Leitsätze:
1. Ein Mieter handelt nicht grob fahrlässig im Sinne von § 536 b Satz 2 BGB, wenn ihm bei Besichtigung der Wohnung die Wohnflächendifferenz einer im Mietvertrag mit einer Größe von circa 40 Quadratmeter bezeichneten, tatsächlich aber nur 28,36 Quadratmeter großen Wohnung, nicht auffällt.
2. Soweit die vereinbarte Fläche größer ist als die tatsächliche Fläche, müssen die Betriebskosten nach der tatsächlichen Fläche umgelegt werden. Gemäß § 556 a Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Betriebskosten nach der Wohnfläche umzulegen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Damit ist die tatsächliche Fläche gemeint.
LG Berlin, Urteil vom 2.2.06 – 67 S 345/05 –
Mitgeteilt von RA Dirk Beckmann
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… b. Es ist unstreitig, dass die tatsächliche Wohnungsfläche 28,36 Quadratmeter beträgt. Nach einer von der Beklagten im Laufe des Rechtsstreits veranlassten Messung beträgt sie sogar nur 28,12 Quadratmeter. …
bb) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Flächenabweichung der Klägerin hätte auffallen müssen. Gemäß § 536 b Satz 1 BGB ist eine Minderung ausgeschlossen, wenn der Mieter den Mangel bei Vertragsschluss kennt. Eine positive Kenntnis der Abweichung der tatsächlichen Fläche von der Angabe im Mietvertrag wird weder behauptet noch ist sie ersichtlich. Ist dem Mieter der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so steht ihm die Minderung nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat, § 536 b Satz 2 BGB. Eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin kann nicht angenommen werden.
bc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt ein Mieter grob fahrlässig, wenn er die erforderliche Sorgfalt bei Vertragsschluss in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Zweifel allein genügen nicht. Da den Mieter grundsätzlich keine Prüfungspflicht trifft, braucht er sich nicht nach Mängeln zu erkundigen (NJW 1980, 777 unter A 3. a und b). Zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis im Sinne des § 539 BGB a.F. beziehungsweise des § 536 b Satz 2 BGB gehört, dass die Umstände, die auf eine Flächenabweichung hindeuten, den Verdacht eines dadurch begründeten Mangels besonders nahe legen und der Mieter dennoch ihm ohne weiteres zumutbare Nachforschungen unterlassen hat.
bd) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sich die Flächenabweichung der Klägerin hätte aufdrängen müssen. Die Wohnung war mit einer Größe von 40 Quadratmetern unstreitig in Zeitungsinseraten angeboten worden. Die Klägerin war nicht gehalten, der Beklagten als ihrer zukünftigen Vermieterin mit einem gewissen Misstrauen in deren Redlichkeit gegenüber zu treten. Sie konnte darauf vertrauen, dass die Beklagte die zutreffende Angabe der Wohnungsgröße in ihre Inserate aufgenommen hatte. Die Klägerin hatte unstreitig die Maklerin bei der Besichtigung der Wohnung nach der Größe gefragt. Damit hat sie sich in zumutbarer Weise nach der Wohnungsgröße informiert. Zwar hat nach übereinstimmendem Vortrag beider Parteien die Maklerin erklärt, dass sie die Wohnung nicht nachgemessen habe und sie nicht mehr dazu sagen könne, als das, was sich aus ihren Unterlagen ergebe. Die Beklagte hat nicht den Vortrag der Klägerin bestritten, dass die Maklerin in diesem Zusammenhang erklärt habe, dass die Wohnung modernisiert und dabei neu vermessen worden sei. Ein Hinweis auf eine Neuvermessung einer Wohnung nach einer Modernisierung erscheint für einen Mieter durchaus plausibel. Er kann davon ausgehen, dass es dem Vermieter darum gegangen ist, die genaue Wohnungsgröße festzustellen und zu diesem Zweck eine Vermessung vorzunehmen. Gerade der Hinweis auf eine Vermessung ist geeignet, einen aufkeimenden Zweifel an der Richtigkeit einer Größenangabe zu beschwichtigen. Wenn ein Vermieter aber einen – ahnungslosen – Makler mit bestimmten Informationen über die Mietsache ausstattet, kann er einem Mieter nicht den Vorwurf machen, dass dieser ihm nicht mit mehr Misstrauen entgegengetreten ist. Denn er hat durch sein Verhalten selbst die Ursache dafür gesetzt, dass dieser ihm ein Vertrauen entgegengebracht hat, dass sich später als nicht gerechtfertigt erweisen sollte. Die Beklagte behauptet, dass sie die Angaben über die Wohnungsgröße von einem am Bau beteiligten Handwerker erhalten habe. Wenn aber nicht einmal die Beklagte Anlass hatte, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln, kann der Klägerin nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie die Größenabweichung übersehen habe. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Beklagte – wie der Kammer aus zahlreichen Rechtsstreiten bekannt ist – seit Jahrzehnten mit der Vermietung von Wohnungen, sei es ihm eigenen Namen, sei es als Verwalterin für fremde Personen, befasst ist. Daraus kann nur geschlossen werden, dass die selbst der Beklagten entgangene Größenabweichung nicht so offensichtlich war, dass der Klägerin sie hätte in die Augen springen müssen. …
… Die Abrechnung vom 21. November 2003 ist fehlerhaft, weil bei dem Verteilerschlüssel, soweit er durch das Verhältnis der Wohnfläche zur Gesamtfläche bestimmt wird, die Fläche von 40 Quadratmetern zugrunde gelegt wird, während richtigerweise eine Fläche von 28,36 Quadratmetern hätte angesetzt werden müssen. Soweit die vereinbarte Fläche größer ist als die tatsächliche Fläche, müssen die Betriebskosten nach der tatsächlichen Fläche umgelegt werden. Gemäß § 556 a Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Betriebskosten nach der Wohnfläche umzulegen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Damit ist die tatsächliche Fläche gemeint (siehe dazu Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 a Rdnr. 28 ff.). Eine Abrechnung, die materiell fehlerhaft ist, kann auch von dem Mieter korrigiert werden. Fehler in einer Abrechnung haben nicht unbedingt zur Folge, dass der gesamte sich aus einer Abrechnung ergebende Anspruch eines Vermieters entfällt und der Vermieter gehalten wäre, eine erneute Abrechnung vornehmen. Vielmehr kann der Mieter die fehlerhaften Elemente korrigieren. …
05.05.2018