Leitsatz:
Die Anhebung von öffentlich-rechtlichen Mietobergrenzen und deren Veröffentlichung im Amtsblatt gibt dem Vermieter kein Recht zur einseitigen Erhöhung der Miete. Entsprechende Mietvertragsklauseln sind unwirksam. Das Mieterhöhungsverfahren richtet sich ausschließlich nach §§ 557 ff. BGB.
AG Lichtenberg, Urteil vom 29.8.07 – 3 C 183/07 –
Mitgeteilt von RA Alexander Ziemann
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere haben die Kläger ein rechtliches Interesse (§ 256 ZPO) daran, feststellen zu lassen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von den Klägern eine an den fortgeschriebenen Wert der Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau angepasste Mietzinszahlung zu verlangen. Die Beklagte fordert von den Klägern seit April 2006 eine erhöhte Miete aufgrund der Anpassung des im Amtsblatt für Berlin fortgeschriebenen Wertes der Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau und hat dieses Verlangen auch im Jahr 2007 erneuert. Hieraus resultiert für die Kläger eine andauernde Unsicherheit, mit etwaigen Leistungsbegehren der Beklagten – gegebenenfalls auch gerichtlich – konfrontiert zu werden.
Die Feststellungsanträge sind auch begründet.
1. Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Kläger auf Zahlung eines über den Betrag von 278,24 Euro hinausgehenden monatlichen Nettokaltmietzinses für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. März 2007 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Sie kann von den Klägern keinen Nettokaltmietzins in Höhe von 287,29 Euro für den vorgenannten Zeitraum verlangen, da eine Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Nettokaltmiete nicht erfolgt ist.
Unstreitig haben die Parteien einen Mietvertrag über die Wohnung der Beklagten im Hause K.-Str., Berlin geschlossen und darin eine monatliche Nettokaltmiete von 278,24 Euro vereinbart. Zwar belief sich der grundsätzlich vereinbarte Nettokaltmietzins auf 308,85 Euro. Nach § 3 Ziffer 1 i.V.m. § 4 Anlage 1 des Mietvertrages sollte sich dieser jedoch bei Vorlage eines Wohnberechtigungsscheines auf den zuerst genannten Betrag reduzieren. So lag es hier, da die Beklagten unstreitig über einen gültigen Wohnberechtigungsschein im Sinne der § 5 WoBindG, § 27 WoFG verfügen bzw. einen solchen vorgelegt haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser vertraglich vereinbarte Nettokaltmietzins nicht auf 287,24 Euro aufgrund des Schreibens vom 6. März 2006 wirksam erhöht worden. Denn der Beklagten steht kein Recht zur einseitigen Mieterhöhung zu.
Ein solches Recht resultiert vorliegend nicht aus § 10 WoBindG. Zwar sieht diese Vorschrift im Bereich des preisgebundenen Wohnraums die Befugnis des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung vor, wenn das Objekt mit öffentlichen Mitteln gefördert worden ist. Gleichwohl findet sie im vorliegenden Fall keine Anwendung, da es sich hier nicht um einen solchen Wohnraum handelt. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist die Sanierung des Hauses, in welchem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet, mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. Dennoch handele es sich um preisfreien, d.h. gerade nicht preisgebundenen Wohnraum.
Eine Anpassung des von den Klägern geschuldeten Mietzinses ergibt sich auch nicht unmittelbar daraus, dass die Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau nach Veröffentlichung im Amtsblatt für Berlin ab dem 1. April 2006 mit einem neuen Wert von 4,13 Euro je Quadratmeter fortgeschrieben worden ist. Denn die bloße Fortschreibung dieses Wertes hat keine unmittelbare Wirkung auf das Mietverhältnis. Ebenso wenig berechtigt sie zur Vornahme einer einseitigen Mieterhöhung. Denn der jeweils veröffentlichte Wert gibt lediglich die jeweilige Mietobergrenze an, die anzuwenden ist, wenn der betreffende Mieter einen gültigen Wohnberechtigungsschein vorgelegt hat. Soweit die Beklagte unter Beweisantritt behauptet, im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vorgaben zur einseitigen Mietanpassung berechtigt zu sein, ist dies unbeachtlich. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten richtet sich die Zulässigkeit der begehrten Mieterhöhung vorliegend allein nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (dazu gleich). Hieran ändert auch eine etwaige Auskunft der IBB sowie das Zeugnis der Mitarbeiterinnen der Beklagten nichts, da diese allenfalls Rechtsansichten wiedergeben könnten.
Eine Berechtigung der Beklagten zur Anpassung des Mietzinses an den fortgeschriebenen Wert der jeweils im Amtsblatt für Berlin veröffentlichten Durchschnittsmiete des ab dem Jahre 1970 mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialen Wohnungsbaus lässt sich auch den mietvertraglichen Bestimmungen nicht entnehmen. Die Beklagte kann eine solche insbesondere nicht aus § 3 Ziffer 5 des Mietvertrages i.V.m. § 4 Ziffer 1 Anlage 1 zum Mietvertrag ableiten. Es kann dahinstehen, ob die vorgenannten Klauseln des Mietvertrages überhaupt eine vertragliche Regelung enthalten, wonach es bei Fortschreibung der maßgeblichen Durchschnittsmiete keiner weiteren Zustimmung der Kläger bedurfte. Hieran bestehen bereits Zweifel, weil die Klausel nach objektiver Auslegung nicht zwingend in der Weise zu verstehen ist, dass die Beklagte aufgrund der Förderung mit öffentlichen Mitteln zur einseitigen Erhöhung der Miete befugt sein sollte und Unklarheiten bei der Auslegung von Klauseln im Sinne der §§ 305 ff. BGB zu Lasten des Verwenders gehen (§ 305 c Abs. 2 BGB). Denn in § 3 Anlage 1 zum Mietvertrag ist die Frage einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB ausdrücklich geregelt. Ferner sind Erhöhungen nach § 557 a und b BGB ausgeschlossen (§ 3 Ziffer 3 Anlage 1 zum Mietvertrag).
Doch selbst wenn man der Klausel einen entsprechenden Inhalt zuerkennen wollte, könnte die Beklagte ihr einseitiges Mieterhöhungsverlangen hierauf nicht stützen. Denn in diesem Fall wäre die vertragliche Bestimmung gemäß §§ 557 Abs. 4, 558 Abs. 6 BGB unwirksam, weil hiernach zum Nachteil der Kläger von den materiellen und formellen Mieterhöhungsvoraussetzungen der §§ 557 bis 561 BGB abgewichen, d.h. der Mieter unangemessen benachteiligt würde. Die Regelung würde zunächst von den Bestimmungen der §§ 557 ff. BGB abweichen. Grundsätzlich finden auf mietvertragliche Regelungen zur Miethöhe die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 557 bis 581 BGB) Anwendung. Zwar wurden ausweislich der Anlage 1 zum Mietvertrag und des zum Grundstück vorliegenden Fördervertrages die Sanierungsmaßnahmen für die streitgegenständliche Wohnung mit öffentlichen Mitteln gefördert. Dennoch handelt es sich – wie bereits ausgeführt – um preisfreien Wohnraum, bei dem Mieterhöhungen nur unter Beachtung der materiellen und formellen Voraussetzungen des BGB zulässig sind (BGH, NJW-RR 2007, 667; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., vor § 557 Rn. 43), da die Förderung der Modernisierungsarbeiten außerhalb des Sozialen Wohnungsbaus durch vertragliche Vereinbarung zwischen dem Land Berlin als Förderungsgeber und der Grundstückseigentümerin als Förderungsnehmer mit Vereinbarung einer höchstzulässigen Miete und einschränkenden Bestimmungen zum Mieterhöhungsrecht erfolgte (vgl. Kunze/Tietzsch, Miethöhe und Mieterhöhung, Kap. II Rn. 606). Die in § 4 Ziffer 1 der Anlage 1 zum Mietvertrag enthaltene Regelung stellt – bei entsprechender Auslegung – eine Mietanpassungsklausel dar und weicht von den insoweit maßgeblichen Bestimmungen der §§ 557 ff. BGB ab, weil künftige Mieterhöhungen gemäß § 557 Abs. 2 BGB nur als Staffelmiete (§ 557 a BGB) oder als Indexmiete (§ 557 b BGB) vereinbart werden können. Unter einer Mietanpassungsklausel wird jede vertragliche Vereinbarung verstanden, nach der sich die Höhe des Mietzinses für die Zukunft erhöht. Dies träfe vorliegend zu, weil die Beklagte berechtigt wäre, die ursprünglich vereinbarte monatliche Nettokaltmiete von 4,00 Euro je Quadratmeter bzw. von insgesamt 278,24 Euro je nach Fortschreibung der Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau zu erhöhen. Die Klausel entspricht jedoch nicht den Anforderungen der §§ 557 a und b BGB. Eine Auslegung als Staffelmietvereinbarung (§ 557 a BGB) scheidet bereits deshalb aus, weil weder der Zeitpunkt der Erhöhung noch der Erhöhungsbetrag genau bestimmt sind. Ebenso wenig lagen die Anforderungen des § 557 b BGB vor. Zwar beinhaltet die Klausel bei der hier unterstellten Auslegung eine sogenannte Mietgleitklausel. Darunter werden Regelungen verstanden, nach denen sich die Höhe der Miete mit der Änderung einer bestimmten, von den Parteien gewählten Bezugsgröße verändern soll (Schmidt-Futterer/Böstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 557 b Rn. 13). Die vorliegende Klausel sähe bei entsprechender Auslegung als eine solche Bezugsgröße die Entwicklung der Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau vor, wobei die Erhöhung zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt eintreten soll, ohne dass die Klägerin die Erhöhung in einer der Textform entsprechenden Mitteilung oder in einem Zustimmungsverlangen unter Beachtung des § 558 BGB erklären müsste. Als solche ist sie gemäß § 557 b Abs. 4 i.V.m. § 557 Abs. 4 BGB unwirksam. Denn hiernach sind nur solche Vereinbarungen wirksam, nach denen die Entwicklung der Miete durch die Änderung eines vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltungskosten aller privaten Haushalte in Deutschland bestimmt wird. Die vorliegende Klausel würde hiervon abweichen, weil sie als Bezugsgröße für die Mietanpassung die im Amtsblatt von Berlin veröffentlichte Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau bestimmt.
Die Klausel würde ferner zum Nachteil der Kläger vom Zustimmungserfordernis abweichen. Denn die Beklagte könnte nach Maßgabe der §§ 558 ff. BGB und mangels Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 557 ff. BGB Mieterhöhungen nur mit Zustimmung der Kläger verlangen. Die Zustimmung im Vergleichsmietverfahren ist Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit, das nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Bereich des preisfreien Wohnraums nicht nur für die Einigung über die Höhe der Miete bei Vertragsschluss, sondern auch bei der Erhöhung der Miete während des laufenden Mietverhältnisses gelten soll. Das damit grundsätzlich nicht zu vereinbarende Recht des Vermieters zur einseitigen Erhöhung der Miete nach § 10 WoBindG ist demgegenüber Ausdruck der strengen staatlichen Reglementierung der Miethöhe im Bereich des preisgebundenen Wohnraums (BGH, NJW-RR 2007, 667, 668).
Die vorstehenden Abweichungen wären auch zum Nachteil der Kläger. Maßgeblich für die Annahme der Unwirksamkeit nach §§ 557 Abs. 4, 558 Abs. 6 BGB ist, ob dem Vermieter durch die Klausel eine objektiv günstigere Rechtsstellung eingeräumt wird, als er sie bei Beachtung der materiellen und formellen Beschränkungen des BGB hätte (OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 1357). Nicht maßgeblich ist das Ergebnis der Auswirkungen der Vereinbarung im konkreten Einzelfall (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Auflage, § 557 Rn. 65). Dabei sind Regelungen, die Einfluss auf die künftige Miethöhe haben und dazu führen, dass der Vermieter einseitig und unter Außerachtlassung der §§ 557 ff. BGB die Miete erhöhen kann, unwirksam (vgl. BGH, NZM 2005, 735; BGH, NZM 2004, 136; LG Berlin, GE 2003, 394).
Dies betrifft insbesondere Regelungen, welche die Anforderungen an Form und Begründung der Erhöhung senken (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Auflage, § 557 Rn. 69). Unwirksam sind dementsprechend Klauseln, die eine automatische Anpassung ohne Erhöhungsschreiben vorsehen (LG Berlin, NZM 2002, 947, 948; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 557 b Rn. 58). Die vorliegende Klausel in § 4 Ziffer 1 der Anlage zum Mietvertrag sähe für den Fall der oben unterstellten Auslegung eine Mieterhöhung in automatischer Anpassung der Nettokaltmiete an die Entwicklung der Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau vor, ohne dass die Beklagte für den Eintritt der Mieterhöhung eine vorherige Mitteilung in Textform und unter Angabe der für die Erhöhung maßgeblichen Gründe nach § 557 b Abs. 3 BGB oder ein Zustimmungsverlangen nach § 558 Abs. 1 BGB an die Klägerin abgegeben müsste.
Schließlich wäre eine Mietanpassung im Sinne des § 558 BGB ab dem 1. April 2006 auch vor dem Hintergrund des § 3 Ziffer 1 Anlage 1 des Mietvertrages unwirksam.
2. Die Beklagte hat auch keinen Anspruch gegen die Kläger auf Zahlung eines über den Betrag von 278,24 Euro hinausgehenden monatlichen Nettokaltmietzinses für den Zeitraum vom 1. April 2007 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Sie kann von den Klägern keinen Nettokaltmietzins in Höhe von 295,63 Euro verlangen, da sie aus den vorgenannten Gründen weder eine einseitige Erhöhung der Miete vornehmen konnte noch die Kläger einer Erhöhung zugestimmt haben. Darüber hinaus würde es an einem wirksamen Zustimmungsverlangen fehlen, da die Beklagte in ihrem Schreiben vom 26. März 2007 von einer Nettokaltmiete von 287,29 Euro ausgeht, diese jedoch tatsächlich 278,24 Euro beträgt (LG Berlin, GE 2000, 473 ff.). …
04.05.2017