Leitsätze:
1. Gemäß § 556 Absatz 3 Satz 5 BGB sind Einwendungen gegen die Abrechnung dem Vermieter innerhalb eines Jahres nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten, § 556 Absatz 3 Satz 6 BGB.
2. Ebenso wie der Vermieter hat der Mieter hierbei ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten. Die Post ist die Erfüllungsgehilfin des Mieters, wenn er sich der Post zur Beförderung seines Einwendungsschreibens bedient.
3. Der Mieter kann sich hierbei nicht dadurch entlasten, dass auf dem Postweg unerwartete und nicht vorhersehbare Verzögerungen oder Postverluste aufgetreten sind, auf die er keinen Einfluss hat nehmen können.
LG Berlin vom 22.7.2011 – 63 S 607/10 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Unstreitig war der Mieterin die streitgegenständliche Nebenkostenabrechnung am 26.11.2008 zugegangen. Einwendungen gegen die Abrechnung hätten daher spätestens bis zum 27.11.2009 erhoben werden müssen. Zwar behauptete die Mieterin, sie habe bereits mit Schreiben vom 6.12.2008 Widerspruch gegen die Betriebskostenabrechnung eingelegt. Jedoch konnte sie den, von der Vermieterin bestrittenen, Zugang dieses Schreibens innerhalb der Jahresfrist nicht beweisen. Der von ihr unter Beweis gestellte Vortrag, sie habe das Schreiben an ihrem Laptop verfasst und per Post versandt, sei jedoch unerheblich, so das Landgericht. Selbst wenn sie, wie von ihr behauptet, den Widerspruch verfasst und rechtzeitig zur Post aufgegeben habe, begründe dies keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung. Einen Beweis für den Zugang des Schreibens bei der Vermieterin habe sie hingegen nicht angeboten. Erst in der Anlage zum Schreiben der Mieterin vom 27.1.2010, mithin nach Ablauf der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB, habe die Vermieterin unstreitig den Widerspruch erhalten. Verzögerungen oder Verluste bei der Postbeförderung gingen hier zu Lasten der Mieterin. Mangels anderweitigen Vortrags der Mieterin sei von einem Verschulden der Post auszugehen.
Die Mieterin könne sich auch nicht dadurch entlasten, dass auf dem Postweg unerwartete und nicht vorhersehbare Verzögerungen oder Postverluste aufgetreten seien, auf die sie keinen Einfluss hätte nehmen können. Für eine derartige Einschränkung des § 278 Satz 1 BGB bestehe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Vertretenmüssen des Vermieters (BGH WuM 09, 236) kein sachlicher Grund. Vielmehr stehe eine einschränkende Anwendung des § 278 BGB im Widerspruch zu der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, mit der Vorschrift des § 556 Absatz 3 Satz 2, 3 BGB eine zeitnahe Abrechnung und Abrechnungssicherheit zu gewährleisten. Dies gelte auch für den Mieter.
Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, warum davon abweichend für den Mieter etwas anderes gelten solle. Vielmehr handele es sich bei den Regelungen für den Vermieter und den Mieter um wortgleiche Parallelvorschriften (§ 556 Abs. 3 Satz 3 und 6 BGB), die denselben Zweck, den Eintritt von Rechtsfrieden, verfolgten.
Urteilstext
Aus den Gründen:
… 2. Die Berufung ist in der Sache erfolgreich.
2.1 Der Kl. hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.613,11 € aus der Heiz- und Betriebskostenabrechnung vom 24.9.2008 gemäß § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Ziff. 3, § 6 Ziff. 9 C des Mietvertrages.
Entsprechend den insoweit zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts haben die Kl. eine formal ordnungsgemäße Abrechnung erteilt.
Auf die von der Bekl. vorgetragenen Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 kommt es hingegen nicht an, denn sie ist damit wegen § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB ausgeschlossen. Gemäß § 556 Abs.3 Satz 5 BGB sind Einwendungen gegen die Abrechnung dem Vermieter innerhalb eines Jahres nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten, § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB.
Unstreitig ist der Bekl. die streitgegenständliche Nebenkostenabrechnung am 26.11.2008 zugegangen. Einwendungen gegen die Abrechnung hätten daher spätestens bis zum 27.11.2009 erhoben werden müssen. Zwar behauptet die Bekl., sie habe bereits mit Schreiben vom 6.12.2008 Widerspruch gegen die Betriebskostenabrechnung eingelegt. Jedoch konnte sie den, von der Kl. bestrittenen Zugang dieses Schreibens innerhalb der Jahresfrist nicht beweisen. Der von ihr unter Beweis gestellte Vortrag, sie habe das Schreiben an ihrem Laptop verfasst und per Post versandt, ist unerheblich. Selbst wenn sie, wie von ihr behauptet, den Widerspruch verfasst und rechtzeitig zur Post aufgegeben habe, begründet dies keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung (BGH, NJW 2009, 2197 ff. Rn 11 – zitiert nach juris). Einen Beweis für den Zugang des Schreibens bei der Kl. hat sie hingegen nicht angeboten. Erst in der Anlage zum Schreiben der Bekl. vom 27.1.2010, mithin nach Ablauf der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB, haben die Kl. unstreitig den Widerspruch erhalten.
Die Bekl. hat den Nichtzugang bzw. den verspäteten Zugang auch zu vertreten. Bei der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB handelt es sich ebenso wie bei der für den Vermieter geltenden Frist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB um eine Ausschlussfrist. Eine spätere Geltendmachung von Einwendungen ist nur möglich, wenn der Mieter die Verspätung nicht zu vertreten hat, § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB. Die Darlegungs- und Beweislast diesbezüglich trägt der Mieter (Weidenhoff in Palandt, 69. Aufl. 2010, BGB, § 556 Rn 13). Die Bekl. hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie einen möglichen Verlust des Widerspruchsschreibens auf dem Postweg nicht zu vertreten hat. Insbesondere ein ihr gemäß §§ 556 Abs. 3 Satz 6, 276, 278 Satz 1 BGB zurechenbares Verschulden der Post hat die Bekl. nicht ausgeräumt.
Ebenso wie der Vermieter hat der Mieter ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten (Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl. 2011, § 556 Rn 100b). Die Post ist die Erfüllungsgehilfin der Bekl., weil sie sich nach ihrem Vortrag der Post zur Beförderung ihres Widerspruchschreibens bedient hat.
Verzögerungen oder Verluste bei der Postbeförderung gehen daher zu ihren Lasten (Palandt/Weidenkaff, a.a.O. § 556 Rn 11; BGH, NJW 2009, 2197 ff Rn 13, zitiert nach juris). Mangels anderweitigen Vortrags der Bekl. ist von einem solchen Verschulden der Post auszugehen.
Die Bekl. kann sich auch nicht dadurch entlasten, dass auf dem Postweg unerwartete und nicht vorhersehbare Verzögerungen oder Postverluste aufgetreten sind, auf die sie keinen Einfluss hätte nehmen können. Für eine derartige Einschränkung des § 278 Satz 1 BGB besteht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Vertretenmüssen des Vermieters (BGH, NJW 2009, 2197 ff, Rn 14f. – zitiert nach juris) kein sachlicher Grund. Vielmehr steht eine einschränkende Anwendung des § 278 BGB im Widerspruch zu der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, mit der Vorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 2, 3 BGB eine zeitnahe Abrechnung und Abrechnungssicherheit zu gewährleisten (BGH, NJW 2009, 2197 ff, Rn 14 f. – zitiert nach juris). Dies gilt auch für den Mieter. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum davon abweichend für den Mieter etwas anderes gelten soll. Vielmehr handelt es sich bei den Regelungen für den Vermieter und den Mieter um wortgleiche Parallelvorschriften (§ 556 Abs. 3 Satz 3 und 6 BGB), die denselben Zweck, den Eintritt von Rechtsfrieden, verfolgen.
Es ist auch nicht erkennbar, wieso die Bekl. davon ausgehen durfte, dass ihr Widerspruch den Kl. zugegangen ist, denn von diesen erfolgte keinerlei Reaktion auf das Schreiben. Daran ändert auch der Umstand, dass die Bekl. bereits ein Jahr zuvor Bedenken gegen die Abrechnung erhoben hat, den Kl. die Heizungsproblematik mithin bekannt war, nichts. …
26.10.2017