Leitsatz:
Die Tatsche, dass die Mieterin ein Kind bekommen hat und nunmehr mit ihrem Lebensgefährten in einer größeren Wohnung zusammenlebt, stellt keinen wichtigen Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB dar, der zur fristlosen Kündigung der bisherigen kleinen Wohnung berechtigen würde. Ein solcher wichtiger Grund muss sich nämlich aus dem Vertragsverhältnis ergeben; der wichtige Grund muss aus dem Risikobereich des Kündigungsempfängers herrühren, und der Kündigungsempfänger muss konkrete Pflichtverletzungen begangen haben.
AG Neukölln, Schlussurteil vom 2.11.06 – 4 C 255/06 –
Mitgeteilt von RAen Christoph Müller & Ernst Warner
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Beklagte zu 1) konnte das Mietverhältnis auch nicht außerordentlich gemäß § 543 Abs. 1 BGB kündigen. Zwar ist davon auszugehen, dass sich der Kündigungsausschluss in § 2 Nr. 1 a des Mietvertrags nur auf den Ausschluss der ordentlichen Kündigung bezog, das außerordentliche Kündigungsrecht der Beklagten zu 1) also weiterhin besteht. Ein außerordentlicher Kündigungsgrund liegt jedoch nicht vor. Die Tatsache, dass die Beklagte ein Kind bekommen hat, weshalb die Wohnung nun möglicherweise zu klein geworden ist, stellt keinen wichtigen Grund im Sinne von § 543 Abs.1 BGB dar. Ein solcher wichtiger Grund muss nämlich aus dem Bereich des Risikoempfängers herrühren; der Kündigungsempfänger muss konkrete Pflichtverletzungen begangen haben (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 64. Aufl., § 543 Rn. 5; Schmidt/Futterer, Kommentar zum Mietrecht, Aufl. § 543 Rn. 150). Dies ist hier nicht der Fall. Die von der Beklagten zu 1) angegebenen Gründe für die außerordentliche Kündigung stammen aus ihrer Risikosphäre.
Auch aus einem Wegfall der Geschäftsgrundlage in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich kein Anspruch der Beklagten zu 1), aus dem Mietvertrag vorzeitig entlassen zu werden. Der Vermieter ist nur dann verpflichtet, den Mieter vorzeitig aus dem Wohnungsmietvertrag zu entlassen, wenn das berechtigte Interesse des Mieters an der Aufhebung dasjenige des Vermieters am Bestand des Vertrages ganz erheblich übersteigt und wenn der Mieter dem Vermieter einen geeigneten Nachmieter benennt, der bereit ist, in den Mietvertrag einzutreten (Emmerich/Sonnenschein, Miete Handkommentar, 8. Aufl., § 537 Rn. 11 ff). Letzteres war vorliegend nicht der Fall. Denn im Rahmen der vom Kläger durchgeführten Bonitätsprüfung des Nachmieters hatte sich ergeben, dass der von der Beklagten zu 1) benannte Nachmieter einen Schufa-Eintrag hatte; ein Bürge stand zunächst nicht zur Verfügung, ein später benannter Bürge reagierte nicht auf Schreiben des Klägers. Da der Vermieter das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Nachmieters trägt, ist er berechtigt, den Nachmieter abzulehnen, wenn wie hier dessen Zahlungsfähigkeit nicht sichergestellt ist. …
04.02.2013