vermieter selbst in der Hand, im Falle einer Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Wahrnehmung seiner gesetzlichen Möglichkeiten für ausreichende Rentabilität zu sorgen und somit die notwendigen Grundlagen für fortlaufende Instandhaltungsmaßnahmen zu schaffen, damit keine schwerwiegenden und dauerhaften Schäden an dem Gebäude entstehen, die erst einen erheblichen Instandsetzungsaufwand auslösen. Ebenso kann er bei einer ständigen Fluktuation der Mieter für marktgerechte Preise bei Neuvermietungen sorgen. Unterlässt er dieses wirtschaftlich vernünftige Verhalten, kann er die Folgen hierfür nicht auf die Mieter durch Kündigungen abwälzen. Dieser Gesichtspunkt trifft naturgemäß auf einen Erwerber nicht zu, der ein Objekt erwirbt, das einen erheblichen Instandhaltungsrückstand aufweist. Dieser kann aber dem Gesichtspunkt der geringen Rentabilität des Objektes Rechnung tragen, indem er mit dem Verkäufer einen Preis vereinbart, der sich an den niedrigen Mieteinnahmen orientiert. Bei vermieteten Objekten wird erfahrungsgemäß der Kaufpreis nach einem Vielfachen des jährlichen Mietertrages bestimmt (vgl. die Fälle, die den Entscheidungen des BGH in NJW 2002, 208; NJW 1997, 129; NJW-RR 1990, 1161; NJW 1989, 1975; NJW-RR 1988 zu Grunde lagen). Hier hatte es die Klägerin in der Hand, die niedrigen Ausgangsmieten bei der Vereinbarung des Kaufpreises angemessen zu berücksichtigen und damit die laufenden Aufwendungen ihren finanziellen Möglichkeiten anzupassen. Eine mögliche Fehlkalkulation kann sie nicht zum Anlass einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nehmen, weil dem die Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BGB entgegensteht. Die Klägerin macht selbst geltend, dass ihr die geringen Mieteinnahmen bei Vertragsschluss bekannt waren.
b) Die Klägerin kann nicht argumentieren, dass eine Kündigung mit dem Ziel des Abrisses und der Neuerrichtung des Gebäudes möglich wäre, um noch weitaus höhere Mieten zu erzielen, und deshalb auch eine Kündigung möglich sein müsse, wenn weniger einschneidende Maßnahmen beabsichtigt seien. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24. März 2004 – VIII ZR 188/03 – (NJW 2004, 1736). In der Tat hat der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung beiläufig ausgeführt, dass der Abriss eines Gebäudes und die Errichtung eines Neubaus eine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB darstellen könnten. Allerdings ging es in dem dort entschiedenen Fall um den ersatzlosen Abriss von 25 elfgeschossigen Plattenbauten, die größtenteils leer standen. Der BGH führt in diesem Zusammenhang aus: „Der Begriff der wirtschaftlichen Verwertung ist im Gesetz nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird eine Sache wirtschaftlich verwertet, wenn der ihr innewohnende materielle Wert realisiert wird. Dies geschieht in erster Linie durch Vermietung und Veräußerung (zu letzterer BVerfGE 79, 283, 289 ff.). Zwei Sonderfälle dieser beiden Verwertungsformen werden in § 573 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 bzw.3 BGB selbst angesprochen. Neben der Vermietung und Veräußerung liegt eine wirtschaftliche Verwertung unter anderem auch dann vor, wenn ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude mit der Mietwohnung abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird. … Auch in diesem Fall wird der Wert des Grundstücks durch die Nutzung des Neubaus realisiert. Anders verhält es sich dagegen beim ersatzlosen Abriss eines Gebäudes. Hierdurch können zwar Unkosten vermieden werden. Das stellt jedoch keine Realisierung eines dem Grundstück innewohnenden Wertes dar. Demgemäß ist der ersatzlose Abriss eines Gebäudes keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB“. Es lässt sich nicht damit argumentieren, dass jede Form der Sanierung und Modernisierung mit einem Abriss und einer anschließenden Neuvermietung vergleichbar wäre, so dass letzten Endes die Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BGB gänzlich ihrer Bedeutung entkleidet wäre. Diese Betrachtungsweise würde dazu führen, dass gerade bei umfänglichen Instandsetzungsarbeiten immer an eine Kündigung wegen mangelnder wirtschaftlicher Verwertung zu denken wäre, weil sich die zum Teil erheblichen Sanierungsaufwendungen gerade bei Objekten im Ostteil Berlins und in den neuen Bundesländern nicht sofort durch eine angemessene Erhöhung der Mieten bis auf die infolge dieser Maßnahmen gestiegene ortsübliche Vergleichsmiete angemessen amortisieren lassen. Denn dies wird durch die auf 20 Prozent bemessene Kappungsgrenze verhindert, die jedoch nicht für Maßnahmen der Verbesserung des Wohnwertes, der Einsparung von Energie und Wasser und für solche Maßnahmen gilt, die der Vermieter nicht zu vertreten hat. Es ist aber der Wunsch des Gesetzgebers, die Folgen solcher Maßnahmen abzufedern und die Bäume nicht in den Himmel wachsen zu lassen. Dem würde es widersprechen, Kündigungen mit dem Ziel einer Erhöhung der Mieteinnahmen nach Durchführung solcher Maßnahmen zuzulassen.
c) Die Klägerin kann weiterhin nicht argumentieren, auch im Falle des Erwerbs eines unrentablen Objekts müsse eine Kündigung zur Erzielung höherer Mieteinnahmen möglich sein. Das Kammergericht hat durch Beschluss vom 10. Februar 2002 – 8 RE-Miet 1/02 – (GE 2002, 395) den Erlass eines Rechtsentscheides zu dieser Frage mit der Begründung abgelehnt, in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein Eigentümer mit einer Verwertungskündigung gemäß § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB in der Fassung vom 21. Februar 1996 (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 in der Fassung vom 19. Juni 2001) wegen Unwirtschaftlichkeit der Fortführung des bestehenden Mietverhältnisses ausgeschlossen sei, wenn er das Grundstück in Kenntnis der Unwirtschaftlichkeit zum Zwecke der sofortigen Verwertung durch Abriss und Neubebauung erworben hat. Es kann für den Fall der Kündigung mit dem Ziel der Sanierung und anschließenden Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins nichts anderes gelten. Auch nach Auffassung des Landgerichts Berlin – ZK 64 – (GE 1993, 807) ist, wenn ein vorher wirtschaftlich zu betreibendes Objekt erst durch die Ankaufsfinanzierung unwirtschaftlich wird, eine Kündigung wegen Hinderung an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des angekauften Objektes nicht zulässig. Des Weiteren hat die Zivilkammer 64 in der vorgenannten Entscheidung zwar ausgeführt, dass ein beabsichtigter Abbruch eines Hauses und dessen Neubau eine angemessene wirtschaftliche Verwertung darstellen könne, die eine Kündigung rechtfertige. Angemessen sei die Verwertungsabsicht dann, wenn die Beibehaltung des bisherigen Zustandes unrentabel sei oder jedenfalls durch die beabsichtigte Maßnahme eine höhere Rentabilität zu erzielen sei. Jedoch könne der Vermieter sich nicht auf eine Unrentabilität berufen, wenn sie anders als durch den Abriss behoben werden könne, zum Beispiel durch Mieterhöhungen oder Modernisierungsmaßnahmen. Ausgeschlossen sei der Vermieter mit einer Berufung auf die Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung, wenn das Objekt von vornherein aus spekulativem Interesse zur Erzielung weiteren Gewinns erworben worden sei.
d) Soweit die Klägerin meint, die Unterlassung von Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten könne weder ihr noch ihrer Verkäuferin angelastet werden, ist dies sicher richtig. Jedoch wird dabei nicht berücksichtigt, dass sowohl die HGV mbH wie auch die Klägerin in der Lage waren, dem Instandsetzungsbedarf des Gebäudes und dem niedrigen Mietenniveau durch eine Einflussnahme auf den Kaufpreis Rechnung zu tragen. Sicherlich hängt der Zustand des Gebäudes mit der jahrelang ungeklärten Frage der Restitution und der Unterlassung von an sich gebotenen Instandhaltungsmaßnahmen zusammen. Diese haben zwangsläufig Auswirkungen auf das Mietenniveau. Andererseits ist der Instandsetzungsbedarf in den Wohnungen durchaus unterschiedlich, worauf auch der von der Klägerin eingeschaltete Architekt in seiner Stellungsnahme hinweist. Auch die Klägerin macht geltend, dass im Falle eines jahrelangen Leerstandes die Verhältnisse noch schlimmer wären. Die Klägerin ist darauf angewiesen, von den ihr gesetzlich zustehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die Mieter auf die Duldung von Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten unter Wahrung der gesetzlichen Formen in Anspruch zu nehmen und die Mieten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten anzuheben. Dass sie dabei sofort kostendeckende Mieten erzielen kann, ist nicht anzunehmen, angesichts der vom Gesetzgeber gewollten Beschränkungen der Mieterhöhungsmöglichkeiten wohl hinzunehmen.
e) Damit setzt sich die Kammer nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 1989 – 1 BvR 1131/87 – (BVerfGE 79, 283-293). Das BVerfG hat in einem Fall, der den beabsichtigten Verkauf eines Grundstücks betraf, unter anderem ausgeführt: „Eine Auslegung, welche dieses elementare Recht des Eigentümers aus dem Anwendungsbereich des § 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB ausschließen wollte, wäre verfassungswidrig. Dieser darf des weiteren nicht auf Fälle andernfalls drohenden Existenzverlustes reduziert werden. Private, insbesondere unternehmerische Investition birgt stets die Gefahr in sich, dass sie sich als unrentabel erweist. Der Zugriff auf sein gesamtes Vermögen ist dem Eigentümer auch zu dem Zwecke garantiert, derartige Verluste durch Rückgriff auf andere Vermögensteile ausgleichen zu können. Dem Vermieter kann nicht angesonnen werden, das Mietverhältnis bis an die Grenze des wirtschaftlichen Zusammenbruchs fortzusetzen. Auch Vermögenseinbußen, welche die wirtschaftliche Existenz des Eigentümers noch nicht ernsthaft in Frage stellen, sind bei der Anwendung des Kündigungstatbestandes von Verfassung wegen zu beachten.“ Die dortige Situation lässt sich mit der vorliegenden nicht vergleichen, weil es hier die Entscheidung der Klägerin war, das Objekt in dem bekannten Zustand zu einem bestimmten für sie durch die Mieteinnahmen nicht rentablen Kaufpreis zu erwerben.
f) In der Entscheidung vom 7. Juni 1989 – 1 BvR 230/89 – (veröffentlicht bei Juris) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Auffassung, eine auf § 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB gestützte Kündigung sei unwirksam, wenn der Vermieter das Gebäude jedenfalls nach Durchführung einer Mieterhöhung auch unter Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses wirtschaftlich angemessen nutzen könne, ist verfassungsmäßig, insbesondere im Hinblick auf die Eigentumsgarantie, nicht zu beanstanden. In dieser Entscheidung hat das BVerfG es für zulässig erachtet, einen Vermieter auf die Möglichkeiten einer Mieterhöhung zu verweisen. …
09.05.2017