Leitsatz:
Wird der Zwangsverwalter zum 21.11. eines Jahres bestellt und gelingt es ihm nicht, dem Mieter die Abrechnung über das Vorjahr bis zum 31.12. zukommen zu lassen, ist er mit Betriebskostennachforderungen ausgeschlossen.
AG Dortmund vom 24.2.2010 – 427 C 10952/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 21.11.2008 bestellte Zwangsverwalter rechnete die Heiz- und Nebenkosten für 2007 mit Schreiben vom 19.3.2009 ab. Die Abrechnung ergab eine Nachforderung, die zu zahlen der Mieter sich weigerte, weil nach seiner Ansicht die einjährige Abrechnungsfrist des § 556 BGB verstrichen sei.
Der Zwangsverwalter verteidigte sich damit, dass er die verspätete Geltendmachung der Nachforderung nicht zu vertreten habe. Der Eigentümer und Vermieter habe die Abrechnung bis zur Beschlagnahme im November 2008 nicht durchgeführt, obwohl von der Abrechnungsfrist zu diesem Zeitpunkt schon gut elf Monate verstrichen waren. Auch lagen ihm im Zeitpunkt der Beschlagnahme die entsprechenden Unterlagen nicht vor.
Das Amtsgericht Dortmund gab jedoch dem Mieter recht: Auch der Zwangsverwalter unterliege der betriebskostenrechtlichen Ausschlussfrist in § 556 Absatz 3 BGB. Dass seine Bestellung erst zum Ende der Abrechnungsfrist erfolgt, entschuldige eine Fristversäumnis noch nicht.
Dass der Eigentümer und Vermieter ihm offenbar die entsprechenden Unterlagen nicht überlassen habe, müsse sich der Zwangsverwalter zurechnen lassen. Als Zwangsverwalter werde er in Bezug auf Rechte und Pflichten aus Mietverhältnissen, die zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bestanden, gemäß § 152 Absatz 2 ZVG wie der Vermieter behandelt.
Es entschuldige den Zwangsverwalter auch nicht, dass der Mieter ihm auf sein Aufforderungsschreiben keine Antworten und Auskünfte erteilt habe, da es die Pflicht des Vermieters und daher hier des Zwangsverwalters gemäß § 152 Absatz II ZVG und nicht des Mieters war, eine fristgerechte Abrechnung über die Betriebskosten zu erstellen.
Urteilstext
Zum Sachverhalt:
Mit Beschluss des AG Dortmund vom 21.11.2008 wurde die Kl. zur Zwangsverwalterin des Grundbesitzes bestellt. Die Kl. rechnete Heiz- und Nebenkosten für 2007 mit Schreiben vom 19.3.2009 ab. Soweit die Bekl. sich vorprozessual bereits auf Versäumung der Ausschlussfrist des § 556 Absatz III 3 BGB berufen hat, meint die Kl., dass sie diese Frist nicht schuldhaft versäumt habe.
Die (u.a.) auf Nachzahlung von gut 600 Euro gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Zunächst ist das Gericht der Ansicht, dass ein Anspruch der Kl. auf eine Nachforderung aus der Heiz- und Nebenkostenabrechnung für das Kalenderjahr 2007 gem. § 556 Absatz III 2, 3 BGB ausgeschlossen ist, da sie erst nach Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums der bekl. Mieterin übermittelt wurde. Die Kl. war als Zwangsverwalterin des Grundstücks auf Grund des Mietvertrags i.V. mit § 152 ZVG verpflichtet, über die Betriebskosten für das Jahr 2007 abzurechnen. Diese Pflicht zur Abrechnung bezieht sich nicht nur auf die bei Bestellung zum Zwangsverwalter laufenden Betriebskosten, sondern auch auf zurückliegende Abrechnungszeiträume, soweit die entsprechenden Abrechnungen fällig und noch nicht erledigt sind (BGH, NZM 2003, Seite 473 = WuM 2003, Seite 390; NZM 2006, Seite 581 = WuM 2006, Seite 402; Langenberg, NZM 2005, Seite 51 [Seite 54]). Vorliegend hat die Kl. jedoch die Abrechnung für 2007 erst im März 2009 der Bekl. übermittelt. Tatsächlich hätte die Abrechnung für 2007 jedoch gem. § 556 Absatz III 2 BGB bei einem Abrechnungszeitraum 1.1. bis 31.12. eines jeden Jahres spätestens bis zum 31.12.2008 erfolgen müssen.
Die Kl. kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie die verspätete Geltendmachung der Nachforderung nicht zu vertreten hat. Der Eigentümer und Vermieter hat die Abrechnung bis zur Beschlagnahme im November 2008 nicht durchgeführt, obwohl von der Abrechnungsfrist zu diesem Zeitpunkt schon gut elf Monate verstrichen waren. Die Kl. kann sich nicht dadurch entschuldigen, dass ihr etwa im Zeitpunkt der Beschlagnahme die entsprechenden Unterlagen nicht vorlagen. Der Eigentümer und Vermieter als Zwangsvollstreckungsschuldner hätte ihr die entsprechenden Unterlagen überlassen müssen. Dass dieser dies offenbar nicht getan hat, muss sich die Kl. als Zwangsverwalterin zurechnen lassen. Als Zwangsverwalterin wird sie in Bezug auf Rechte und Pflichten aus Mietverhältnissen, die zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bestanden, gem. § 152 Absatz II ZVG wie der Vermieter behandelt (BGH, NZM 2006, Seite 581 = WuM 2006, Seite 402).
Es entschuldigt sie als Zwangsverwalterin auch nicht, dass die Mieter, hier speziell die Bekl., ihr auf ihr Aufforderungsschreiben keine Antworten und Auskünfte erteilt haben, da es die Pflicht des Vermieters und daher hier der Kl. gem. § 152 Absatz II ZVG und nicht der Bekl. als Mieterin war, eine fristgerechte Abrechnung über die Betriebskosten zu erstellen.
Die Kl. entschuldigt es auch nicht, dass die Zwangsverwaltung erst kurze Zeit vor Ablauf der Abrechnungsfrist angeordnet wurde und sie deshalb die entsprechenden Unterlagen nicht rechtzeitig hat erlangen können. Für den Zwangsverwalter gilt nach Ansicht des Gerichts kein erleichterter Verschuldensmaßstab, wenn die Beschlagnahme des Grundstücks erst kurz vor Ablauf des Abrechnungszeitraums des § 556 Absatz III 2 BGB erfolgt (wie hier Schmid, DWW 2004, Seite 288 [Seite 291]; AG Dortmund, WuM 2007, Seite 697; LG Berlin, GE 2005, Seite 57; a.A. Drasdo, NJW 2005, Seite 1549 unter Hinw. auf AG Zwickau, Rpfleger 2005, Seite 101). Insoweit muss sich der Zwangsverwalter den bisher vom Vermieter und Eigentümer nicht genutzten Zeitraum zur Abrechnung ebenso zurechnen lassen wie etwaige Versäumnisse hinsichtlich der rechtzeitigen Besorgung von notwendigen Unterlagen durch den Vermieter und Eigentümer.
Darüber hinaus stehen auch Sinn und Zweck des § 556 Absatz III 3 BGB und des § 152 Absatz II ZVG entgegen, da es Zweck des § 556 Absatz III 3 BGB ist, dem Mieter Abrechnungssicherheit zu geben, dass er nach Ablauf der Frist nicht mehr mit Nachforderungen überzogen wird, um Streit zu vermeiden und dass allenfalls nicht in der Sphäre des Vermieters liegende Umstände ausnahmsweise eine Fristüberschreitung rechtfertigen können, und § 152 Absatz II ZVG zum Schutz des Mieters bestimmt, dass der Zwangsverwalter die Pflichten des Vollstreckungsschuldners – des Vermieters – aus dem Mietvertrag zu erfüllen hat, d.h. der Mieter infolge der Anordnung der Zwangsvollstreckung nicht schlechter stehen soll.
Soweit für eine Erleichterung des Verschuldensmaßstabs des Zwangsverwalters angeführt wird, dass es für diesen in der Praxis oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, die Abrechnungen fristgerecht zu erstellen, z.B. Vorenthalten von Unterlagen durch den Eigentümer, vermögen nach Ansicht des Gerichts derartige praktische Schwierigkeiten keine vom Schutzzweck und damit zu Lasten des Mieters abweichende Beurteilung zu rechtfertigen (wie hier AG Dortmund, WuM 2007, Seite 697).
31.01.2013