Leitsatz:
Können ausländische Fernsehprogramme über Internet empfangen werden, kann der Vermieter die Entfernung einer vom Mieter an der Fassade des Hauses angebrachten Parabolantenne verlangen.
AG Wedding vom 20.5.2010 – 22a C 308/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Gericht geht – der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend – zunächst davon aus, dass das aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG folgende Recht des Mieters, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, gleichrangig neben dem Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Artikel 14 GG stehe. Die erforderliche Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters das Eigentumsrecht des Vermieters überwiegt, sei auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles zu treffen. Im vorliegenden Fall müsse sich der Mieter entgegenhalten lassen, dass sämtliche von ihm aufgeführten Programme auch über Internet empfangen werden können. Insoweit sei allgemein bekannt, dass neue technische Möglichkeiten einen problemlosen Empfang ermöglichen, Sendeanstalten ihre Sendungen per Videostream, also mittels einer Übertragung komprimierter Video- und Autodateien, per Internet anbieten oder über diese Leitungen Sendungen eingespeist werden können. Dass dies mit unzumutbaren Kosten oder Aufwand für den Mieter verbunden wäre, sei nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die pauschal aufgeworfenen Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der übertragenen Signale werde nicht belegt; der allgemein gehaltene Hinweis auf die Möglichkeit von Zensur reiche nicht aus. Eine ansprechende Bildqualität könne ohne nennenswerte Probleme erreicht werden, indem der PC mit einem Fernsehgerät verbunden werde.
Urteilstext
Aus den Gründen:
Der Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne nach §§ 541, 421 BGB zu. Die Anbringung der Parabolantenne an der Außenfassade und die fortgesetzte Nutzung stellen einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar, dessen Beseitigung die Kl. nach erfolgloser Abmahnung verlangen kann.
Die auch im Rahmen des zivilrechtlichen Beseitigungsanspruches zu berücksichtigende Abwägung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlich geschützten Belange geht zu Lasten der Bekl. Dabei ist im Ansatz davon auszugehen, dass das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG folgende Recht des Mieters, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, gleichrangig neben dem Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 GG steht. Die erforderlich Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters das Eigentumsrecht des Vermieters überwiegt, ist auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles zu treffen (BGH, GE 2009, 1550 f. m.w.N.; BVerfGE 60, 27, 32; BVerfG GE 2007, 902, st. Rspr.).
Das Informationsrecht der Beklagten ist berührt, soweit sie mittels der Parabolantenne die arabischen Programme Aljazeera, MBC, DW-TV, arabia, Russia today arabia, BBC arabia, CC TV arabic und Arabia empfangen, die – unstreitig – über den vorhandenen Breitbandkabelanschluss nicht zugänglich sind. Auf der anderen Seite ist das nach Art. 14 GG mittelbar geschützte Eigentumsrecht der Kl. zu berücksichtigen. Zunächst liegt ein Eingriff in die Eigentumssubstanz vor, da die Parabolantenne unstreitig wenigstens über eine gesondertre Halterung mit Dübeln und Schrauben an der Außenfassade des Gebäudes angebracht worden ist. Ob dies durch die Vormieter oder durch die Bekl. selbst erfolgt ist, ist im Ergebnis unerheblich, da die damit einhergehende Eigentumsverletzung durch die Bekl. im Rahmen der dauerhaften Nutzung jedenfalls fortgesetzt wird. Eine das Eigentumsrecht berührende Beeinträchtigung liegt auch in der von der Kl. dargelegten optischen und ästhetischen Beeinträchtigung. Denn Art. 14 GG umfasst auch das Recht, ungewünschten optischen und ästhetischen Veränderungen entgegen zutreten (BVerfG NJW-RR 2005, 661, st. Rspr.). Durch die Befestigung an der Außenfassade wird die einheitlich gestaltete und sowohl vertikal als auch horizontal gegliederte Außenfassade in ihrem einheitlichen Erscheinungsbild deutlich abgeschwächt. Die Antenne ist aufgrund der Installation an der Fassadenfront deutlich und weithin sichtbar angebracht.
Zudem müssen sich die Beklagten entgegenhalten lassen, dass sämtliche von ihnen aufgeführte Programme auch über Internet empfangen werden können, was von den Bekl. nicht bestritten wird. Insoweit ist allgemein bekannt, dass neue technische Möglichkeiten einen problemlosen Empfang ermöglichen, Sendeanstalten ihre Sendungen per Videostream, also mittels einer Übertragung komprimierter Video- und Autodateien, per Internet anbieten oder über diese Leitungen Sendungen eingespeist werden können. Dass dies mit unzumutbaren Kosten oder Aufwand für die Beklagten verbunden wäre, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die Bekl. berufen sich vielmehr darauf, dass es beim Empfang von Datensätzen via Internet zu Übertragungsstörungen kommen könne. Bei Internetverbindungen handelte es sich um kontrollierte Prozesse, die nicht selten mit rechtsgeschäftlichen Handlungen verknüpft würden. Nur über Parabolantenne sei eine authentische Berichterstattung über regionale Geschehnisse gewährleistet. Diese Ausführungen bieten keinen hinreichend konkreten Anhaltspunkt dafür, dass und aus welchen Gründen der – grundsätzlich verfügbare – Internetzugang die Bekl. unverhältnismäßig belasten würde. Die pauschal aufgeworfenen Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der übertragenen Signale werden nicht belegt; der allgemein gehaltene Hinweis auf die Möglichkeit von Zensur reicht insoweit nicht aus. Eine ansprechende Bildqualität kann ohne nennenswerte Probleme erreicht werden, indem der PC mit einem Fernsehgerät verbunden wird. Die insoweit darlegungsbelasteten Bekl. (vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 21. Juli 2008, 33 C 3540/07 Rn. 17, zitiert nach juris) haben nicht konkret vorgetragen, aus welchen Gründen ihnen eine Nutzung des Internets nicht zumutbar ist.
Auf Seiten der Bekl. zu 2. führt auch der Umstand, dass sie Informationen durch Nutzung der genannten arabischen Sender im Rahmen ihrer Berufstätigkeit verwendet, nicht zu einer anderen Bewertung. Soweit hier Art. 12 GG in die vorzunehmende Güterabwägung einfließen würde, müsste sich die Beklagte auch hier die Möglichkeit zumutbarer anderweitiger Alternativen entgegenhalten lassen. Auf die Frage, inwieweit der Gebrauch der Mietsache vorliegend auch eine berufliche Nutzung umfasst, kommt es deshalb nicht an.
Dem Anspruch der Kl. steht auch nicht die dolo-petit-Einrede nach § 242 BGB entgegen. Den Bekl. steht kein Anspruch auf Genehmigung zum Anbringen einer Parabolantenne an einer anderen Stelle zu. Die von den Bekl. im Rahmen der mündlichen Verhandlung thematisierte Installation einer Gemeinschaftsantenne auf dem Dach unterliegt anderen Voraussetzungen. Eine von der Kl. angebotene Installation im Bereich des Wintergartens wurde von den Bekl. als nicht praktikabel abgelehnt. Die Frage des Anbringens einer mobilen Parabolantenne ist vorliegend nicht im Streit.
09.06.2018