Leitsätze:
Schriftformklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für Vertragsänderungen (Mieterhöhungen) konstitutiv die Einhaltung der Schriftform fordern, verstoßen gegen § 305 b BGB und sind gemäß § 307 BGB unwirksam.
LG Berlin, Urteil vom 29.10.07 – 67 S 413/06 –
Mitgeteilt von RA Jörg Grützmacher
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat über die bereits erfolgte Teilzustimmung hinaus Anspruch auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung, § 558 Abs. 1 BGB.
1. Der Einwand der Beklagten, das Amtsgericht sei zu Unrecht von der formellen Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens ausgegangen, greift nicht durch.
Zwar trifft es zu, dass in § 9 a) des Mietvertrages vom 4.12. 1970 vereinbart ist, dass Änderungen des Vertrages einer schriftlichen Vereinbarung bedürfen. Dies betrifft gemäß § 127 Abs. 1 BGB im Zweifel die Schriftform des § 126 BGB.
Richtig ist auch, dass das hier streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen vom 21.2.2006 die Anforderungen der Schriftform des § 126 BGB mangels einer eigenhändigen Namensunterschrift nicht erfüllt, wohl aber den Anforderungen der Textform des § 558 a Abs. 1 BGB, § 126 b BGB genügt. Die Erklärung ist in einer Urkunde enthalten, nämlich dem Schreiben vom 21.2.2006. In ihr ist die Person des Erklärenden genannt und es ist in anderer Form als durch Abbildung einer Namensunterschrift, nämlich durch die Grußformel und die abschließende Angabe der Namen des Geschäftsführers und der Geschäftsbereichsleiterin der …-GmbH der Abschluss der Erklärung erkennbar.
Dennoch ist das Mieterhöhungsverlangen formwirksam.
Die in Ziffer 9 a) des Mietvertrages enthaltene Schriftformabrede führt nicht zur Unwirksamkeit des Erhöhungsverlangens. Diese in dem ursprünglichen Mietvertrag, in den die Klägerin hier unstreitig als Vermieterin eingetreten ist, enthaltene Regelung ist schon der äußeren Form nach eine allgemeine Geschäftsbedingung, die schon nach ihrem Aufbau und Inhalt für eine Vielzahl von Verträgen genutzt wurde, § 305 BGB. Schriftformklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für Vertragsänderungen konstitutiv die Einhaltung der Schriftform fordern, verstoßen gegen § 305 b BGB und sind gemäß § 307 BGB unwirksam (BGH NJW 1991, 1751; 1995, 1488; 2001, 292; LG Berlin GE 2005, 1432 [1433]; Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht Kommentar, 9. Auflage 2007, zu § 558 a BGB, Rn. 9).
Der Bundesgerichtshof hat in verschiedenen Entscheidungen gleichlautend auf die gefestigte Rechtsprechung dahingehend verwiesen, dass Schriftformklauseln nicht schlechthin gemäß § 9 AGBG (a.F.) unwirksam sind. Ihre Wirksamkeit hängt vielmehr von der Ausgestaltung und dem Anwendungsbereich der konkreten Klausel ab. Unwirksam ist eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, insbesondere nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie bei dem anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine lediglich mündliche Abrede sei entgegen den allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam (BGH Urteil vom 15.5.1991 -VIII ZR 38/90 -, Rn. 36; BGH Urteil vom 15.2.1995 -VIII ZR 93/94 -, Rn. 19; BGH Urteil vom 27.9.2000 – VIII ZR 155/99 -, Rn. 25).
Der Inhalt der vorliegenden Klausel lautet: „Änderungen des Vertrages bedürfen schriftlicher Vereinbarung.“ Konstitutiv ist das Formerfordernis, wenn die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts von der Einhaltung der Form abhängen soll. Soll demgegenüber nur ein Anspruch auf schriftliche Festlegung der (gegebenenfalls mündlich) getroffenen Vereinbarung bestehen, liegt eine deklaratorische Form vor. Hier spricht aber schon der Wortlaut mit der Verwendung des Wortes „bedürfen“ für die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung. Da das Gesetz seit dem 1.9.2001 für das Zustimmungsverlangen die Textform als besondere Form vorschreibt, §§ 558 a, 126 b BGB und für die Zustimmung der Mieter gemäß § 558 b BGB keine besondere Form vorschreibt, entsteht so bei dem betroffenen Mieter der Eindruck, dass trotz dieser Gesetzeslage aufgrund der vertraglichen Bestimmung die in der Veränderung des Mietpreises liegende Vertragsänderung der Schriftform unterliegt. Sie stellt sich daher aus der Sicht des Mieters als bindende Regelung dar, deren Nichteinhaltung zwangsläufig zur Unwirksamkeit anderer, auch mündlicher Änderungsvereinbarungen, etwa zu einer dem Mieter günstigen Mietpreisreduzierung, führen würde. Dies benachteiligt den Mieter unangemessen.
Aus diesem Grunde bedurfte hier das Erhöhungsverlangen, da der Vertrag im Übrigen nicht den Formanforderungen des § 550 BGB unterliegt, sondern auf unbestimmte Zeit geschlossen ist, nicht der Schriftform. …
02.01.2017