Leitsatz:
Gegen den Freigabeanspruch des Mieters hinsichtlich des von ihm zu Mietvertragsbeginn zu Gunsten des Vermieters verpfändeten Kautionsguthabens kann der Vermieter die Aufrechnung nicht erklären. Es besteht insoweit keine Aufrechnungslage i.S.d. § 387 BGB. Der Anspruch auf Freigabe des verpfändeten Sparguthabens ist auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, während der zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch unmittelbar auf Zahlung gerichtet ist.
AG Schöneberg vom 2.3.06 – 106 C 169/05 –
Mitgeteilt von RA Jörg Grützmacher
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger waren Mieter, der Beklagte Vermieter auf Grund des zwischen den Parteien im August 1999 geschlossenen Mietvertrages über eine Wohnung im Hause T…-Straße in Berlin. Die Klägerin zu 1) legte gemäß Verpflichtung aus § 20 II des Mietvertrages unter der Kautionsnummer … bei der Berliner Sparkasse einen Kautionsbetrag in Höhe von umgerechnet 1.366,62 Euro an und verpfändete diesen Betrag gemäß Erklärung vom 1. Februar 2000 an den Beklagten. Das Mietverhältnis beendeten die Kläger durch Kündigung mit Wirkung zum 31.5.2004. Mit Schreiben vom 4.3.2004 der Hausverwaltung des Beklagten, wegen dessen weiteren Inhalts auf Blatt 9 d.A. verwiesen wird, stellte es die Hausverwaltung des Beklagten den Klägern frei, sich um Nachmieter zu kümmern, um von diesen Abstand wegen vorgenommener Einbauarbeiten zu erlangen. Die Kläger schlossen mit den Nachmietern einen Kaufvertrag über die Einbauten. Dieser erhielt den Zusatz: „Mit der Schlüsselübergabe am 31.5.2004 übernimmt der Nachmieter, hier Familie K…, die renovierte Wohnung wie gesehen“. Am 31.5.2004 übergaben die Kläger die Wohnung und die Schlüssel an die Nachmieter. Die Wohnungsabnahme erfolgte zwischen Hausverwaltung und Nachmietern Anfang Juni 2004. Dabei stellte die Verwaltung folgende Schäden in der Wohnung fest:
– zwei Scheiben der Balkontür im Zimmer 3 waren defekt;
– die drei Innenseiten der Kastendoppelfenster in Zimmer 1 und 3 waren nahezu bis auf das Holz abgeblättert;
– in Zimmer 1 und im Flur fehlten die Scheuerleisten, in Zimmer 3 waren sie nur teilweise vorhanden;
– im Bad waren Fugen der Wandverfliesung offen und verschiedene Fliesen waren zerstört;
– das Schloss der Badezimmertür fehlte;
– die Füllung der Badezimmertür war defekt.
Der Beklagte setzte ein auf den 3.6.2004 datiertes Schreiben auf, mit dem er die Kläger bis zum 15.6. aufforderte, diese Schäden zu beseitigen. Er verwendete die alte Mietadresse… . Es erfolgte keine Reaktion. Der Beklagte beauftragte eine Baufirma mit der Beseitigung der Schäden. Diese führte zwischen Ende Juni und Anfang Juli 2004 die Arbeiten aus und stellte sie dem Beklagten mit 1.086,32 Euro in Rechnung. Der Beklagte beglich diese. Am 27. August 2004 forderte die Klägerin zu 1) den Beklagten telefonisch zur Freigabe des Mietkautionskontos auf. Der Beklagte informierte in diesem Gespräch über bei der Wohnungsabnahme festgestellte Mängel. Mit Schreiben vom 12.10.2004 forderte die Klägerin erstmals die Kaution schriftlich an. Am 3.11.2004 teilte die Hausverwaltung der Klägerin zu 1) schriftlich mit, welche Arbeiten in der Wohnung ausgeführt worden seien und dass hierfür 1.086,32 Euro aufgewendet worden seien. Mit Schreiben vom 9.2.2005 forderte der die Kläger vorprozessual vertretende Berliner Mieterverein die Hausverwaltung des Beklagten auf, die Freigabe des Kautionsguthabens zu erklären. Hierauf erwiderte die Hausverwaltung mit Schreiben vom 16.2. und teilte mit: „wir sind gern bereit, Ihrer Mandantin den Differenzbetrag (zwischen den Kosten der Baufirma in Höhe von 1.086,32 Euro und dem Kautionsbetrag) zu überweisen, sobald uns eine Zahlungsadresse vorliegt.“ Die Freigabeerklärung erfolgte nicht.
Die Kläger behaupten, die Übergabe der Wohnung sowie der Schlüssel sei mit Einverständnis des Beklagten direkt an die Nachmieter erfolgt. Die neue Adresse der Kläger sei für den Beklagten aus dem Kaufvertrag mit den Nachmietern ersichtlich. Sie behaupten weiter, das Schreiben vom 3.6.2004 sei ihnen nicht zugegangen. Ein Nachsendeantrag sei der Post nicht erteilt gewesen. Es sei davon auszugehen, dass dieses als unzustellbar zurückgegangen sei. Etwaige Mängel der Wohnung seien bereits im Februar 2000 vorhanden gewesen. Die Scheiben an der Balkontür sowie die Innenseiten der Kastendoppelfenster in Zimmer 1 und 3 seien instandsetzungsbedürftig gewesen. Bei den Fenstern ergebe sich dies daraus, dass die Lackierung gefehlt habe und das Holz zum Vorschein gekommen sei. Die Scheuerleisten seien nicht vorhanden gewesen. Die Kläger behaupten weiter, sie seien für keine der Zerstörungen im Badbereich verantwortlich. Wegen etwaiger Schadensersatzansprüche erheben sie die Einrede der Verjährung.
Die Kläger beantragen, der Beklagte wird verurteilt, das zu seinen Gunsten bei der Sparkasse Berlin unter der Mietkautionskonto-Nr. … verpfändete Sparguthaben in Höhe eines Betrages von 1.366,62 Euro nebst der bis dahin aufgelaufenen Zinsen freizugeben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte rechnet mit dem Rechnungsbetrag der Baufirma von 1.086,32 Euro in dieser Höhe mit der Forderung der Kläger aus dem Kautionsguthaben auf. Der Beklagte behauptet, das Schreiben vom 3.6.2004 in dem er zur Beseitigung der Schäden aufforderte, sei nicht zurückgekommen. Es sei davon auszugehen, dass es daher von einem Nachsendeantrag erfasst war. Da eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger nicht möglich gewesen sei, habe er die Baufirma den Reparaturauftrag erteilt. Der Beklagte behauptet, er habe erstmals durch das Schreiben vom 12.10.2004 von der neuen Anschrift der Klägerin zu 1) erfahren. Weiter sei die Thermenreinigung und -wartung trotz mietvertraglicher Verpflichtung zumindest 2 Jahre nicht durchgeführt worden. Da er diese Arbeiten durch eine Fachfirma habe nachholen lassen, seien ihm die Kosten von 280,30 Euro entstanden; auch diesbezüglich erklärt er die Aufrechnung. Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger zu 2) nicht aktivlegitimiert sei.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Freigabe des Mietkautionskontos gemäß Vereinbarung über die Mietkaution. Der Anspruch ist entstanden. Das Mietverhältnis ist wirksam beendet. Die Wohnung wurde zurückgegeben. Seit dem Beendigungszeitpunkt sind mehr als sechs Monate vergangen. Auch der Kläger zu 2) ist aktivlegitimiert. Die Kläger waren gemäß § 20 II des Mietvertrages als Gesamtschuldner i.S.d. § 421 BGB zur Leistung der Kaution verpflichtet. Zwar hat nur die Klägerin zu 1) die Kaution hinterlegt und verpfändet, aber bei mehreren Mietern müssen grundsätzlich alle zurückverlangen, auch wenn nur einer die Kaution gestellt hat (vgl. LG Gießen NJW-RR 1996, 1162 m.w.N). Denn aus der Gesamtschuld der Kautionsstellungspflicht folgt spiegelbildlich die Gesamtgläubigerschaft bezüglich der Freigabe.
Der Anspruch auf die Freigabeerklärung ist auch nicht gemäß § 389 BGB infolge einer Aufrechnung des Beklagten ganz oder zum Teil erlöschen. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten überhaupt Gegenansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche, gegen die Kläger zustehen. Denn es fehlt an einer Aufrechnungslage i.S.d. § 387 BGB, die ggf. bestehenden wechselseitigen Ansprüche der Parteien untereinander sind jedenfalls nicht gleichartig. Gleichartigkeit i.S.d. § 387 BGB erfordert infolge der Tilgungsfunktion des § 389 BGB eine Gleichartigkeit des Leistungsgegenstandes (vgl. Erman-Wagner, BGB 11. Aufl. 2004 zu § 387 Rn. 10 m.w.N.). Hieran fehlt es. Denn die Kläger begehren eine Willenserklärung des Beklagten. Der Beklagte begehrt Zahlung. Auch nach der maßgebenden Verkehrsanschauung (vgl. Erman-Wagner, a.a.O., zu § 387 Rn. 10 m.w.N.) sind diese Ansprüche inhaltlich gleichartig. Denn die von den Klägern begehrte Erklärung soll nicht zu einer Auskehrung des Kautionsguthabens durch den Beklagten als Zahlung durch ihn unmittelbar dienen. Vielmehr soll die von den Klägern begehrte Erklärung die Bank als rechtlich Dritten berechtigen, die Kautionssumme an die Kläger auszuzahlen. Die fehlende Aufrechnungsmöglichkeit infolge fehlender Gleichartigkeit nimmt dem Beklagten auch nicht sein Sicherungsinteresse. Denn es stand ihm zum einen frei, das Kautionsguthaben von der Bank einzufordern, um dann gegenüber den in diesem Fall ggf. bestehenden Zahlungsansprüchen der Kläger die Aufrechnung zu erklären oder gegenüber dem streitgegenständlichen Anspruch auf eine Freigabeerklärung die Einrede eines Zurückbehaltungsrechts ausdrücklich geltend zu machen. Beides hat der Beklagte nicht getan.
Auf die fehlende Aufrechnungsmöglichkeit infolge fehlender Gleichartigkeit der Ansprüche wurde der Beklagte im Rahmen der richterlichen Hinweise zu II.1. des Beschlusses vom 22.9.2005 gemäß § 139 ZPO ausdrücklich hingewiesen. …
10.05.2017