Leitsatz:
Der Vermieter hat gegen den Mieter keinen Schadensersatzanspruch, wenn andere Mieter des Hauses die Miete wegen Geräuschen mindern, die von der im Sterben liegenden Ehefrau des Mieters ausgehen.
AG Lichtenberg vom 9.1.2012 – 113 C 244/11 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Gericht begründet wie folgt: … Der Beklagte hat an die Klägerin keinen Schadensersatz in Höhe von 131,42 Euro wegen Pflichtverletzungen aus dem Mietvertrag der Parteien über die Wohnung K.-Str. in Berlin in der Zeit von Mai bis Juli 2011 zu zahlen.
Voraussetzung des Anspruches der Klägerin war, dass der Beklagte schuldhaft Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt hat (§ 280 BGB). Dies konnte die Klägerin nicht darlegen.
Ein Mietvertrag über Wohnraum wird in der Regel unbefristet abgeschlossen, dass heißt, er kann für viele Lebensphasen des Menschen gelten, wenn er jung ist und keine Kinder hat, aber auch, wenn er krank wird, alt ist oder im Sterben liegt. Geräusche, auch die älterer und kranker Menschen, sind in einem Mehrparteienwohnhaus grundsätzlich sozialadäquat und hinzunehmen, sofern nicht ein konkret darzustellendes Maß überschritten wird. Die Beeinträchtigung ist hier jedoch nur pauschal vorgetragen. Die Lärmprotokolle des Mieters B., auf welche die Klägerin ihren Anspruch stützt, weisen für den Monat Mai 2011 an 13 Tagen Uhrzeiten auf, wobei einmal lautes Klopfen und einmal lautes Schreien angeführt wird. Bei den weiteren Zeiten sind die angeblichen Störungen nicht benannt. Im Protokoll für Juni 2011 finden sich nur Zeiten an 14 Tagen, ohne Angabe der konkreten Störungen und für Juli 2011 wurde gar keine Störung dargestellt, da ein Lärmprotokoll hierzu fehlt. Das Ausmaß der konkreten Störung bleibt daher offen und ist nicht prüfbar. Zum konkreten Ausmaß der Störung wurde auch im nachgelassenen Schriftsatz nicht weiter vorgetragen.
Ferner war unstreitig, dass der Beklagte selbst die störenden Geräusche nicht verursachte, sondern seine im Sterben liegende Ehefrau. Deren Verschulden, sofern ein solches überhaupt gegeben war, kann ihm nicht zugeordnet werden (§ 425 Abs. 2 BGB). Er haftet dafür auch nicht als Erfüllungsgehilfe. Der Beklagte ist selbst Mieter der Wohnung und daher nicht Erfüllungsgehilfe seiner Ehefrau. Er bewohnt die Wohnung aus eigenen, nicht abgeleiteten Rechten, weshalb § 278 BGB keine Anwendung findet. Der Beklagte haftet auch nicht als Erbe seiner Ehefrau. Die Haftung dieser setzt Verschulden voraus (§ 280 BGB), was nach den Umständen (Krankheit und Krankheitsstadium) ganz offensichtlich und erkennbar nicht vorgelegen hat. Eine Pflichtverletzung des Beklagten aber ist nicht erkennbar geworden. Für Störungen des Mitmieters haftet der andere Mieter, hier der Beklagte, nur, wenn er in der Lage war, auf den Störer einzuwirken. Dies ist bei Verhalten aufgrund von Krankheit, noch dazu einer Demenz, welche den Menschen immer mehr verändert und unzugänglich macht, kaum anzunehmen.
Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, sofort bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Ehefrau für deren Verbringen aus der Wohnung zu sorgen. Vielmehr konnte er zunächst versuchen, deren Pflege, auch bis zum Ableben, in der vertrauten Wohnung zu organisieren. Dies hat er getan, indem er medizinische Hilfe in Anspruch nahm. Deren beruhigender Erfolg trat zeitnah ein. …
30.01.2013