Leitsatz:
Das Zurückbehaltungsrecht begründet ein Leistungsverweigerungsrecht, jedoch kein Recht, eine geleistete Zahlung zurückfordern zu können, und zwar auch dann nicht, wenn die Leistung unter Vorbehalt erbracht worden ist.
LG Berlin, Urteil vom 21.8.08 – 67 S 147/08 –
Mitgeteilt von RA Matthias Tüxen
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Klägerin hat die Beklagten auf Räumung und Herausgabe sowie auf Zahlung von 718,19 Euro in Anspruch genommen. Nach Zustellung der Klage am 19. Oktober 2007 haben die Beklagten am 28. Oktober 2007 einen Betrag von 750 Euro an die Klägerin „unter Vorbehalt“ überwiesen.
Die Parteien haben den Zahlungsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagten haben im Wege der Widerklage von der Klägerin die Rückzahlung der 750 Euro beansprucht. …
a) Die Beklagen können ihren Anspruch auf Rückzahlung der Miete auch nicht damit rechtfertigen, dass ihnen wegen Mängeln der Mietsache die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB zustehe, die eine Zurückhaltung der Miete zusätzlich zur Minderung in Höhe des drei- bis fünffachen Minderungsbetrages rechtfertigen könnte. Die Erhebung einer solche Einrede in einem Rechtsstreit führt nicht zur Abweisung der Forderung in Höhe des berechtigterweise zurückgehaltenen Betrages, sondern nur gemäß § 322 BGB zur Verurteilung Zug um Zug gegen Beseitigung der im einzelnen näher bezeichneten Mängel. Werden die Mängel beseitigt, müssen die zurückgehaltenen Beträge nachgezahlt werden.
b) Wird die Miete trotz bestehender Einrede des nicht erfüllten Vertrages in Höhe eines Betrages gezahlt, der die Minderung übersteigt, dann kann dieser Betrag nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zurückgefordert werden. Denn die Leistung ist zur Erfüllung einer Verbindlichkeit erbracht worden. Ein solcher Anspruch wird durch § 813 BGB nicht ermöglicht. Gemäß § 813 BGB kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete auch dann zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch eine Einrede entgegensteht, durch die die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen ist. Vorübergehende Einreden genügen demnach nicht (BGH NJW 1982, 1587).
Ein Leistungsverweigerungsrecht stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur eine vorübergehende Einrede dar. Eine Leistung trotz eines Leistungsverweigerungsrechts begründet keinen Anspruch aus § 813 BGB. Dies ist bei der Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320 BGB der Fall. Sie ist ein Druckmittel, um in einem synallagmatischen Schuldverhältnis den Gläubiger zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung anzuhalten. Wenn er dieser Verpflichtung nachkommt, kann er seinen eigenen Anspruch wieder ungeschmälert durchsetzen. Eine solche Einrede rechtfertigt keinen Anspruch aus § 813 Abs. 1 BGB (Staudinger/S. Lorenz, (2007) BGB, § 813 Rdnr. 6).
c) Der Anspruch auf Rückzahlung ist nicht deswegen begründet, weil die Beklagten einen Vorbehalt erklärt haben. Der Vorbehalt ist nicht geeignet, ihnen im Falle des Bestehens der Einrede des nicht erfüllten Vertrags die Wirkung der Erfüllung der Mietforderungen auszuschließen und ihnen damit einen Anspruch auf Rückzahlung zu erhalten. Wäre dies der Fall, dann hätten die Beklagten mit ihrer Zahlung nicht erreichen können, dass die von der Klägerin mit Schreiben vom 30. August 2007 wegen der Mietrückstände unter Berufung auf § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b) BGB erklärte fristlose Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB hätte unwirksam werden können. Die Herbeiführung dieser Rechtswirkung lag im dringenden Interesse der Beklagten. Sie wollten die Erfüllung der Forderungen der Klägerin erreichen, um die fristlose Kündigung unwirksam werden zu lassen. Der von ihnen erklärte Vorbehalt bezog sich nur auf den Fall, dass die Mietforderungen nicht oder nicht in der geschuldeten Höhe bestehen sollten. Mietforderungen bestehen aber auch dann, wenn sie nur mit einer vorübergehend Einrede behaftet sind. …
03.02.2013