Leitsätze:
1. Es stellt ein negatives Wohnwertmerkmal im Sinne des Berliner Mietspiegels 2005 dar, nämlich eine unzureichende Elektroinstallation, wenn in jedem Zimmer lediglich eine Steckdose vorhanden ist.
2. Ein wohnwertminderndes Merkmal der Merkmalsgruppe 4 liegt vor, wenn die Heizung als sogenanntes Einrohrsystem ausgestattet ist, bei dem das Wasser nacheinander durch sämtliche Heizkörper der Räumlichkeiten fließt. Dass dies uneffektiv ist und deshalb das Merkmal einer Heizanlage mit ungünstigem Wirkungsgrad auch dann bedeutet, wenn Heizkessel und Brenner im Jahre 1993 beziehungsweise 1995 erneuert wurden, liegt auf der Hand.
3. Das wohnwerterhöhende Merkmal „villenartiges Mehrfamilienhaus“ erfordert einen alleinstehenden singulären Baukörper, der den Eindruck einer Villa beziehungsweise einen erhabenen Eindruck vermittelt.
AG Wedding, Schlussurteil vom 11.4.07 – 18 C 430/06 –
Mitgeteilt von RAin Antje Eichler
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Auf Grund schriftlichen Mietvertrages vom 28.9.1981 … sind die Klägerin Vermieterin, die Beklagten Mieter einer im Hause B.-straße, Berlin, gelegenen Wohnung.
Die Klägerin begehrt auf Grund einer Mieterhöhung vom 20.4.2006 die Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung einer monatlichen Nettokaltmiete von 258,92 Euro um 51,78 Euro auf 310,70 Euro, und zwar mit Wirkung ab dem Juli 2006.
Der Klägerin behauptet, der geforderte Betrag (Quadratmeterpreis: 4,36 Euro/qm) übersteige die ortsübliche Vergleichsmiete nicht. Sie behauptet für die Merkmalsgruppen 3-5 des Berliner Mietspiegels 2005 das Vorliegen von wohnwerterhöhenden Merkmalen …
Das Gericht hat die Klage – auf den dahingehenden Beklagtenantrag – im Termin am 15.1.2007 durch Versäumnisurteil abgewiesen, nachdem die Klägerin keinen Antrag gestellt hat.
Gegen dieses, ihr am 26.1.2007 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin mit am 9.2.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten unter Aufhebung des Versäumnisurteils zu verurteilen, einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die (näher bezeichnete) Wohnung von 258,92 Euro auf 310,70 Euro zuzustimmen, und zwar mit Wirkung ab dem 1.7.2006.
Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Sie vertreten unter Bezugnahme auf § 3 des Mietvertrages die Auffassung, zwischen den Parteien sei – unverändert – eine Bruttokaltmiete vereinbart. Eine Änderung der Mietstruktur stellen sie in Abrede.
Sie behaupten das Vorliegen von wohnwertmindernden Merkmalen. … Sie behaupten zudem, ein Teil der in der Wohnung befindlichen Ausstattung sei von ihnen im Laufe der Jahre nachgerüstet worden. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Einspruch der Klägerin ist zulässig, insbesondere rechtzeitig innerhalb der Frist des § 331 Abs. 1 ZPO bei Gericht eingegangen. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, so dass das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten war, § 343 Satz 1 ZPO.
Die Klage ist zulässig, da die Klägerin den Beklagten mit dem Schreiben vom 20.4.2006 ein ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen hat zukommen lassen, §§ 535, 557 III, 558 BGB.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in diesem Schreiben – wie auch in der Klage – die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete verlangt hat. Denn es ist davon auszugehen, dass sich die zwischen den Parteien maßgebliche Mietstruktur so darstellt, dass die Beklagten eine Nettokaltmiete zuzüglich Vorauszahlungen auf die Heiz- und Betriebskosten zu entrichten haben. Das von den Beklagten erfolgte Bestreiten einer Umstellung der Mietstruktur von einer Bruttokaltmiete auf eine Nettokaltmiete (zuzüglich auch auf die Betriebskosten zu entrichtender Vorschüsse) ist jedenfalls unwirksam, § 138 Abs. 1 ZPO.
Das Gericht hat an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob – wofür angesichts der eindeutigen Umstände allerdings einiges spricht – dieser Vortrag bewusst wahrheitswidrig erfolgt ist. Denn die Beklagten selbst waren es, die zu klägerischen Abrechnungen bezüglich in den Jahren 1998, 1999 und 2000 geleisteter Vorauszahlungen auf die Betriebskosten mit Schreiben vom 24.11.1999, 4.5.2000 und 12.7.2001 ausdrücklich inhaltlich Stellung bezogen haben, ohne die Berechtigung zu einer solchen Abrechnung über die Betriebskosten generell in Abrede zu stellen. Mit Schreiben vom 19.1.2004 haben die Beklagten zudem selbst die Klägerin zu einer Erstellung einer Betriebs- und Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2002 aufgefordert und mit Schreiben vom 2.2.2004 ausdrücklich eine Anpassung der monatlichen Heiz- und Betriebskostenvorauszahlung erbeten (!).
In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung zur begehrten Mieterhöhung auf 310,70 Euro, was einer Quadratmetermiete von 4,36 Euro entspricht, nicht zu, §§ 535, 557 III, 558 I, 558 b ff BGB.
Es ist davon auszugehen, dass bereits die von den Beklagten aktuell entrichtete Nettokaltmiete von 3,64 Euro/qm über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.
Diese war unter Heranziehung des Berliner Mietspiegels 2005 zu bestimmen. Für die streitbefangene Wohnung weist der Mietspiegel in dem nach dem übereinstimmenden Parteienvortrag maßgeblichen Mietspiegelfeld G6 einen Oberwert von 5,05 Euro, einen Unterwert von 3,24 Euro und einen Mittelwert von 4,06 Euro, jeweils pro qm, aus. Zur Bestimmung, auf welchen Betrag innerhalb der Spanne sich die ortsübliche Miete von der konkreten Beklagtenwohnung vergleichbaren Wohnungen beläuft, war ergänzend die Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung heranzuziehen (LG Berlin, MieterMagazin 2003, 337 (ZK 65)).
Abweichungen vom Mittelwert des Mietspiegels waren danach von derjenigen Vertragspartei näher darzulegen und zu beweisen, die sich auf sie berief (LG Berlin GE 2003, 1082 (Mietspiegel 2003); Schach, GE 2003, 1057; LG Berlin GE 1994, 1055 (Mietspiegel 1994)). Hierbei reichte die bloße Wiederholung des Wortlautes jedenfalls bei dem Vortrag unbestimmter Begriffe wie „gut belichtet oder besonnt“, „besonders ruhige Straße“, „großer, geräumiger Balkon“ etc. nicht aus (vgl. LG Berlin, GE 1994, 1055).
Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich ein Überwiegen wohnwertmindernder Merkmale in zwei Merkmalsgruppen. Bereits nach dem eigenen klägerischen Vortrag lagen wohnwerterhöhende Merkmale in den Merkmalsgruppen 1 und 2 nicht vor.
In der Merkmalsgruppe 3 ist davon auszugehen, dass die Klägerin eine überwiegende gute Belichtung/Besonnung nicht hinreichend dargetan hat, § 138 Abs. 1 ZPO. Ihren ursprünglichen Vortrag, dass die Fenster aller Wohnräume nach Süden ausgerichtet sind, hat sie zuletzt nicht aufrecht erhalten. Nachdem sie eingeräumt hat, dass Wohnräume und Terrasse nach Westen ausgerichtet sind, hätte es, um eine bessere Belichtung/Besonnung darzutun, des Vortrags von Einzelheiten zu der Anzahl und Größe der Fenster oder auch zu der in den Räumen konkret herrschenden Helligkeit bedurft. Auch ein weiteres wohnwerterhöhendes Merkmal in Gestalt einer großen Terrasse ist nicht dargetan. Eine 4 Quadratmeter große Terrasse stellt mit ihren potenziellen rechnerischen Seitenmaßen zwischen 1 x 4 Metern und 2 x 2 Metern keine große Terrasse dar. Sie ermöglicht gerade einmal das Aufstellen eines Balkontisches nebst zwei Sitzgelegenheiten. Es kann dahinstehen, ob der klägerseits vorgetragene rückkanalfällige Breitbandkabelanschluss zu berücksichtigen ist, wogegen Bedenken bestehen, weil die Beklagten einen eigenen Kabelvertrag geschlossen haben. Denn diesem einen positiven Merkmal stehen jedenfalls zwei mindernde Merkmale gegenüber, die die Merkmalsgruppe 3 insgesamt negativ erscheinen lassen. Unstreitig stammt die Elektroinstallation aus dem Jahre 1959 und ist im sog. Zwei-Leiter-System ausgestaltet, in dem Masse und Erde verbunden sind, was oft zu Kurzschlüssen führt. Ferner ist (unstreitig) bauseitig durchweg lediglich eine Steckdose pro Zimmer installiert, also insgesamt fünf Steckdosen in der gesamten Wohnung. Den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten hat die Klägerin – auch zuletzt – nicht hinreichend bestritten. Um ein dahingehendes Bestreiten wirksam erscheinen zu lassen, hätte die Klägerin darlegen müssen, welches denn der bei Übernahme der Wohnung vorhandene bauliche Anfangszustand gewesen ist. Wenn die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht Vermieterin war, hatte sie sich, da sie in die Stellung als Vermieterin eingerückt ist, das erforderliche Kennenmüssen des Voreigentümers zurechnen zu lassen, § 138 ZPO. Der danach festzustellende Zustand begründet eine unzureichende Elektroinstallation, da in jedem der Zimmer ohne die Verwendung von beweglichen Mehrfachsteckdosenleisten lediglich ein einziges Gerät (!) angeschlossen werden kann. Dass dies dem heutigen Standard nicht mehr entspricht, liegt auf der Hand.
Als weiteres wohnwertminderndes Merkmal in der Gruppe 3 ist festzustellen, dass die gesamte Be- und Entwässerungsinstallation (in Küche und Bad) unstreitig auf Putz verlegt ist. Dem steht nicht entgegen, dass eine derartige Installation nicht durchweg in allen Räumen der Wohnung vorliegt. Denn naturgemäß können bei der Beurteilung dieses Merkmals nur solche Installationen berücksichtigt werden, die überhaupt bauseitig vorhanden sind und können die hierdurch begründeten Nachteile nicht dadurch aufgefangen werden, dass andere, nicht vorhandene Rohre weder innerhalb noch auf den Wänden befindlich sind.
Auch in der Merkmalsgruppe 4 überwiegen die wohnwertmindernden Merkmale. Einen überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand des (gesamten) Gebäudes hat die Klägerin lediglich mit dem Vortrag eines angeblich im Jahre 2002 erfolgten Neuanstrichs des Treppenhauses nicht dargetan. Ein solcher überdurchschnittlicher Zustand des Gebäudes liegt nach der Definition der Orientierungshilfe etwa dann vor, wenn eine erneuerte Fassade, ein erneutes Dach oder eine Sanierung der (Versorgungs-) Stränge festzustellen wäre. Hieraus folgt, dass die bloße, ohnehin von Zeit zu Zeit vorzunehmende malermäßige Instandsetzung eines Treppenhauses eine solche geforderte nachhaltige Verbesserung des Gesamtzustandes des Hauses nicht bewirkt. Soweit die Klägerin eine Erneuerung der Hausfassade behauptet hat, fehlt jeglicher Vortrag zu Einzelheiten der Maßnahmen. Was im Einzelnen gegenüber der alten Fassade verändert worden ist (Anstrich?, Dämmung?, sonstige Maßnahmen?), hat die Klägerin in keiner Weise vorgetragen, § 138 ZPO.
Demgegenüber liegen in Merkmalsgruppe 4 negative Merkmale vor. So fehlt, wie die Klägerin zuletzt eingeräumt hat, eine Gegensprechanlage und das, obwohl die Wohnung der Beklagten, zuletzt ebenfalls zugestanden, sehr wohl nur über das Treppenhaus (und nicht unmittelbar vom Garten aus) erreicht werden. Es kommt als zweites wohnwertminderndes Merkmal in dieser Gruppe hinzu, dass die Heizung als so genanntes Einrohrsystem ausgestaltet ist, bei dem das Wasser nacheinander durch sämtliche Heizkörper der Räumlichkeiten fließt. Dass dies uneffektiv ist und das Merkmal einer Heizanlage mit ungünstigem Wirkungsgrad auch dann bedeutet, wenn Heizkessel und Brenner im Jahre 1993 beziehungsweise 1995 erneuert wurden, liegt auf der Hand.
In der Merkmalsgruppe 5 ist jedenfalls von einem Überwiegen wohnwerterhöhender Merkmale nicht auszugehen, so dass diese Gruppe allenfalls neutral zu bewerten ist. Das klägerseits behauptete positive Merkmal eines villenartigen Mehrfamilienhauses ist – wie auch aus dem beklagtenseits eingereichten Luftaufnahmen ersichtlich ist – nicht gegeben. Bei dem Haus, in dem sich die Wohnung der Beklagten befindet, handelt es sich nicht um einen alleinstehenden singulären Baukörper, der den Eindruck einer Villa vermittelt, sondern um eines von mehreren in größerer Zahl siedlungsartig angelegten Miet(-reihen-)häuser, die keinerlei erhabenen Eindruck vermitteln. Der daneben behaupteten großen Grünanlage steht jedenfalls das wohnwertmindernde Merkmal einer offen und frei zugänglichen Müllstandfläche entgegen, die die Klägerin unstreitig gelassen hat.
Unter Berücksichtigung zweier wohnwertmindernder Merkmalsgruppen und des Umstandes, dass die Räumlichkeiten im Erdgeschoss liegen, ergibt sich hinsichtlich der ortsüblichen Vergleichsmiete ein Betrag von nicht mehr als 3,57 Euro (4,06 Euro (Mittelwert) -0,16 Euro (Sondermerkmal) – 0,164 – 0,164). Dieser Betrag liegt unter der aktuell entrichtete Nettokaltmiete von 3,64 Euro und rechtfertigt eine Anhebung des Mietzinses nicht. …
02.01.2017