Leitsätze:
1. Bei fortbestehendem Mietverhältnis müssen sich Mieter nach einem Eigentümer- und Vermieterwechsel wegen der Abrechnungsperioden, für deren Abrechnung der Voreigentümer zuständig ist, bei unterbliebener Abrechnung nicht auf eine Abrechnungsklage verweisen lassen.
2. Eine Betriebskostenabrechnung stellt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, deren Zugang beim Mieter der Vermieter beweisen muss.
3. Im Rahmen einer Klage des Mieters auf Rückzahlung von Vorschüssen steht dem Vermieter das Recht zu, noch im Prozess eine Abrechnung über die angefallenen Betriebskosten des Abrechnungsjahres zu erteilen. Bis zur erstmaligen Vorlage einer solchen Abrechnung, die im Prozess erfolgt, ist nach einem Eigentümer- und Vermieterwechsel eine Klage auf Rückzahlung des gesamten Betriebskostenvorschusses begründet, so dass mit der Vorlage der Abrechnung hinsichtlich der begründeten Posten eine Erledigung der Hauptsache eintritt.
4. Bei einem gemischt genutzten Gebäude mit Gewerbe- und Wohneinheiten ist Voraussetzung für eine ordnungsgemäße und fällige Abrechnung, dass die Kosten, die auf den Gewerberaum entfallen, vorweg abgezogen und den Gewerbemietern speziell in Rechnung gestellt werden. Dazu sind durch gesonderte Messeinrichtungen und Vorkehrungen die Kosten der Gewerbemieter vorweg zu erfassen. Nur ausnahmsweise kann ein Vorwegabzug entfallen, wenn unter anderem die Gewerbemieter keine höheren Kosten verursachen. Diese Voraussetzungen hat der Vermieter darzulegen und zu beweisen. Gaststätten weisen gegenüber Wohnungsmietern üblicherweise einen höheren Wasserverbrauch auf.
5. Verlangt ein Mieter im Betriebskostenprozess ausdrücklich die Einsichtnahme in Belege, obliegt es dem Vermieter, dem Mieter auch den Einsichtsort mitzuteilen. Insbesondere nach einem Eigentümer- und Hausverwalterwechsel ist es nicht Aufgabe des Mieters, den Einsichtsort zu ermitteln.
[Leitsätze des Einsenders]
AG Charlottenburg, Urteil vom 24.5.07 – 211 C 426/06 –
Mitgeteilt von Dr. Oliver Maor
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Rückzahlung von Betriebskostenvorschüssen in Anspruch.
Die Kläger schlossen mit der Beklagten unter dem 24. Juli 2001 einen Mietvertrag über die Wohnung …, Wohnung Nr. …, Dachgeschoss, in Berlin. Das Mietverhältnis begann am 1. August 2001. Die Parteien vereinbarten einen monatlichen Nettokaltmietzins in Höhe von 1.374,00 DM, einen monatlichen Betriebskostenvorschuss in Höhe von 340,00 DM sowie einen monatlichen Heizkostenvorschuss in Höhe von 226,00 DM. Die Parteien vereinbarten, dass der Umlegungsmaßstab über die Quadratmeter berechnet werde.
Die Beklagte rechnete über die Betriebskosten des Jahres 2001, 2003, 2004 und über die Heizkosten 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004 ab. In der Heizkostenabrechnung 2002/2003 rechnete die Beklagte gegenüber den Klägern auch die Wasserkosten für den Zeitraum 1. Mai 2002 bis 30. April 2003 ab. Mit Anschreiben vom 14. Januar 2004 wies die Beklagte durch ihre Hausverwaltung die Kläger darauf hin, dass die Wasserabrechnung nunmehr verbrauchsabhängig mit den Warmwasser- und Heizkosten abgerechnet werde.
Im Jahr 2005 fand ein Eigentümer- und Vermieterwechsel sowie ein Hausverwalterwechsel statt.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2006 teilten die Kläger der Hausverwaltung der Beklagten mit, dass eine Abrechnung über die Betriebskosten für das Jahr 2002 nicht vorliege. Sie forderten die Beklagte auf, die tatsächlich geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 in Höhe von 2.086,07 Euro bis zum 31. Mai 2005 zurückzuzahlen.
Nachdem die Beklagte Zahlung nicht leistete, haben die Kläger durch den am 13. Juni 2006 eingegangenen Antrag den Erlass eines Mahnbescheides über die Forderung beantragt. Der Mahnbescheid ist der Beklagten am 21. Juni 2006 zugestellt worden.
Dem Antrag der Kläger entsprechend, ist gegen die Beklagte am 25. Juli 2006 ein Vollstreckungsbescheid ergangen, mit dem die Beklagte verurteilt wurde, an die Kläger 2.087,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2006 sowie 4,40 Euro vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
Gegen den am 31. Juli 2006 zugestellten Vollstreckungsbescheid hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. August 2006, bei Gericht am 15. August 2006 eingegangen, Einspruch eingelegt.
Der Beklagten ist gemäß Beschluss vom 6. Dezember 2006 Wiedereinsetzung
hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist gewährt worden.
Die Kläger tragen vor, die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2002 sei ihnen erstmals mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Januar 2007 in diesem Prozess zugegangen. In Höhe von 866,74 Euro werde die erstellte Betriebskostenabrechnung hinsichtlich der Positionen Hausmeister/Reinigung, Straßenreinigung/Müllabfuhr, Niederschlagswasser, Hausstrom, Grundsteuer, Aufzug und Schneebeseitigung in Höhe von insgesamt 866,74 Euro anerkannt und insoweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Positionen Wasser und Verbundene Hausversicherungen seien unbegründet. Die abgerechneten Wasserkosten seien doppelt berechnet worden, da in der Heizkostenabrechnung vom 16. Oktober 2003 für den Zeitraum ab Mai 2002 die Wasserkosten bereits enthalten seien. Wegen der im Haus befindlichen viel Wasser verbrauchenden Gastronomiebetriebe „C…“ und „K…“ hätte der Verbrauch für die Gewerbebetriebe gesondert abgerechnet werden müssen. Diese Gastronomiebetriebe seien auch mit Wasserzählern ausgestattet gewesen. Die Position Verbundene Hausversicherung werde nicht anerkannt, weil die abgerechnete Höhe den Durchschnittswert weit übersteige. Die Richtigkeit der Forderung sei auch nicht nachvollziehbar. Es werde Einsicht in die Abrechnungsunterlagen begehrt. Die von der Beklagten lediglich vorgelegte Prämienrechnung enthalte keine Aussage dazu, welche Risiken abgedeckt seien und ob wegen der teilgewerblichen Nutzung des Gebäudes erhöhte Prämien zu leisten seien. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid war zulässig, der Beklagten war entsprechend dem Beschluss vom 6. Dezember 2006 gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache in Höhe von 866,74 Euro für erledigt erklärt haben, war der Vollstreckungsbescheid in der Hauptsache in Höhe von 1.219,33 Euro aufrecht zu erhalten. Denn in dieser Höhe ist die Forderung der Kläger fällig und begründet, der Einspruch unbegründet. Dabei ist berücksichtigt, dass die Beklagte ihren Einspruch in Höhe von 612,82 Euro gemäß den §§ 700 Abs. 3 Satz 2, 696 Abs. 4, 346, 516 Abs. 3 ZPO zurückgenommen und die Forderung der Kläger in dieser Höhe anerkannt hat, ein streitiges Urteil nur in Höhe von 606,51 in der Hauptsache ergehen musste.
Den Klägern stand, nachdem die Beklagte über die Betriebskosten 2002 eine Abrechnung über die unstreitig geleisteten Vorschüsse in Höhe von 2.087,07 Euro nicht innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB erteilte, ein Anspruch auf Rückzahlung ihrer geleisteten Vorschüsse zu. Denn wegen des erfolgten Eigentümer- und Vermieterwechsels, mit dem jedenfalls das Vertragsverhältnis zwischen diesen Parteien beendet war, müssen sich die Kläger nicht auf eine Abrechnungsklage verweisen lassen. Auch das Druckmittel des Zurückbehaltungsrechts stand ihnen hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorschüsse gegen die Beklagte nicht mehr zur Verfügung. Die Beklagte hat nicht unter Beweis gestellt, dass sie tatsächlich innerhalb der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB die Abrechnung über die Betriebskostenvorschüsse 2002 erteilt hat. Die im Prozess vorgelegte Abrechnung vom 11. Juni 2003 über die Betriebskosten 2002 erweckt im Zusammenhang mit dem weiteren Schreiben der Beklagten vom 14. Januar 2004 und der Heizkostenabrechnung 2002/2003 Zweifel, ob, wie die Beklagte behauptet, die Abrechnung tatsächlich an die Kläger abgesandt wurde. Letztlich können diese Zweifel aber dahinstehen, denn die Betriebskostenabrechnung stellt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, deren Zugang beim Mieter der Vermieter beweisen muss. Diesen Beweis hat die Beklagte jedoch nicht angetreten.
Im Rahmen der Klage auf Rückzahlung der Vorschüsse steht der Beklagten jedoch das Recht zu, noch eine Abrechnung über die angefallenen Betriebskosten des Abrechnungsjahres zu erteilen, so dass die nunmehr von der Beklagten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Januar 2007 vorgelegte Abrechnung vom 11. Juni 2003 bei der Begründetheit der Klage auch zu prüfen war. Nachdem die Kläger die Begründetheit der Abrechnung in Höhe von 866,74 Euro zugestanden und die Parteien insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, die Beklagte den Einspruch in Höhe weiterer 612,82 Euro zurückgenommen und damit in dieser Höhe die Unbegründetheit der Abrechnung zur Position Wasserkosten und einen Rückforderungsanspruch der Kläger anerkannt hat, war nur noch über die restliche Forderung in Höhe von 606,51 Euro zur Position Wasserkosten und Verbundene Hausversicherung zu entscheiden.
Auch in Höhe der streitigen Forderung ist die Klage begründet und der Vollstreckungsbescheid aufrecht zu erhalten. Denn die Beklagte hat in dieser Höhe nicht nachvollziehbar die Betriebskosten des Jahres 2002 abgerechnet und eine erfolgreiche Umlage dargetan.
Bei einem gemischt genutzten Gebäude mit Gewerbe- und Wohneinheiten ist
Voraussetzung für eine ordnungsgemäße und fällige Abrechnung, dass die Kosten, die auf den Gewerberaum entfallen, vorweg abgezogen und den Gewerbemietern speziell in Rechnung gestellt werden. Dazu sind unter anderem durch gesonderte Messeinrichtungen und Vorkehrungen die Kosten der Gewerbemieter vorweg zu erfassen. Nur ausnahmsweise kann ein Vorwegabzug entfallen, wenn unter anderem die Gewerbemieter keine höheren Kosten verursachen. Die Voraussetzungen für den Wegfall der Pflicht zum Vorwegabzug hat der Vermieter darzulegen und zu beweisen. Die Ermittlung dieser Kosten ist nur dem Vermieter möglich, dem Mieter stehen die notwendigen Daten nicht zur Verfügung.
Nachdem die Beklagte über die Wasserkosten für den Zeitraum 1. Mai 2002 bis
31. Dezember 2002 bereits mit der Heizkostenabrechnung vom 16. Oktober 2002
abgerechnet hatte, der Saldobetrag ausgeglichen war, hätte die Beklagte nunmehr mit
der Betriebskostenabrechnung den Wasserverbrauch für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 30. April 2002 nachvollziehbar für die Wohnung der Kläger berechnen müssen. Unabhängig davon, dass eine nachvollziehbare Berechnung für diesen Zeitraum weder in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 11. April 2007, noch im Schriftsatz vom 8. Mai 2007 vorliegt, hat die Beklagte es auch versäumt, hinsichtlich dieser verbrauchsabhängigen Kosten die Kosten der Gewerberäume vorweg zu erfassen und von den Gesamtkosten abzuziehen. Da nach dem unbestrittenen Vortrag der Kläger die im Haus befindlichen Gaststätten über Wasserzähler verfügen, Gaststätten üblicherweise gegenüber Wohnungsmietern einen höheren Wasserverbrauch vorweisen, wäre ein Vorwegabzug sowohl möglich, als auch erforderlich gewesen. Nachdem der tatsächlich auf die Wohnung der Kläger entfallende Anteil der Wasserkosten anhand der in der Akte verfügbaren Daten weder für die Kläger, noch für das Gericht ermittelbar ist, kann die Beklagte Betriebskosten für diese Position mangels ordnungsgemäßer Abrechnung derzeit nicht verlangen.
Die Kläger haben auch die Position Verbundene Hausversicherung in Höhe von 314,91 Euro ausdrücklich bestritten und nach Vorlage und Einführung der Betriebskostenabrechnung in den Prozess mit Schriftsatz vom 2. Februar 2007 und 27. März 2007 Einsicht in die Belege verlangt, ohne dass die Beklagte die Belege vorlegte oder Einsicht gewährte. Damit können sich die Kläger auf ein einfaches Bestreiten der Position Verbundene Hausversicherung beschränken. Die von der Beklagten vorgelegte Kopie einer Prämienrechnung ist kein ausreichender Beleg für die Begründetheit der Kosten. Denn diese Rechnung lässt nicht erkennen, welche abgesicherten Risiken die Versicherung umfasst, ob ggf. eine Unterscheidung zwischen Gewerbe- und Wohnraum vorgenommen wird, ob der Vermieter das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachtet hat.
Die Beklagte kann die Kläger auch nicht erfolgreich auf ihr Einsichtsrecht verweisen. Denn nachdem die Kläger das Einsichtsrecht ausdrücklich einforderten, oblag es der Beklagten, den Klägern den Einsichtsort auch mitzuteilen. Da ein Eigentümer- und
Hausverwalterwechsel stattgefunden hat, ist es nicht Aufgabe des Mieters, auch den
Einsichtsort zu ermitteln. Vielmehr muss der Vermieter mitteilen, wo die Belege eingesehen werden können. Das hat die Beklagte bisher nicht getan und den Klägern damit auch das Einsichtsrecht nicht gewährt. Die Beklagte hat damit zugleich für diese Position die Begründetheit ihrer Betriebskostenforderung nicht dargetan. …
28.12.2017