Leitsatz:
Sollen die Mietzahlungen an eine „Limited“ nach Gründungsrecht der Isle of Man geleistet werden, gerät der Mieter erst dann in Verzug, wenn ihm die ausländischen Rechtsverhältnisse nachvollziehbar und prüffähig auf Deutsch erläutert worden sind.
AG Hagen vom 17.6.2010 – 10 C 155/09 –
Urteilstext
Tatbestand:
Die Beklagten mieteten von Herrn Markus L eine Wohnung im Hause B I H2 6 in Z1 ab dem 1. März 2006 zum Preise von monatlich 455,00 Euro Kaltmiete zzgl. 200,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung.
Die Klägerin ist eine im Handelsregister der J p N eingetragene Rechtsform eines Companytyps Namens „O N W“, eingetragen unter der Company Nr. 000220V unter dem Namen der Klägerin „N M“. Sie hat Klage unter der Firmierung erhoben, dass sie durch die F Q N GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer I-K M in I2, vertreten werde.
Sie hat mit Schriftsatz vom 18. Juni 2009 mitgeteilt, dass ihre Anschrift laute:
33 B T, E , J p N , IM1 1LB.
Sie werde gesetzlich vertreten durch die im Register of Directors verzeichneten Geschäftsführer (Directors), wobei es sich um die Herren O C B W und T U I D handele. Sie sei in das dortige Gesellschaftsregister eingetragen und dort mit ihrer Firmenzentrale ansässig. Sie sei als Limited nach dem Recht der J p N gegründet worden, wobei die Klägerin auf die entsprechenden Gründungsbescheinigungen und Eintragsnachweise (hier im einzelnen: Schriftsatz vom 18. Juni 2009) verweist – es handele sich um eine Company Limited by Shares nach dem Gesellschafsrecht der J p N. Als Registered Agent sei E D G M unter der gleichen Adresse der Registered Agent Adress 33 – 37 B T, E, J p N, IM1 1LB eingetragen.
Unter dieser Bezeichnung erwarb die Klägerin von Herrn N L im Vollzug des Kaufvertrages vom 19. Juli 2007, unterzeichnet vor dem Notar L in C zu dortiger UR-Nr. 2007/498 (Bl. 93 ff. d. A.). Dort ist unter anderem geregelt, dass die Übergabe der Lastennutzung am Tag der vertragsgerechten Zahlung des Kaufpreises statt finde.
Die Klägerin wurde unter ihrer Bezeichnung nicht in einem deutschen Handelsregister eingetragen. Sie wurde jedoch unter dem Namen „N Ltd“ am 14.02.2008 als Eigentümerin im Grundbuch des vermieteten Grundstücks eingetragen beim Amtsgericht Z1.
Unter dem 18. Januar 2008 (Bl. 49 d. A.) schrieb die Firma H T GmbH, T E in C, unter der Bezeichnung „Verwaltung für Eigentümer N Ltd.“ betreffend das vermietete Objekt an die Mieter und teilte mit, dass die N Ltd. mit Wirkung vom 26.10.2007 das oben genannte Objekt erworben und die H T GmbH mit der Verwaltung der Wohnanlage bevollmächtigt hat. Um eine gute Betreuung zu gewährleisten, hätten sie die U S GmbH, I in F, als Verwalter vor Ort beauftragt. Die Zahlungen möchten auf das Konto der H T GmbH bei der AA S C in C zu der angegebenen Kontonummer überwiesen werden.
Mit Schreiben vom 08.05.2009 teilte eine Firma namens H Q N GmbH, Niederlassung H, den Beklagten mit, dass sie ab dem 01.05.2009 die Betreuung ihres Hauses übernommen habe und ihr auf sie lautende Verwaltungsvollmacht versichere. Übergangsweise hätten sie die F Q N GmbH mit der Verwaltung beauftragt, da sie sich bis zum 30.04.2009 im Aufbau ihrer Niederlassung befänden.
Die Klägerin verlangt zum einen Räumung, des weiteren Zahlung für Oktober 2007 bis Februar 2008 von 109,17 Euro sowie 4 x 655,00 Euro (zusammen 2729,17 Euro) habe die für die Beklagte zahlende Arbeitsgemeinschaft der Stadt Z1 des hiesigen Arbeitsamtes an den Alteigentümer, Herrn N L, gezahlt.
Für April 2008 zahlte die Arbeitsgemeinschaft die Miete nicht an Herrn L oder die Klägerin, sondern an die Beklagten, wie diese nunmehr eingeräumt haben.
Die Arbeitsgemeinschaft zahlte für die Beklagten an die Klägerin unter dem 12.04.2009 für März 2008 700,00 Euro sowie für die Monate Mai bis April 2009 jeweils 596,00 Euro, zusammen also 7.852,00 Euro am 16.04.2009.
Insoweit hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen. Sie beantragt insoweit, den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO aufzugeben.
Die Klägerin verlangt nunmehr noch Zahlung der Miete und Vorauszahlungen für Oktober 2007 bis Februar 2008, die die Beklagten noch an Herrn L gezahlt haben (109,17 Euro sowie 4 x 655,00 Euro), des weiteren die offen stehenden Mieten ab April 2008 bis April 2009 – siehe im Einzelnen Seite 3 zum Schriftsatz vom 23. Juli 2009 (Bl. 57 d. A.) – sowie wegen des weiteren Anlaufens der Rückstand während des Rechtsstreits die nunmehr anerkannten Beträge des nicht gezahlten Restbetrages von jeweils 59,00 Euro für die Folgezeit bis einschließlich Juni 2010.
Die Beklagten haben die Zahlungsforderung und den Räumungsantrag nunmehr anerkannt unter Protest gegen die Kostenlast; die Parteien haben sich auf eine Räumungsfrist von drei Monaten verständigt.
Des weiteren beantragt die Klägerin über den anerkannten Betrag und den Räumungsanspruch hinaus, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.729,17 Euro sowie die Zinsen auf die jeweiligen Zahlbeträge für die jeweiligen Monate in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagten haben auch den Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung bis zu ihrem Auszug anerkannt.
Im Übrigen protestieren sie gegen die Kostenlast und beantragen, die Klage, soweit nicht anerkannt, abzuweisen.
Sie wenden ein, dass ihnen das Auftreten mehrerer Verwaltungsgesellschaften und der Klägerin selbst dubios erschienen sei; sie hätten sich mit dieser Sache auch an die Arbeitsgemeinschaft gewandt, so dass auch diese lange Zeit überlegt habe, überhaupt zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nur soweit die Herausgabeforderung und die Zahlungsforderung für die bereits fälligen Mietreste sowie den Nutzungsentschädigungsanspruch für die Zukunft verlangt wird, begründet; im übrigen ist die Klage unbegründet.
Die Klägerin ist im Inland nicht als eine Gesellschaft nach dem Recht der J P N anzusehen; sie ist vielmehr so zu behandeln, als wäre sie eine rechtsfähige Personengesellschaft entsprechend der bürgerlichen Gesellschaft.
Die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft, die nicht unter das europäische Niederlassungsfreiheitsrecht und auch nicht unter sonstiger Freizügigkeitsabkommen oder Staatsverträge fällt, hier die Limited nach dem Recht der J P N, bestimmt sich weiterhin nach der Sitztheorie. Sie hat ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt oder sie betreibt ihn in der Tat nur von hier, ohne dadurch ihre rechtliche Existenz nach dem Sachrecht des Gründungsstaates zu verlieren. Sie ist als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln und wird durch ihre Gesellschafter gesetzlich vertreten.
Die Wirksamkeit von Vertretungshandlungen, die von unter dem vermeintlich geltendem ausländischen Recht gestellten „Organen“ vorgenommen wurden, wird dadurch nicht berührt.
Dementsprechend konnten die sog. Direktoren der Klägerin, die offensichtlich im Namen der nicht offenbarten wirklichen Gesellschafter der als GbR zu behandelnden Rechtsform handelten, die F Q N GmbH in I2 beauftragen, das operative Geschäft in Deutschland durchzuführen.
Insoweit wird auf die grundlegenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg in der Entscheidung 11 U 231/04 vom 30.03.2007 mit umfangreichen Ausführungen und zahlreichen Nachweisen Bezug genommen, insbesondere dort Rdnr. 40.
Der tatsächliche operative – nicht allein auf Grundsatzentscheidungen tätige Apparat der Klägerin ist ohne abweichende nähere Darlegung der Klägerin aufgrund des von ihr im Inland, insbesondere in I2, betonten Geschäftsgebarens allein im Inland anzunehmen.
Das operative Geschäft wird, wie angesichts der Vertretung durch die F Q N GmbH zu erkennen ist, tatsächlich im Sinne der Sitztheorie in I2 betreiben.
Hierfür spricht auch die Einschaltung zahlreicher weiterer, sich mehrfach ändernder, tatsächlicher weiterer Verwaltungsgesellschaften wie der sich für die Klägerin meldenden H Q Global T meldenden GmbH, die insgesamt ihren Sitz und ihre Geschäftstätigkeit im Inland entfalten.
Das Recht auf Freizügigkeit steht Gesellschaften, die auf der J P N gegründet worden sind, nicht zu, da sie nicht im Geltungsbereich der EGV bzw. heute des Lissabon-Vertrages ansässig sind, vielmehr Artikel 37 Nr. 2 EGBGB (alte Fassung, nunmehr die Vorschriften im Römischen Abkommen Nr. 1 unter Ziffer 1. II. f.) Anwendung finden. Die J P N ist auch nicht Teil eines Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder Partei eines Staatsvertrages mit der Bundesrepublik Deutschland, auf dessen Grundlage dort gegründete Gesellschaften in Deutschland unabhängig von ihrem tatsächlichen Sitz anzuerkennen wären (vgl. im Einzelnen Rdnr. 26 im Urteil des OLG Hamburg a.a.O.).
Nur mit dieser Maßgabe steht der Klägerin der zugesprochene Zahlungsanspruch und die aufgrund des Anerkenntnisses zugesprochenen weiteren Ansprüche zu.
Aufgrund des Anerkenntnisses waren die Beklagten insoweit zur Herausgabe und zu Zahlung der Restbeträge sowie der zukünftigen Miete bzw. zukünftig anfallenden Nutzungsentschädigung zu zahlen.
Jedenfalls haben die Beklagten mit ihrem Anerkenntnis, weiter Entgelt für das Nutzen der Wohnung sowie die Betriebskostenvorauszahlungen zahlen zu müssen mit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf das Beendigen des Mietverhältnisses geeinigt, indem sie ihren Mietbeendigungswillen und Auszugswunsch kund taten.
Die Zinsforderungen waren nur insoweit berechtigt, als dass Zinsen auf die Rückstände der Mieten ab April 2008 von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen sind, auch wenn die Beklagten nicht im Verzug waren (§ 291 BGB).
Für die Zeit vor Eintragung unter dem Namen der Klägerin im Grundbuch schuldeten die Beklagten zwar möglicherweise aufgrund der vorzeitigen Abtretung der Mietforderungen der „N“ die Miete und die Nutzungsentschädigung; die Voraussetzungen für den vorzeitigen Übergang hatte die Klägerin aber genau genommen nicht einmal schlüssig dargelegt. Die Voraussetzungen der Abtretung bestehen in der Übergabe des gekauften Objektes. Die Übergabe wird aber damit fingiert, dass die vertragsgerechte Zahlung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto eingeht. Hierzu ist nicht das geringste vorgebracht (siehe insbesondere § 6, NA und Ziffer 5 des Mietvertrags).
Jedenfalls sind die Beklagten nach § 407 BGB durch die Zahlung an Herrn N L wegen der von ihnen entrichteten Beträge von der Schuld befreit worden. Ein neuer Gläubiger muss eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, so wie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Der Schuldner ist nach § 410 BGB dem neuen Gläubiger zur Leistung nur gegen Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger über die Abtretung ausgestellten Urkunde verpflichtet. Eine Kündigung oder eine Mahnung des neuen Gläubigers ist unwirksam, wenn sie ohne Vorlegung einer solchen Urkunde erfolgt und der Schuldner sie aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
Nun mögen die Beklagten der Klägerin gegenüber keine Erklärung abgegeben haben. Jedoch befanden sie sich in Unkenntnis der Abtretung. Die Mitteilung durch die H T GmbH war inhaltlich falsch. Mit Wirkung vom 26.10.2007 hatte die N das Objekt keineswegs schon erworben. Dies geschah frühestens mit Eintragung im Grundbuch am 14.02.2008.
Der mehrfache Wechsel der Verwaltungsgesellschaften ließ die Beklagten zu recht daran zweifeln, dass es sich um eine existierende Gesellschaft oder einen zumindest wirklich berechtigten Anspruchsteller handelte. Hierin wurden die Beklagten zudem zu recht darin bestärkt, dass die Arbeitsgemeinschaft die Zahlung für geraume Zeit eingestellt hatte.
Entsprechendes gilt für den gesetzlichen Forderungsübergang aufgrund des Eintrags der Klägerin im Grundbuch gem. §§ 412 BGB i. V. m. § 407 BGB.
Eine allgemein Kenntnis jeglicher Grundbucheintragungen ist Mietern prinzipiell fern; sie haben auch nicht ohne weiteres ein Grundbuchinformationsrecht. Den Beklagten ist erst im Laufe des Rechtsstreites mitgeteilt worden, dass die Klägerin sich im Grundbuch eingetragen befindet.
Jedenfalls sind die Beklagten nach § 286 BGB nicht in Verzug getreten. Für einen Inländer ist die Beurteilbarkeit ausländischer Rechtsformen, wie hier der Klägerin, nach einem sehr speziellem Sonderstatut der J P N, die nicht einmal unter die allgemeinen Regelungen des Niederlassungs- und Freizügigkeitsrechts des EGV und des Lissabon-Abkommens fallen, nicht ohne Erläuterung durch den Anspruchsteller so einsichtig, dass er in Verzug ist.
Insoweit befindet sich der Mieter durchaus in der berechtigten Vermutung, dass es sich um eine „dubiose“, jedenfalls von ihm nicht nachprüfbare Anspruchsstellung handelt. Dementsprechend sind die Beklagten nach § 286 Abs. 4 BGB nicht in Verzug geraten, jedenfalls nicht, bevor sie mit dem Schriftsatz vom 26. April 2010 auf die Nachprüfbarkeit der per Internet erreichbaren, sich im Übrigen nunmehr von www.fsc.gov.em wieder veränderten Fundstelle des sehr speziellen Rechts der J P N informieren konnten. Zudem ist fehlendes Verschulden, das Verzugsvoraussetzung ist, anzunehmen, weil dem durchschnittlichen Mieter keineswegs fremdsprachige Quellen zumutbar verständlich sein müssen.
Die Urteile des Kammergerichts C vom 11.05.2005, auf die sich die Klägerin ausdrücklich bezieht sowie des OLG I vom 30.03.2007 beleuchten zudem, wie schwierig die Beurteilung der Rechtsform und ihrer Vertretungsverhältnisse und ihrer Anerkennung von Gesellschaften der J P N innerhalb Deutschlands für hiesige Einwohner und Bürger ist; ein derartiges Prüfungsverhalten kann dem durchschnittlichen Mieter jedenfalls nicht zur Vermeidung eines Verzuges zugemutet werden; dies würde die ortsübliche Sorgfalt bei weitem übersteigen (§ 276 BGB).
Jedenfalls hatte die Klägerin die Einzelheiten ihrer Rechtsform, ihrer wirksamen Vertretung, die eben nach dem Urteil des Oberlandesgerichts I bis heute nicht vollständig geklärt ist, weil die Namen der Gesellschafter nicht angegeben sind, in einem Anspruchstellerschreiben bei Hinweis auf die Rechtsnachfolge und spätestens bei dem Aussprechen der Kündigung mitgeteilt werden müssen.
Die Kostenentscheidung folgt dementsprechend nicht aus § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO, weil die Beklagten durchaus keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben haben, weil ihnen die Spezialitäten der Rechtsform und der Rechtsnachfolge eben nicht mitgeteilt worden sind. Ihr Anerkenntnis ist vielmehr ein sofortiges, soweit sie anerkannt haben, den Restbetrag zu schulden (§ 93 ZPO).
Die Räumungsverpflichtung ergibt sich erst aus der getroffenen Vereinbarung über die Beendigung des Mietverhältnisses, so dass der Räumungsanspruch bis dahin nicht begründet war.
Soweit die Klägerin unterliegt mit dem Zahlungsanspruch in Höhe von 2.729,17 Euro, findet § 91 ZPO Anwendung.
Die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
31.01.2013