Leitsätze:
1. Im Sozialen Wohnungsbau darf der Vermieter Kostensteigerungen nicht an den Mieter weitergeben, die bereits vor Beginn des Mietverhältnisses eingetreten waren und ihm bei Abschluss des Mietvertrages hätten bekannt sein müssen.
2. Etwas anders gilt, wenn der Vermieter sich bei Vertragsabschluss im Hinblick auf die etwa ausstehende Wirtschaftlichkeitsberechnung Erhöhungen ausdrücklich vorbehalten hätte.
AG Tiergarten, Urteil vom 2.3.2010 – 2 C 380/09 –
Mitgeteilt von RAen Daniel Friedrichs & Axel Tolle
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
[Feststellungsklage des Mieters]
… Zwar mag die Beklagte, wie sie meint, grundsätzlich berechtigt sein, von den Klägern die Entrichtung einer erhöhten Miete, nämlich bis zur Höhe des nach dem Wohnungsbindungsgesetz Zulässigen zu verlangen, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 WoBindG.
Dieses Recht steht der Beklagten jedoch im vorliegenden Fall nicht zu, weil es durch eine sich aus den Umständen ergebende Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen worden ist, § 10 Abs. 4 WoBindG. Folgte man nämlich dem Vortrag der Beklagten, so wären die Kläger verpflichtet, eine Miete zu entrichten, welche die Rechtsvorgängerin der Beklagten bereits bei Abschluss des Mietvertrags hätte verlangen können. Denn diejenigen Aufwendungen, welche das Erhöhungsverlangen tragen sollen, waren ausweislich des zur Grundlage des Erhöhungsverlangens gemachten Auszugs aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung bereits vor dem Vertragsschluss, also vor dem 6.1.2009 entstanden – und nicht erst, wie die Beklagte möglicherweise behaupten will, am 7.8.2009, also erst rund 8 Monate nach dem Abschluss des Mietvertrags. Die erwähnte Berechnung ist nämlich ausweislich ihrer Überschrift per 1.1.2009 aufgestellt worden.
Schließt der Vermieter aber einen Mietvertrag über öffentlich geförderten Wohnraum ab, so darf der Mieter davon ausgehen, dass er sich, solange nichts anderes vereinbart worden ist, zur Zahlung der Kostenmiete verpflichtet hat. Er darf mit anderen Worten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) darauf vertrauen, dass der Vermieter ihm nicht, ohne dass dies vereinbart worden wäre, auf Grund von Umständen, die bei Vertragsschluss bereits hätten berücksichtigt werden können, eine Erhöhung des Entgelts bis zur Kostenmiete abverlangen werde. Der Mieter darf erwarten, dass seine wirtschaftlichen Dispositionen, die er dem Vertragsschluss zu Grunde gelegt hatte, nicht alsbald wieder zunichte gemacht werden, obwohl die Abweichung der vereinbarten von der Kostenmiete dem Vertragspartner bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen. Er darf erwarten, dass der Vermieter von Sozialwohnungen, die für den Mieter ohnehin häufig genug wenig soziale Kostensteigerungen mit sich bringen können, seinen Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB nachkommt und Rücksicht auf die Interessen des Vertragspartners nimmt.
Dieser Verpflichtung ist er nicht etwa dadurch nachgekommen, dass er in § 3 Nr. 1 des Vertrages vor die Miete das Kürzel „z. Zt.“ gesetzt hat; damit wird nur deutlich gemacht, dass die Miete sich aufgrund von Umständen die in der Zukunft liegen, verändern kann.
Folgte man dem nicht, so würde dies im vorliegenden Fall bedeuten, dass die Kläger eine Mieterhöhung von bis zu 14,0575 Euro pro Quadratmeter monatlich, insgesamt also von 459,41 Euro um mehr als 250 Prozent auf 1237,20 Euro, akzeptieren müssten. Dass die Beklagte dieses Recht mit der Erhöhungserklärung vom 7.8.2009 nicht ausgeschöpft hat, weil sie lediglich 6,50 Euro pro Quadratmeter monatlich von den Klägern verlangt, ist ohne Belang, es lässt den Umfang des Ausschlusses einer Mieterhöhung im Sinne des §10 IV WoBindG, also die dazu von den Parteien nach den Umständen im Januar 2009 stillschweigend getroffene Vereinbarung zur Miethöhe, unberührt.
Bei alledem ist ohne Bedeutung, dass nicht die Beklagte, sondern deren Rechtsvorgängerin sich entweder den §§ 241 Abs. 2, 242 BGB zuwider verhalten hat, als sie den Mietvertrag mit den Beklagten abschloss, oder eine höhere als die in § 3 Nr. 1 des Vertrages vereinbarte Mieter nicht verlangen wollte (möglicherweise, weil eine höhere Miete am Markt nicht zu erzielen war). Denn die Beklagte ist gemäß § 566 Abs. 1 BGB nicht nur in die Rechte, sondern auch in die Pflichten der X-Grundstücks GmbH & Co. aus dem Mietvertrag vom 6.1.2009 eingetreten, als sie die Wohnung erwarb. …
02.02.2013