Leitsatz:
Der Vermieter ist bei einer Anpassung der Nebenkostenvorauszahlungen nach § 560 Absatz 4 BGB nicht berechtigt, einen „Sicherheitszuschlag“ festzusetzen.
LG Berlin vom 10.8.2010 – 63 S 622/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Nach Erteilung einer Betriebskostenabrechnung ist der Vermieter gemäß § 560 Absatz 4 BGB berechtigt, die Betriebskostenvorschüsse für die Zukunft angemessen zu erhöhen. Umstritten ist, was „angemessen“ bedeutet. Teilweise wird vertreten, dass im Rahmen der Angemessenheit auch eine künftige Kostensteigerung bzw. ein gewisser Sicherheitszuschlag berücksichtigt werden kann. Dem erteilt das Landgericht eine Absage. Die Höhe der künftigen Vorschüsse habe sich vielmehr allein am Abrechnungsergebnis zu orientieren. Ein Spielraum stehe den Parteien insoweit nicht zu; insbesondere seien etwa eine zu erwartende Entwicklung der künftigen Betriebskosten oder ein Zuschlag für Unvorhergesehenes oder ähnliche Unwägbarkeiten nicht zu berücksichtigen.
Urteilstext
Gründe:
I.
Die Beklagte hat mit der Nebenkostenabrechnung für 2008 vom 6. März 2009 die von den Beklagten zu zahlenden Vorschüsse auf monatlich insgesamt 336,50 EUR festgesetzt. Die Kläger zahlen aufgrund des nach der Abrechnung auf sie entfallenden Betriebskostenanteils von 3.670,92 EUR nur einen Vorschuss von 305,91 EUR. Sie verlangen Feststellung, dass sie einen darüber hinaus gehenden Vorschuss nicht schulden.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Festsetzung sei nicht angemessen im Sinne von § 560 Abs. 4 BGB. Es bestehe kein Anspruch des Vermieters auf einen Sicherheitszuschlag, weil sich höhere Kosten nicht hinreichend sicher abzeichneten und insbesondere Heizkosten auch von Schwankungen der Energiepreise und der Temperaturen abhingen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht ein negatives Feststellungsinteresse der Kläger im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte berühmt sich einer Forderung und begründet damit ein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen die Kläger festgestellt wissen wollen. Das Feststellungsinteresse entfällt auch nicht im Hinblick der Höhe der streitigen Forderungen. Denn auch wenn sie für sich genommen einen kündigungsrelevanten Rückstand nicht erreichen, kann ein solcher durchaus im Zusammenhang mit weiteren Rückständen entstehen.
Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin vorgenommene Erhöhung der Betriebskostenvorschüsse nicht angemessen im Sinne von § 560 Abs. 4 BGB ist.
In der Literatur wird verbreitet vertreten, dass im Rahmen der Angemessenheit gemäß § 560 Abs. 4 BGB auch eine künftige Kostensteigerung bzw. ein gewisser Sicherheitszuschlag berücksichtigt werden kann (Palandt-Weidenkaff, § 560 BGB, Rn 39; Schmidt-Futterer-Langenberg, § 560 BGB, Rn 46; MüKo-Schmid, § 560 BGB, Rn 37; Staudinger-Weitemeyer, § 560 BGB, Rn 52).
Die Kammer folgt dieser Auffassung nicht. Die Höhe der künftigen Vorschüsse hat sich vielmehr allein am Abrechnungsergebnis zu orientieren. Ein Spielraum steht den Parteien insoweit nicht zu; insbesondere sind etwa eine zu erwartende Entwicklung der künftigen Betriebskosten oder ein Zuschlag für Unvorhergesehenes oder ähnliche Unwägbarkeiten nicht zu berücksichtigen (so auch Blank/Börstinghaus, § 560 BGB, Rn 28). Dies ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BayObLG (NJW-RR 1996, 207). Die Entscheidung erging vor der Mieterechtsreform und ging von einem Anspruch auf Anpassung durch beiderseitige Erklärung (wohl aus § 242 BGB) aus. Dabei seien ggf. auch mögliche Kostensteigerungen zu berücksichtigen gewesen. Eine Anpassung durch eine einseitige Erklärung hat nach der damaligen Gesetzeslage nicht bestanden. Dies ist aber jetzt anders.
Nachdem im Regierungsentwurf noch ein Anspruch auf eine Zustimmung vorgesehen war (BT-Drs. 14/4553, S. 14, 59), ist auf den Einwand des Rechtsausschusses (BT-Drs. 14/5663, S. 19, 81) in der endgültigen Regelung in § 560 Abs. 4 BGB hingegen nunmehr eine Anpassung durch einseitige Erklärung einer Partei vorgesehen. Als Voraussetzung ist in der gesetzlichen Regelung nur das Vorliegen einer Abrechnung genannt, eine Begründung der Erklärung ist nicht erforderlich. Unter diesen Umständen kann die Angemessenheit der Bestimmung einer Partei nur auf der Grundlage der Abrechnung zu überprüfen sein. Soweit das Abrechnungsergebnis die Vorauszahlungen über- oder unterschreitet, sind diese nicht angemessen, wobei hier angesichts der Höhe der streitigen Differenz von über 30,– EUR dahinstehen kann, ob dies auch bei jeder geringfügigen Abweichungen der Fall ist. Da die Abrechnung regelmäßig nur den Betrag der vergangenen Abrechnungsperiode ausweist, kann dieser grundsätzlich auch nur zur Beurteilung der Angemessenheit herangezogen werden. Da das Recht zur Anpassung schließlich beiden Parteien zusteht und der Mieter regelmäßig keine Kenntnisse von den künftigen Entwicklungen der Betriebskosten besitzt, kann er auch aus diesem Grund die Angemessenheit nur aufgrund der Angaben in der Abrechnung beurteilen. Daraus folgt, dass dies letztlich auch Maßstab für den Vermieter ist, denn es muss eine einheitliche Angemessenheit gelten, die nicht davon abhängt, welche Vertragspartei die Anpassung erklärt.
Hinzu kommt, dass mangels eines Begründungserfordernisses der Erklärungsempfänger die Angemessenheit ansonsten nicht überprüfen könnte. Soweit sich die Angemessenheit an dem Abrechnungsergebnis orientiert, erschließt sich die Höhe des Vorschusses nachvollziehbar in Höhe eines Zwölftels. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht. Das gilt aber nicht für andere außerhalb der Abrechnung liegende Umstände. Diese erschließen sich ohne eine weitere Begründung gerade nicht. Es ist jedoch grundsätzlich in allen Regelungen, die im Mietrecht über Wohnräume eine Vertragsänderung durch einseitige Erklärung einer Vertragspartei zur Folge haben, die Notwendigkeit einer formellen Begründung vorgesehen, aufgrund derer die andere Vertragsseite die Erklärung aus sich heraus nachvollziehen können muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 BGB zuzulassen. Denn in Bezug auf die Frage der Angemessenheit der Anpassung der Nebenkostenvorschüsse gemäß § 560 Abs. 4 BGB, die sich nicht nur im Einzelfall stellt, werden in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten und die Frage ist obergerichtlich unter Berücksichtigung der seit dem 1. September 2001 geltenden Rechtslage noch nicht entschieden.
26.10.2017