Leitsatz:
Es kann an dem für einen Zahlungsverzug notwendigen Verschulden fehlen, wenn der Mieter wegen eines Rechtsirrtums die Miete nicht zahlt.
LG Berlin, Urteil vom 22.2.07 – 62 S 277/05 –
Mitgeteilt von RA Martin Kirsch
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
„… Gemäß § 286 Abs. 4 BGB kommt ein Mieter nicht in Verzug, solange die Zahlung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Insoweit war zu berücksichtigen, dass der Kläger sich in Anbetracht der Höhe der von ihm verauslagten Kosten für die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden für berechtigt hielt, auch noch die Mieten für Juli, August und September 2004 einzubehalten.
Das in früherer Zeit geltende Mieterschutzgesetz enthielt eine spezielle Regelung für den Fall des unverschuldeten Rechtsirrtums. Nach § 3 Abs. 2 MSchG war eine Mietaufhebung wegen Zahlungsverzugs ausdrücklich ausgeschlossen, „… wenn der Verzug auf Unkenntnis des Mieters über den Betrag oder den Zeitpunkt der Fälligkeit des Mietzinses oder auf irrige Annahme eines Aufrechnungs-, Minderungs-, oder Zurückbehaltungsrechts zurückzuführen ist, es sei denn, dass die Unkenntnis oder der Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht.“
Diese Regelung ist nicht ins BGB übernommen worden. Gleichwohl ist sie im Rahmen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zu beachten, weil sie den allgemein anerkannten Grundsatz wiedergibt, dass mangels Verschulden kein Verzug vorliegt, wenn sich der Mieter in einem schuldlosen Irrtum über seine Zahlungspflicht befindet (zum Vorstehenden Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB, Rz 100 – 102). Nach Auffassung von Blank (Schmidt-Futterer, a.a.O.) ist bei der Bestimmung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zugunsten des Mieters ein großzügiger Maßstab anzulegen. Der aus dem Schadensrecht stammende Satz, dass das Risiko einer fehlerhaften Beurteilung der Rechts- oder Sachlage stets zu Lasten des Schuldners gehe, gilt im Rahmen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB nicht.
Damit trifft den Kläger auch insoweit kein Verschulden, als die für die Ersatzvornahme erforderlichen Aufwendungen nicht den vom Zeugen K. in Rechnung gestellten Betrag erreichen. Der Kläger durfte hinsichtlich der Erforderlichkeit der Aufwendungen auf den Kostenvoranschlag und die Rechnung des Zeugen K. vertrauen. So ist für die Frage der Erstattungspflicht des Vermieters anerkannt, dass der Mieter ohne besondere Anhaltspunkte für eine überhöhte Rechnung des Handwerkers diese akzeptieren darf (Schmidt-Futter/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 536 a BGB, Rz 137). Für die Frage des Verschuldens im Rahmen des § 286 BGB aber kann kein anderer Maßstab gelten. …“
23.02.2013