Leitsatz:
Ergibt ein Aufmaß, dass die Wohnung erheblich größer ist [hier 33,95 Prozent] als vertraglich vereinbart, gibt dieser Umstand allein dem Vermieter noch kein Recht zur Mieterhöhung nach § 558 BGB. Bei der Berechnung der Kappungsgrenze ist auch in einem solchen Fall vom bisherigen Ausgangsmietzins auszugehen, welcher wegen der tatsächlich größeren Wohnfläche nicht zu erhöhen ist.
AG Charlottenburg vom 2.12.2013 – 237 C 302/13 –
Mitgeteilt von RA Ludger Freienhofer
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Mietvertrag aus dem Jahre 1985 befand sich die Angabe: „Wohnfläche: 156,95 Quadratmeter“. 2013 ließ der Vermieter das Gebäude durch einen Architekten aufmessen. Danach hatte die Wohnung des Mieters tatsächlich eine Fläche von 210,43 Quadratmetern.
In der Mieterhöhung vom 24. Mai 2013 wurde die aktuelle, seit Dezember 2008 unveränderte Bruttokaltmiete mit 629,75 Euro mitgeteilt, und der Mieter wurde darauf hingewiesen, die tatsächlich von ihm geschuldete monatliche Bruttokaltmiete aufgrund der Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche belaufe sich auf 843,06 Euro. Mit der Begründung, die tatsächlich geschuldete Bruttokaltmiete von 843,06 Euro könne maximal um 15 Prozent von 629,75 Euro angehoben werden, wurde die Zustimmung zur Erhöhung der Bruttokaltmiete um 94,46 Euro auf 937,52 Euro gefordert. Der Mieter erklärte allerdings nur die Teilzustimmung zu einer Mieterhöhung „von einer Brutto-Kaltmiete von 629,75 Euro um 94,46 Euro auf 724,21 Euro monatlich bruttokalt“. Der Vermieter gab sich damit nicht zufrieden und erhob Zustimmungsklage. Das Amtsgericht wies die Klage als unbegründet ab. Es führte zur Begründung aus:
Eine weitergehende Mieterhöhung scheitere an den gesetzlichen Regelungen gemäß §§ 557 Abs. 3, 558 Absätze 1 und 3 BGB. Die drei Jahre vor dem Wirksamwerden der Mieterhöhung geschuldete monatliche Bruttokaltmiete belaufe sich unstreitig auf 629,75 Euro. Diese Miete dürfe nur um 15 Prozent, also nur um 94,46 Euro erhöht werden. Zwar habe der Vermieter die Kappungsgrenze von 15 Prozent auf der Grundlage dieser Ausgangsmiete zutreffend mit 94,46 Euro errechnet. Er meine jedoch, die „Miete“ im Sinne des § 558 Abs. 1 BGB, deren Erhöhung er fordern könne, sei nicht diese von dem Mieter bis zu seinem Mieterhöhungsverlangen vertraglich geschuldete Bruttokaltmiete in Höhe von 629,75 Euro, sondern eine erhöhte Bruttokaltmiete in Höhe von 843,06 Euro, die der Mieter wegen der inzwischen ermittelten größeren Wohnfläche tatsächlich schulden würde. Nach § 558 Abs. 1 BGB könne der Vermieter aber nicht die Zustimmung zur Erhöhung einer fiktiven Ausgangsmiete, die niemals Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung war, verlangen, sondern nur die Zustimmung zur Erhöhung der bis dahin nach den vertraglichen Vereinbarungen geschuldeten Miete. Geschuldet habe der Mieter zuvor aber nur eine Gesamtmiete von 629,75 Euro bruttokalt.
Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23.5.2007 – VIII ZR 138/ 06 -) habe nämlich lediglich entschieden, dass bei einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 Prozent in Betracht kommen wird, dass der gutgläubige Vermieter nicht auf Dauer an seinem Irrtum über die tatsächliche Größe der Wohnung gebunden bleibe, sondern dass er berechtigt sei, einem die gesetzlichen Fristen (§ 558 Abs. 1 BGB) wahrenden Mieterhöhungsverlangen die tatsächliche Wohnfläche zugrunde zu legen. Damit habe der Bundesgerichtshof aber nicht gesagt, dass in einem solchen Fall Ausgangsmiete im Sinne des § 558 Abs. 1 BGB eine „fiktive Miete“ auf der Basis der höheren Wohnfläche sein solle und die Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB auf der Basis der vertraglich vereinbarten Ausgangsmiete tatsächlich außer Kraft gesetzt sein, also nicht gelten solle. Dies widerspräche auch dem Gesetzeszweck, nämlich zu verhindern, dass die Mietsteigerung für den Mieter innerhalb einer zu kurzen Zeit zu groß werde. Denn obwohl sich angesichts einer größeren Wohnfläche eine höhere ortsübliche Vergleichsmiete ergebe, sei die gesetzliche Kappungsgrenze dennoch zu beachten. Grundsätzlich müsse der Vermieter nämlich neben der Obergrenze der Vergleichsmiete auch die Einhaltung der Kappungsgrenze beachten.
Urteilstext
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zustimmung zur Mieterhöhung in Anspruch. Der Beklagte ist gemäß Mietvertrag vom 11.12.1985 seit dem 1. Januar 1986 Mieter der 5 Zimmer – Wohnung im 2. OG links des Hauses K.straße in 10??? Berlin. In dem Mietvertrag wurden unter § 1 Nr. 1 die vermieteten Räume aufgelistet. Dahinter befindet sich die Angabe: „Wohnfläche: 156,95 m²“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag verwiesen. In das mit der D.W. mbH begründete Mietverhältnis trat die Klägerin durch Eigentumserwerb auf Vermieterseite ein und wurde am 11.04.2006 als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Anfang des Jahres 2013 ließ die Klägerin das gesamte Objekt K.straße durch den Architekten G. aufmessen. Laut Auszug aus dem entsprechenden Aufmaß hat die Wohnung des Beklagten tatsächlich eine Fläche von 210,43 m². Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Mai 2013 wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, nach dem Aufmaß belaufe sich die tatsächliche Wohnfläche auf 210,24 m² und diese überschreite die vereinbarte Fläche der von ihm angemieteten Räume um 33,95 %.
Aufgrund dieser erheblichen Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche sei sie berechtigt, die Miete im Verhältnis zu der tatsächlichen Größe der Wohnung anzuheben. In dem Schreiben wurde die aktuelle, seit Dezember 2008 unveränderte Bruttokaltmiete mit 629,75 € mitgeteilt und der Beklagte wurde darauf hingewiesen, die tatsächlich von ihm geschuldete monatliche Bruttokaltmiete aufgrund der Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche belaufe sich auf 843,06 €. Mit der Begründung, die tatsächlich geschuldete Bruttokaltmiete von 843,06 € könne maximal um 15 % von 629,75 € angehoben werden, wurde die Zustimmung zur Erhöhung der Bruttokaltmiete um 94,46 € auf 937,52 € gefordert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Mieterhöhungsverlangen vom 24.05.2013 Bezug genommen. Daraufhin ließ der Beklagte durch den Berliner Mieterverein mit Schreiben vom 09.07.2013 die Teilzustimmung zu einer Mieterhöhung „von einer Brutto – Kaltmiete von 629,75 € um 94,46 € auf 724,21 € monatlich bruttokalt“ erklären. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, es fehle bereits an einer Rechtsgrundlage, die aktuelle Miete unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche neu zu berechnen, da mietvertraglich eine Wohnfläche von nur 156,95 m2 angesetzt worden sei und ausdrücklich keine Miete pro m² vereinbart worden sei. Auf das Schreiben wird verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, bei dem anteiligen Mieterhöhungsbetrag von weiteren 213,31 €, zu dem sie Zustimmung des Beklagten begehre, handele es sich um die Differenz zwischen der bisher für eine Fläche von 156,95 m² gezahlten Bruttokaltmiete von 629,75 € und der bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche von 210,24 m² eigentlich geschuldeten Bruttokaltmiete in Höhe von 843,06 €. Die Klägerin meint, auf diesen Teil der Mieterhöhung sei die Regelung der Kappungsgrenze nicht anwendbar, schon weil es sich um eine Anpassung der Miete an die tatsächliche Wohnfläche handele.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, für die im 2. OG links des Hauses K.straße in 10??? Berlin gelegene Wohnung, bestehend aus 5 Zimmern, Küche, 2 Fluren, 2 Bädern, Abstellraum und Balkon, ab dem 01.08.2013 einer Erhöhung der monatlichen Bruttokaltmiete von bisher 629,75 € monatlich über die bereits erteilte Teilzustimmung um 94,46 € auf 724,21 € hinaus um weitere 213,31 € auf 937,52 € zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, für eine weitere Mieterhöhung über die bereits erteilte Teilzustimmung hinaus fehle der Klägerin die gesetzliche Grundlage. Dies ergebe sich bereits aus § 557 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift könnten Mieterhöhungen nur nach Maßgabe der §§ 558 bis 560 BGB verlangt werden. Für die von der Klägerin vorgenommene Neuberechnung der Miete aufgrund der Neuvermessung der Wohnung fehle es sowohl einer gesetzlichen als auch an einer vertraglichen Grundlage. Wie sich aus dem Mietvertrag ergebe, hätten die Parteien keine Quadratmetermiete vereinbart, sondern einen Mietzins für die vermietete Wohnung. Das einzige Argument der Klägerin für die begehrte Miete sei die abweichende Flächenangabe. Eine dementsprechende Mieterhöhungsmöglichkeit sehe das Gesetz aber nicht vor. Auch ein Anspruch auf eine Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Der BGH habe zutreffend entschieden, dass die Ermittlung der tatsächlichen Wohnungsgröße vor Abschluss des Mietvertrages grundsätzlich die Aufgabe des Vermieters sei und dass der Vermieter das Risiko einer Flächenabweichung zu tragen habe. Außerhalb des Verfahrens nach § 558 BGB könne der Vermieter wegen einer Abweichung der im Mietvertrag angegebenen kleineren Fläche keine Mieterhöhung beanspruchen und für eine Mieterhöhung nach § 558 BGB sei die Kappungsgrenze zu beachten.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 558 BGB auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Bruttokaltmiete über 724,21 € monatlich hinaus. Dieser Erhöhung hatte der Beklagte bereits mit Schreiben vom 09.07.2013 vorprozessual zugestimmt. Eine weitergehende Mieterhöhung scheitert an den gesetzlichen Regelungen gemäß §§ 557 Abs. 3, 558 Abs. 1 und 3 BGB. Nach § 558 Abs. 3 BGB darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 BGB abgesehen, nicht um mehr als 20 % erhöhen, wobei der Prozentsatz nach Satz 2 dieser Vorschrift nur 15 % beträgt, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete durch eine Rechtsverordnung gemäß § 558 Abs. 3 S. 3 BGB bestimmt sind. Auf dieser Rechtsgrundlage ist in Berlin seit 19.05.2013 die Kappungsgrenzen – Verordnung in Kraft, nach deren Inhalt Berlin eine solche Gemeinde im Sinne des § 558 Abs. 3 S. 2 BGB ist. Dementsprechend hat die Klägerin auch selbst in ihrem Mieterhöhungsverlangen vom 24.05.2013 die einzuhaltende Kappungsgrenze mit 15 % angegeben. Die 3 Jahre vor dem Wirksamwerden der Mieterhöhung geschuldete monatliche Bruttokaltmiete belief sich unstreitig auf 629,75 €. Diese Miete darf nur um 15 %, also nur um 94,46 € erhöht werden. Zwar hat die Klägerin die Kappungsgrenze von 15 % auf der Grundlage dieser Ausgangsmiete zutreffend mit 94,46 € errechnet. Sie meint jedoch, die „Miete“ im Sinne des § 558 Abs. 1 BGB, deren Erhöhung sie fordern könne, sei nicht diese von dem Beklagten bis zu ihrem Mieterhöhungsverlangen vertraglich geschuldete Bruttokaltmiete in Höhe von 629,75 €, sondern eine erhöhte Bruttokaltmiete in Höhe von 843,06 €, die der Beklagte wegen der inzwischen ermittelten größeren Wohnfläche tatsächlich schulden würde. Nach § 558 Abs. 1 BGB kann die Klägerin aber nicht die Zustimmung zur Erhöhung einer fiktiven Ausgangsmiete, die niemals Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung war, verlangen, sondern nur die Zustimmung zur Erhöhung der bis dahin nach den vertraglichen Vereinbarungen geschuldeten Miete. Geschuldet hat der Beklagte zuvor aber nur eine Gesamtmiete von 629,75 € bruttokalt, weil die Parteien nach dem Klagevortrag keine höhere Miete gemäß § 557 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB vereinbart hatten und der Vermieter im Übrigen gemäß § 557 Abs. 3 BGB Mieterhöhungen nur nach Maßgabe der §§ 558 bis 560 BGB verlangen kann. Soweit sich der Klägervertreter im Termin ergänzend auf eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg bezogen hat (LG Hamburg, Urteil vom 13.01.1989 zu 11 S 179/88; veröffentlicht bei Juris) behandelte dieses Urteil einen Ausnahmefall. Ausweislich der dortigen Entscheidungsgründe hatten die Parteien nämlich – anders als hier – wegen der „weiter vorhandenen Wohnfläche“ vor der geforderten Mieterhöhung im Wege des Vergleichs eine freiwillige Mieterhöhungsvereinbarung geschlossen. Hier fehlt es aber gerade an einer solchen Vereinbarung der Parteien und genau so wie eine Änderung der Mietstruktur nicht in dem Verfahren gemäß §§ 558 ff. BGB gefordert werden kann kommt in diesem Verfahren auch eine einseitige Änderung der Ausgangsmiete wegen Anpassung an eine neu ermittelte Wohnfläche nicht in Betracht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof hat nämlich lediglich entschieden, dass bei einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % in Betracht kommen wird, dass der gutgläubige Vermieter nicht auf Dauer an seinem Irrtum über die tatsächliche Größe der Wohnung gebunden bleibt, sondern dass er berechtigt ist, einem die gesetzlichen Fristen (§ 558 Abs. 1 BGB) wahrenden Mieterhöhungsverlangen die tatsächliche Wohnfläche zugrunde zu legen (BGH GE 07, 1046, 1047). Damit hat der Bundesgerichtshof aber nicht gesagt, dass in einem solchen Fall Ausgangsmiete im Sinne des § 558 Abs. 1 BGB eine „fiktive Miete“ auf der Basis der höheren Wohnfläche sein soll und die Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB auf der Basis der vertraglich vereinbarten Ausgangsmiete tatsächlich außer Kraft gesetzt sein, also nicht gelten soll. Dies widerspräche auch dem Gesetzeszweck, nämlich zu verhindern, dass die Mietsteigerung für den Mieter innerhalb einer zu kurzen Zeit zu groß wird (vgl. Palandt-Weidenkaff, 73. Aufl., § 558 BGB Rz. 19). Soweit der Klägervertreter im Verhandlungstermin ausgeführt hat, die Kappungsgrenze sei damit nicht vereinbar, dass der BGH ausdrücklich meine, der Vermieter solle eine Vergütung für seine Mehrleistung wegen der höheren Wohnfläche erhalten können, ist seine Argumentation deshalb nicht nachvollziehbar. Denn obwohl sich angesichts einer größeren Wohnfläche eine höhere ortsübliche Vergleichsmiete ergibt, ist die gesetzliche Kappungsgrenze dennoch zu beachten. Grundsätzlich muss der Vermieter nämlich neben der Obergrenze der Vergleichsmiete auch die Einhaltung der Kappungsgrenze beachten. Der Prozentsatz der Kappungsgrenze bleibt, auch wenn die Vergleichsmiete – hier wegen Neuvermessung der Wohnung – höher ist (vgl. Palandt-Weidenkaff, a. a. O., Rz. 20). Das Landgericht Hamburg hat nur deshalb entschieden, dass die Einhaltung der Kappungsgrenze in dem dort zur Entscheidung stehen Einzelfall nicht möglich war, weil es zusätzlich die freiwillige Mieterhöhungsvereinbarung der Parteien in die Berechnung und rechtliche Würdigung einzubeziehen hatte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den § § 91 Abs. 1,708 Nr. 11,709 S. 2, 711 S. 1, 2 ZPO.
06.05.2018