Leitsätze:
1. Für die Erhebung der Einwendungen gegen eine Betriebskostenabrechnung genügt nicht der Nachweis, dass die Einwendungen in Richtung des Vermieters durch Brief, Fax und E-Mail auf den Weg gebracht wurden, weil § 556 Absatz 3 BGB auf den Zugang der Einwendungen abstellt. Der Mieter muss den Zugang der Einwendungen beim Vermieter beweisen, weil es sich dabei um eine Tatsache handelt, die den Tatbestand einer für ihn günstigen Rechtsnorm ausfüllt.
2. Die Absendung eines Briefes begründet auch nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises keinen Zugang. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens kann es immer wieder vorkommen, dass Postsendungen den Empfänger nicht ereichen.
3. Bei einer Telefax-Übermittlung begründet die ordnungsgemäße, durch einen „OK“-Vermerk unterlegte Absendung eines Schreibens über ein bloßes Indiz hinaus nicht den Anscheinsbeweis für dessen tatsächlichen Zugang bei dem Empfänger.
4. Eine in Form einer E-Mail abgegebene Erklärung geht zu, wenn sie in die Mailbox des Empfängers gelangt. Ein Beweis des ersten Anscheins für den Eingang in der Mailbox des Empfängers ergibt sich aber nicht bereits dann, wenn der Erklärende die Absendung der E-Mail beweisen kann.
5. Das einfache Bestreiten des Zugangs ist nicht rechtsmissbräuchlich, weil selbst durch die Kumulation von drei Schreiben in jeweils unterschiedlichen Versendungsarten sich kein Anscheinsbeweis für den Zugang auch nur eines dieser Schreiben begründen lässt. Durch die Kumulation verschiedener Versendungsarten erhöht sich nämlich nicht zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit eines Zugangs beim Empfänger. Jede Versendungsart hat ihre eigenen Gefahren, welche zu einem Fehlschlag der Übermittlung führen können.
AG Neukölln vom 22.3.2012 – 10 C 474/11 –
Mitgeteilt von RAin Evelyn Meyer
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Abrechnung ging dem Beklagten am 23.7.2010 zu. Einwendungen gegen diese hat er bis zum Juli 2011 nicht nachweisbar erhoben. Die Klägerin bestritt den Zugang von Einwendungen zulässig damit, Schreiben des Beklagten nicht erhalten zu haben. Der Beklagte trägt vor, mit einem Schreiben vom 1.8.2010 per Post sowie vom 2.8.2010 per Fax und per E-Mail Einwendungen erhoben zu haben und belegte dies mit dem Ausdruck eines Faxjournals sowie dem Ausdruck der Ausgangsbestätigung eines E-Mail-Postfachs. Für die Erhebung der Einwendung genügt aber nicht der Nachweis, dass eine Einwendung in Richtung der Klägerin durch Brief, Fax und E-Mail auf den Weg gebracht wurde, weil § 556 Abs. 3 BGB auf den Zugang der Einwendung abstellt. Der Beklagte muss den Zugang der Einwendung bei der Klägerin beweisen, weil es sich dabei um eine Tatsache handelt, die den Tatbestand einer für ihn günstigen Rechtsnorm ausfüllt. Für den Zugang der Einwendung ist der Beklagte aber beweisfällig geblieben.
a) Brief
Die Absendung eines Briefes begründet auch nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises keinen Zugang. …Es gilt eine Tatsache, der ein typischer Geschehensablauf zugrunde liegt, zugunsten der beweisbelasteten Partei als bewiesen, solange die andere Partei nicht die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs beweist. Ein typischer Geschehensablauf liegt aber nur vor, wenn nach der Lebenserfahrung von einem bestimmten Ereignis auf eine bestimmte Folge geschlossen werden kann. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens kann es jedoch immer wieder vorkommen, dass Postsendungen den Empfänger nicht ereichten. Auch wenn die Zahl verloren gegangener Postsendungen gering ist, so ist weder der Verlust noch der Zugang einer Sendung typisch. Beides ist vielmehr gleich wahrscheinlich (LG Potsdam, Urt. v. 27.7.2000 – Az. 11 S 233/99 zum Einwurfeinschreiben). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Empfänger den Nachweis, dass er das Schreiben nicht erhalten hat, in der Regel gar nicht führen kann, will es sich hierbei um eine negative Tatsache handelt. Ferners ist zu beachten, dass derjenige, der einen Streit über den Zugang eines Schriftstücks vermeiden will, andere Möglichkeiten der Übersendung wählen kann, die einen sicheren Zugangsbeweis ermöglichen (AG Kempen, Urt. v. 22.8.2006 – Az: 11 C 432/05 zum Einwurfeinschreiben).
b) Faxnachricht
Die Übersendung der Einwendungen mittels eines Faxschreibens begründet ebenfalls keinen Zugangsbeweis, auch nicht nach den Grundsätzen über den Anscheinsbeweis. Maßgebend ist nämlich, dass eine Übertragung bis zum Empfangsgerät bei der Anwahl typischerweise erfolgt und das Sendejournal bzw. Sendeprotokoll dies zutreffend wiedergibt. Es entspricht aber gerade nicht einem typischen Geschehensablauf, dass ein gesendetes Fax stets im Machtbereich des Empfängers eingeht, obwohl der Empfang durch ein „OK“-Protokoll beim Versender bestätigt wurde (BGH, Beschluss vom 23.10.1995 – Az: II ZB 6/95, MDR 96, 99; Urteil vom 7.23.1994 – Az: VIII ZR 153/93). Vielmehr gibt das Faxjournal bzw. das Sendeprotokoll nur Auskunft, dass die Absendung nicht aber der Zugang beim Empfangsgerät erfolgte.
Diese Rechtsprechung wurde durch einige Gerichte relativiert. Bei neuen, modernen Faxgeräten gingen mehrere Oberlandesgerichte davon aus, dass technische Störungen, die trotz des „OK“-Vermerks im Sendeprotokoll den korrekten Empfang verhindern, nicht mehr vorkämen, es sei denn, der versierte Prozessgegner bringt hierzu eine qualifizierte technische Argumentation (OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.9.2008 – 12 U 65/08; OLG Celle, Urt. v. 19.6.2008 – 8 U 80/07; OLG Frankfurt, Urt. v. 5.3.2010 – 19 U 213/09).
Mit Beschluss vom 21. Juli 2011, IX ZR 148/10 hat der BGH seine bereits zitierte Rechtsprechung jedoch erneut bekräftigt. Bei einer Telefax-Übermittlung begründet die ordnungsgemäße, durch einen „OK“-Vermerk unterlegte Absendung eines Schreibens über ein bloßes Indiz hinaus nicht den Anscheinsbeweis für dessen tatsächlichen Zugang bei dem Empfänger. Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an, weil der „OK“-Vermerk dem Absender keine Gewissheit über den Zugang der Sendung gibt. Dieser Vermerk belegt nur das Zustandekommen der Verbindung, aber nicht die erfolgreiche Übermittlung. … Erkenntnisse, nach denen der „OK“-Vermerk nicht nur das Zustandekommen einer Verbindung, sondern auch die korrekte Übermittlung des Kommunikationsinhalts beweise, sind weder bekannt noch wurden sie vorgetragen.
c) E-Mail-Schreiben
Einen Zugangsbeweis der Einwendungen liefert auch nicht die Übersendung mittels einer E-Mail am 2.8.2010. Eine in Form einer E-Mail abgegebene Erklärung geht zu, wenn sie in die Mailbox des Empfängers gelangt (Einsele, in: MüKo, BGB, 5. A., 2006, § 130, 18). Ein Beweis des ersten Anscheins für den Eingang in der Mailbox des Empfängers ergibt sich nicht bereits dann, wenn der Erklärende die Absendung der E-Mail beweisen kann (Mankowski, NJW 2004, 1901 – Zum Nachweis des Zugangs bei elektronischen Erklärungen). Denn die Absendung allein bietet keinerlei Gewähr dafür, dass die Nachricht den Erklärungsempfänger bzw. dessen Mailbox tatsächlich erreicht. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Nachricht, etwa wegen Fehlern in der Datenleitung oder den vom Absender verwendeten Programmen, tatsächlich nicht in die Mailbox des Empfängers gelangt (OLG Köln, Urt. v. 5.12.2006 – Az: 3 U 167/05).
d) Kumulation der Übersendungsmethoden
Das einfache Bestreiten des Zugangs ist des Weiteren nicht rechtsmissbräuchlich, weil selbst durch die Kumulation von drei Schreiben in jeweils unterschiedlichen Versendungsarten sich kein Anscheinsbeweis für den Zugang auch nur eines dieser Schreiben begründen lässt. Durch die Kumulation verschiedener Versendungsarten erhöht sich nämlich nicht zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit eines Zugangs beim Empfänger. Jede Versendungsart hat ihre eigenen Gefahren, welche zu einem Fehlschlag der Übermittlung führen können. Briefe können auf dem Postweg abhanden kommen. Die Übermittlung durch eine elektronische Versendungsart ist nicht frei vom Zugangsrisiko. Sie dient zwar der schnellen Versendung von Schriftstücken. Dies geht aber zu Lasten der Sicherheit der Übertragung, weil die Datenübertragung z.B. beim Faxgerät an Defekten im Empfangsgerät, z.B. einem Papierstau, oder an Leitungsstörungen oder Verzerrungen scheitern kann, ohne dass die missglückte Datenübermittlung im Sendebericht ausgewiesen wird. Bei E-Mails ist nicht auszuschließen, dass die Nachricht, etwa wegen Fehlern in der Datenleitung oder in dem vom Absender verwendeten Programm, nicht in die Mailbox des Empfängers gelangt.
Ob sich die Klägerin auf das einfache Bestreiten des Zugangs hätte beschränken können, wenn der Beklagte z.B. eine Mehrzahl von Briefen an die Adresse der Klägerin auf den Weg gebracht hätte, weil es bei nur einer Versendungsart unwahrscheinlich wäre, wenn dieselbe Zugangsvereitelung mehrfach eintritt, kann dahinstehen. Der Beklagte hat sich für eine Kumulation verschiedener Versendungsarten und der damit einhergehenden, gestreuten Übermittlungsgefahr entschieden.
…
16.08.2013