Leitsatz:
Der Mieter – oder ein von ihm beauftragter Dritter- darf bei der Einsichtnahme von Betriebskostenbelegen in den Räumen des Vermieters die Belege mit einer Digitalkamera abfotografieren.
LG Berlin vom 10.09.2010 und vom 5.10.2010 – 65 S 274/10 –
Mitgeteilt von RAin Gabriele Wiedemann
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Zwar hat der Mieter kein Recht, die Originalbelege des Vermieters mit nach Hause zu nehmen, er darf sie aber abschreiben. Hierbei ist kein Grund ersichtlich ist, warum dies nicht in technisch einfacherer Form durch Fotokopie oder Fotografie erfolgen darf, sofern der Vermieter hierdurch nicht mit (Strom-)Kosten belastet wird. Kann oder will der Mieter jedoch die Belegeinsicht nicht selbst vornehmen, darf er dies durch eine beauftragte Person vornehmen lassen. Dies muss nicht notwendig diejenige Person sein, die auch die inhaltliche Prüfung vornehmen kann.
Urteilstext
Hinweisbeschluss:
… Zu Recht und frei von Rechtsfehlern hat das Amtgericht den Anspruch auf Einsichtnahme in die Belege über die Nebenkostenabrechnung für 2007 bejaht und auch festgestellt, dass dafür die Berechtigung besteht, die Belege mit eigenen digitalen Geräten zu kopieren.
Allein die Nichtwahrnahme eines angebotenen Einsichtstermins lässt den Anspruch nicht untergehen. Die Voraussetzungen für einen an sich nur im Vertragswege zu vereinbarenden Verzicht liegen damit keinesfalls vor. Ein möglicher Verzug mit der Einsichtnahme allein lässt den Anspruch nicht untergehen. Es steht jedenfalls hier deshalb der Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen, weil die Beklagte jetzt nicht mehr zur Erfüllung bereit ist. Es hätte ihr freigestanden, den Anspruch ggf. sofort anzuerkennen.
Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund eines längerfristigen Verhaltens der Klägern bei der Beklagten berechtigter Weise der Eindruck entstanden wäre, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht mehr geltend machen werde und die Beklagte sich darauf eingestellt hat, so dass die späte Geltendmachung deshalb eine unbillige Härte für sie darstellen würde.
Bereits eine unbillige Härte ist für die Beklagte nicht gegeben. Denn die Einräumung der Möglichkeit zur Belegeinsicht einschließlich der Fertigung von Kopien stellt keine nennenswerte Belastung für sie dar.
Der Anspruch der Klägerin erfasst auch die Fertigung von Kopien der Belege durch sie oder einen von ihr beauftragten Dritten. Denn die Einsichtnahme dient der Prüfung der Abrechnung, diese umfasst nicht nur die Ansicht der Belege, sondern ihre Zurkenntnisnahme in einer so intensiven Weise, dass auch ihre inhaltliche Prüfung und deren Abstimmung mit der Abrechnung möglich ist. Das kann im Einzelfall einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, insbesondere wenn ein Vergleich mit früheren Abrechnungen vorgenommen werden soll oder Unklarheiten bzw. rechtlich streitige Fragen zu prüfen sind. Aus diesem Grunde darf der Mieter sich Notizen machen, die Belege abschreiben (vgl. dazu Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 5. Aufl., Seite 312) oder die Belege kopieren, um die Prüfung dann ggf. später fortzusetzen. Auch steht es dem Mieter frei, nur einzelne oder alle Belege zu kopieren. Ob er dabei technische Geräte verwendet, bleibt ihm überlassen, soweit die Beklagte auf diese Weise nicht unzuträglich beeinträchtigt ist. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn dazu digitale Geräte benutzt werden, für die die Beklagte selbst nicht einmal Strom zur Verfügung stellen muss.
Aus der Entscheidung des BGH (VIII ZR 78/05), wonach der Mieter preisfreier Wohnungen sich nicht auf die in ihrem Anwendungsbereich auslaufende Regelung in § 29 Abs. 1 NMV stützen könne, nach der Vermieter gegen Kostenerstattung Kopien von Belegen übersenden müssen, ergibt sich nicht, dass der Mieter preisfreier Wohnungen sich auch nicht selbst entsprechende Fotokopien fertigen dürfe. Auch wenn der Vermieter hier nur zum – geordneten – Vorlegen in seiner Verwaltung verpflichtet ist, bedeutet das nicht, dass der Mieter selbst sich ihm bietende Hilfen zum Kopieren dieser zu präsentierenden Belege nicht nutzen darf. Eins solche Einschränkung ergibt sich bei fehlender Beeinträchtigung des Vermieters hierdurch unter keinem Gesichtspunkt. Daran ändert auch die in der Berufung zitierte Auffassung von Bieber, GE 2010, 234, nichts. Die dort gezogenen Schlussfolgerungen lassen sich aus den vorstehenden Ausführungen aus dem Urteil des BGH nicht ziehen. Die vom BGH gewählte Formulierung, wonach der Mieter preisfreien Wohnraums keinen Anspruch auf Überlassung von Fotokopien habe, meint ersichtlich die Überlassung im Sinne der Übergabe von Fotokopien durch den Vermieter, nur diese Frage lag dem BGH zur Entscheidung vor. …
Aus dem Beschluss vom 5.10.2010:
… Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die Ansicht vertritt, dass gerade das Recht des Mieters, das Einsichtsrecht durch sachkundige Dritte vornehmen zu lassen, das Recht zum abfotografieren ausschlösse, folgt die Kammer dem nicht.
Selbstverständlich besteht, wie die Beklagte ausführt, kein Recht des Mieters, die Originalbelege des Vermieters mit nach Hause zu nehmen. Da es immer vielgestaltige Lebensumstände gibt und die Klägerin hier etwa angibt, aufgrund ihres Alters die Belegeinsicht nicht selbst vornehmen zu können, darf sie dies durch eine beauftragte Person vornehmen lassen. Dies muss nicht notwendig diejenige Person sein, die auch die inhaltliche Prüfung vornehmen kann, so dass kein Grund ersichtlich ist, warum der Beauftragte, der die Belege vollständig abschreiben darf, dies nicht in technisch einfacherer Form durch Fotokopie oder Fotografie ersetzen darf, sofern der Vermieter hiermit nicht belastet wird. …
07.05.2017