Leitsatz:
Bei einer nach Abmahnung einmaligen, nur um einen einzigen Tag verspäteten Zahlung der Miete, handelt es sich um einen Bagatellfall, der bei Interessenabwägung der Parteien auch eine ordentliche Kündigung nicht rechtfertigt.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 14.2.2013 – 8 C 192/12 –
Mitgeteilt von RA Dr. Rainer Tietzsch
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Räumung der Wohnung, da das Mietverhältnis durch die seitens der Klägerin ausgesprochene Kündigungen nicht beendet worden ist.
… Die Zahlungsunpünktlichkeit berechtigt nur dann zur Kündigung, wenn weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Rechte und Interessen des Vermieters so schwer beeinträchtigt werden, dass diesem die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dies ist der Fall, wenn durch das Zahlungsverhalten des Mieters das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört oder zumindest stark erschüttert ist. Dies ist durch den Tatrichter aufgrund einer Interessenabwägung festzustellen (vgl. Schmid-Futterer-Blank, Mietrecht, § 543 BGB, Rdn. 174). Im vorliegenden Fall führen die Gesamtumstände im Wege einer Interessenabwägung dazu, dass weder eine fristlose noch eine fristgemäße Kündigung gerechtfertigt ist. Der Umstand – der Vortrag der Klägerseite als richtig unterstellt -, dass die Beklagte nach der Abmahnung lediglich ein einziges Mal den Mietzins verspätet gezahlt hat und dies nur um einen einzigen Tag verspätet, stellt kein erhebliches, nachhaltiges vorwerfbares Verhalten der Beklagten in der Weise dar, dass sie dadurch das Vertrauensverhältnis vollkommen zerstört hat.
Nach Ansicht des erkennenden Gerichts genügt eine einmalige verspätete Zahlung des Mietzinses nach Abmahnung nicht, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Das Landgericht Berlin (Urteil vom 22.6.2000 – 67 S 288/99 -, MM 00, 421) erklärt in seiner Entscheidung, dass die dortige Kammer in ständiger Rechtsprechung ein Recht zur fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses bejaht, wenn ein Mieter nach einer Abmahnung die Miete innerhalb eines Jahres noch drei Mal unpünktlich zahlt und dass dieselben Erfordernisse für eine ordentliche Kündigung gelten (LG Berlin a.a.O.). Die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geht dahin, dass einem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, wenn der Mieter über einen längeren Zeitraum seinen Mietzins trotz Abmahnung laufend unpünktlich zahlt und sich damit als unzuverlässig erweist, da dem Vermieter bei einem solch unzuverlässigen Mieter die Möglichkeit genommen ist, über den Mietzins am Fälligkeitstage disponieren zu können. Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14.9.2011 (BGH VIII ZR 301/10) steht dem nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung „kann“ bereits eine weitere unpünktliche Zahlung nach erfolgter Abmahnung eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Der Entscheidung ist zum einen zu entnehmen, dass der BGH nicht der Meinung ist, dies „müsse“ der Fall sein, sondern die Entscheidung zeigt die Eckpunkte zur Kündigungsberechtigung des Vermieters bei ständig unpünktlicher Mietzahlung auf; diese stehen jedoch immer unter dem Vorbehalt der umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles in Abwägung der beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien, d.h., ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses dem Vermieter zugemutet werden kann. Dies ist in erster Linie eine Sache der Beurteilung durch den Tatrichter. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH, der es in seiner Entscheidung hat dahinstehen lassen, ob – wie die Berufungskammer gemeint hat – eine dreimalige weitere verspätete Mietzahlung nach Abmahnung erforderlich sei, der Erfolg der Abmahnung sich jedoch darin eigen müsse, dass das beanstandete Verhalten nicht wiederholt werde, muss hier im Ergebnis festgestellt werden, dass das beanstandete Verhalten bis auf den einen Tag, an dem die verspätete Mietzahlung auf Klägerseite nach deren Behauptung einging, nicht wiederholt worden ist.
Hinzu kommt – wie oben dargelegt – dass nach dieser behaupteten verspäteten Zahlung die Klägerin es unterlassen hat, die fristlose Kündigung auszusprechen, sondern dies erst nach mehreren Monaten getan hat. Die Klägerin hat damit gezeigt, dass sie diese eine um einen Tag verspätete unpünktliche Zahlung nicht als so wesentlich ansieht, dass sie eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses begehrt. Die Klägerseite muss sich das Verhalten ihrer Hausverwaltung anrechnen lassen, selbst wenn diese erst nach Monaten der Klägerin das entsprechende Verhalten der Beklagten übermittelt hat.
Hinzu kommt bei der Interessenabwägung, dass – selbst wenn man davon ausgeht -, auch bei einem Zahlungsverhalten des Mieters derart, dass der Abmahnung wiederholt Zahlungsverzögerungen vorausgegangen waren, so dass es für die Kündigung ausreichen kann, dass der Mieter nach Erhalt der Abmahnung wiederum unpünktlich zahlt, eine Ausnahme dann gegeben ist, wenn es sich um Bagatellfälle handelt (vgl. Schmidt-Futterer/Blank a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Bei einer einmaligen, nur um einen einzigen Tag verspäteten Zahlung der Miete, nach Abmahnung, handelt es sich um einen Bagatellfall, der bei Interessenabwägung der Parteien auch eine ordentliche Kündigung nicht rechtfertigt. Wie das Landgericht München in seiner Entscheidung vom 22.2.1991 (- 14 S 20241/90 -, WuM 91, 346) ausführt, lässt ein derartiges Zahlungsverhalten eines Mieters keine schikanöse Absicht vermuten, wobei im dortigen Fall der Mieter mehrfach nach der Abmahnung überwiegend Fälligkeitstermine ganz geringfügig überschritten hatte …
30.06.2017