Leitsatz:
Die Kündigungssperrfrist des § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB gilt entsprechend für die ordentliche Kündigung.
LG Berlin vom 1.3.2012 – 67 S 42/11 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
§ 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB steht unter der Überschrift „Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund“ und hat folgenden Wortlaut: „Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.“
In vorliegendem Fall hatte der Vermieter nicht fristlos, sondern ordentlich – mit Kündigungsfrist – wegen nicht gezahlter Erhöhungen der Heizkostenvorschüsse gekündigt. Da die Erhöhung der Heizkostenvorschüsse in § 560 BGB geregelt ist, stellt sich im Hinblick auf § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB die Frage, ob der Vermieter nicht vor Ausspruch der Kündigung den Mieter zunächst auf Zahlung der Erhöhung hätte verklagen müssen. Das Landgericht bejaht diese Frage mit folgenden Erwägungen: Die Vorschrift des § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB betreffe zwar dem Wortlaut nach (nur) den Fall einer fristlosen Kündigung. Es lasse sich aber durchaus die Auffassung vertreten, dass eine analoge Anwendung auch für den Fall einer ordentlichen Kündigung gelte. Der Vorschrift liege offensichtlich der Gedanke zugrunde, dass die Wirksamkeit einer Mieterhöhungserklärung wegen gestiegener Vorauszahlungen durchaus zweifelhaft sein könne und vermieden werden solle, dass der Mieter durch eine Nichtzahlung der erhöhten Vorschüsse auf die Nebenkosten in die Gefahr gerate, die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung zu schaffen. Deswegen solle der Vermieter gehalten sein, seinen Anspruch auf Zahlung der erhöhten Vorschüsse erst gerichtlich geltend zu machen, bevor er eine fristlose Kündigung erkläre. Durch ein solches Urteil werde verbindlich festgestellt, ob der geltend gemachte Anspruch auf die erhöhten Vorauszahlungen bestehe. Dieser Gesichtspunkt greife dabei ebenfalls ein, wenn der Vermieter keine fristlose, sondern eine ordentliche Kündigung erkläre. Auch in diesem Falle sei der Mieter schutzbedürftig. Es werde deshalb durchaus die Auffassung vertreten, dass § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB auch für eine ordentliche Kündigung gelte, wenngleich nicht verkannt werde, dass diese Auffassung umstritten sei.
So schön dieses Urteil für Mieter ist, bleibt es doch abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof diese von ihm bislang noch nicht beurteilte Frage beantworten wird.
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Kammer nimmt zunächst Bezug auf den Hinweis vom 4. April 2011, in dem es heißt: „…
a) Die von der Kl. zur Begründung der ordentlichen Kündigung herangezogenen Rückstände basieren auf nicht gezahlten Vorauszahlungen auf die Heizkosten. Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges, der auf der Nichtzahlung erhöhter Vorauszahlungen beruht, nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach Rechtskraft des Urteils kündigen, durch das der Mieter zur Zahlung der erhöhten Miete nach §§ 558 bis 560 BGB verurteilt worden ist. § 560 Abs. 4 BGB betrifft die Befugnis des Vermieters zur Erhöhung der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten nach einer Abrechnung über die Betriebskosten. Diese Vorschrift gilt auch für den Fall der Neueinführung von Betriebskosten. Der Umstand, dass der Bekl. angekündigt hat, wenigstens Vorauszahlungen in Höhe von 50 Euro zu leisten, steht der Sperrwirkung der genannten Vorschrift nicht entgegen.
Die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB betrifft zwar den Fall einer fristlosen Kündigung. Es lässt sich aber durchaus die Auffassung vertreten, dass eine analoge Anwendung auch für den Fall einer ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB gilt. Der Vorschrift liegt offensichtlich der Gedanke zugrunde, dass die Wirksamkeit einer Mieterhöhungserklärung wegen gestiegener Vorauszahlungen durchaus zweifelhaft sein kann und vermieden werden soll, dass der Mieter durch eine Nichtzahlung der erhöhten Vorschüsse auf die Nebenkosten in die Gefahr gerät, die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung zu schaffen. Deswegen soll der Vermieter gehalten sein, seinen Anspruch auf Zahlung der erhöhten Vorschüsse erst gerichtlich geltend zu machen, bevor er eine fristlose Kündigung erklärt. Durch ein solches Urteil wird verbindlich festgestellt, ob der geltend gemachte Anspruch auf die erhöhten Vorauszahlungen besteht. Dieser Gesichtspunkt greift dabei ebenfalls ein, wenn der Vermieter keine fristlose, sondern eine ordentliche Kündigung erklärt. Auch in diesem Falle ist der Mieter schutzbedürftig. Es wird deshalb durchaus die Auffassung vertreten, dass § 569 Abs.3 Nr. 3 BGB auch für eine ordentliche Kündigung gilt, wenngleich nicht verkannt werden soll, dass diese Auffassung umstritten ist (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 569 Rdnr. 62 m.w.N.; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XII 156, Seite 1590).
b) Ebenso ist hier im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Bekl. vor dem Wirkungszeitpunkt der ordentlichen Kündigung, dem 31. Juli 2010, die rückständigen Vorauszahlungen vollständig gezahlt hat, wie die Kammer in dem Urteil vom 15. November 2010 – 67 S 641/09 – festgestellt hat. Gegenstand dieses Rechtsstreits waren auch die Vorauszahlungen auf die Heizkosten, wegen deren Nichtzahlung die ordentliche Kündigung erklärt worden ist. Die nachträglich Zahlung kann dazu führen, dass das Verschulden des Bekl. in einem „milderen Licht“ zu sehen ist. …“
An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach den weiteren Schriftsätzen der Parteien fest.
Die Kammer teilt insbesondere nicht die Auffassung der Kl., dass § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB nicht auf die Fälle des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB übertragbar sei. Die Kl. verweist dazu darauf, dass der Bundesgerichtshof ausdrücklich eine Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB abgelehnt habe. Dies ist aus Sicht des Gerichts jedoch nicht dasselbe. Es trifft zunächst zu, dass § 569 Abs. 3 BGB sich nach dem Wortlaut nur zu § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB verhält. Allerdings betrifft § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB eine Klarstellung zum Verschulden. Auf dieses Verschulden kommt es bei § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gerade an. Diese Frage kann aus Sicht der Kammer dahinstehen. Sie ist bislang allerdings höchstrichterlich nicht entschieden …
Die Revision war zuzulassen …
05.01.2018