1. Auf Verträge, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, und zwar auch dann, wenn der Vertrag tatsächlich länger als 30 Jahre läuft, ist § 544 BGB (unmittelbar) nicht anwendbar. Ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, kann deshalb auch nach mehr als 30 Jahren nicht gemäß § 544 BGB gekündigt werden.
2. In der Instanzenrechtsprechung und der Literatur wird allgemein angenommen, dass bei einem dauerhaften Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Wege einer individualvertraglichen Vereinbarung nach Ablauf von 30 Jahren in (entsprechender) Anwendung des § 544 BGB eine außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist möglich sein soll. Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher nicht entschieden.
3. Bei der Kündigung nach § 544 Satz 1 BGB handelt es sich – dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nach – um eine Kündigung im Sinne des § 573 d BGB.
LG Berlin II vom 30.5.2024 – 65 S 189/23 –
Urteilstext
Gründe:
I.
Die Beklagte mietete von der Rechtsvorgängerin des Klägers mit Mietvertrag vom 31. März 1992 die aus einem Zimmer sowie Küche, Toilette, Dusche, Bad und Diele bestehende, inzwischen im Eigentum des Klägers stehende Wohnung.
Im Mietvertrag wird unter „§ 3 Außerordentliches Kündigungsrecht des Vermieters“ folgende Regelung getroffen:
„Der Vermieter kann aus den gesetzlichen Gründen das Mietverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kün-digungsfrist mit sofortiger Wirkung kündigen.“
Am 28. April 1992 schlossen die Beklagte und die Rechtsvorgängerin des Klägers eine „Zusatzvereinbarung über des [den] abgeschlossenen Mietvertrag vom 31.03.1992 zwischen der Grundstücksgemeinschaft R. in Vertretung von Frau I. R. und der Mieterin Frau A.“, die unter anderem folgenden Inhalt hat:
„zu § 2 Mietzeit:
Die Mietzeit läuft auf unbestimmte Zeit und kann von Seiten des Vermieters R. nicht gekündigt werden, dies schließt auch eine Kündigung wegen Eigennutzung des Vermieters R. aus.
Zu § 3 Außerordentliches Kündigungsrecht des Vermieters:
Der § 3 wird aufgehoben.“
Mit Anwaltsschreiben vom 18. Oktober 2022 sprach der Kläger wegen verschiedener, im einzelnen dargestellter Vertragsverletzungen unter Bezugnahme auf § § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 2, Abs. 3 Nummer 1 und Nummer 2, 569 Abs. 2 BGB die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus, hilfsweise die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Mit Urteil vom 30. Juni 2023, den Beklagten zugestellt am 3. Juli 2023 hat das Amtsgericht die Beklagten unter anderem zur Räumung der von diesen in der gehaltenen Wohnung verurteilt.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Kläger das Mietverhältnis mit der Kündigung vom 18. Oktober 2022 gemäß § 544 Satz 1 BGB wirksam gekündigt habe. Das Mietverhältnis sei aufgrund der Zusatzvereinbarung für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen worden. Einer Vereinbarung von mehr als 30 Jahren Vertragsdauer stehe ein Mietvertrag gleich, der vor Ablauf dieser Zeit durch eine oder beide Partner Vertragspartei nicht gekündigt werden könne, gleich, wenn das Kündigungsrecht auf die Dauer von mehr als 30 Jahren generell und nicht nur für einzelne Kündigungs-gründe ausgeschlossen sei. Ein solches Mietverhältnis sei hier insbesondere aufgrund der Zusatzvereinbarung begründet worden, die 30 Jahre mit Ende des 28. April 2022 abgelaufen. Für die Wirksamkeit der Kündigung bedürfe es keines Kündigungsgrundes, da § 544 Satz 1 BGB ein formelles Kündigungsrecht einräume, was allein abhängig vom Ablauf der 30 Jahre sei (Schmidt-Futterer/Lammel, 15. Aufl. 2021, BGB § 544 Rn. 18). Die außerordentliche Kündigung des Wohnraummietvertrages mit gesetzlicher Frist sei gemäß § 573 d Abs. 2 Satz 1 Alt 1 BGB spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigung vom 18. Oktober 2022 habe somit das Mietverhältnis mit Ablauf des 31. Januar 2023 beendet.
Gegen das ihnen am 3. Juli 2023 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 1. August 2023 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 4. September 2023 begründet.
Die Beklagten beanstanden, dass der Kläger seine Kündigung nicht auf § 544 BGB gestützt habe. Eine Umdeutung der ausgesprochenen Kündigung in eine Kündigung nach § 544 BGB sei nicht möglich, da der Kläger von dem Sonderkündi-gungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe. Eine Kündigung nach § 544 BGB sei zudem nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Die Beklagten verweisen zudem darauf, dass das Amtsgericht den Regelungszweck des § 544 BGB nicht berücksichtigt habe. Nach den Motiven des Gesetzgebers solle eine Art Erbmiete verhindert werden, eine eigentümerähnliche dingliche Stellung des Mieters. Aufgrund des § 575 BGB sei ein Zeitmietvertrag nicht mehr zeitlich beschränkt, sondern gegenständlich. Ein Wohnraummietvertrag über eine Dauer von 30 Jahren sei daher nur dann möglich, wenn die Befristungsgründe des § 575 Nr. 1 bis 3 BGB vorliegen. Der einseitige Kündigungsverzicht auf Vermieter-seite sei kein befristeter Vertrag, so dass § 544 BGB nicht anzuwenden sei. Die Regelung komme erst dann zur Anwendung, wenn beide Vertragsparteien auf ihr Kündigungsrecht verzichtet haben.
Nach Zurücknahme der Berufung gegen den Tenor zu 3 und zu 4 der Entscheidung des Amtsgerichts haben die Beklagten zuletzt beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er meint auf die Regelung des § 544 BGB hätte das Amtsgericht nicht hinweisen müssen. Unstreitig sei zwischen den Parteien gewesen, dass durch den am 31. März 1992 geschlossene Mietvertrag ein unbefristetes Mietverhältnis begonnen habe. Bereits ein unbefristetes Mietverhältnis stelle einen Miet-vertrag dar, der über eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen ist. Hieran ändere auch die Zusatzvereinbarung vom 28.4.1992 nichts. Der Kläger meint, Voraussetzung für die Anwendung des § 544 BGB sei nicht die tatsächliche Dauer, sondern die Dauer der vertraglichen Bindung. Diese Voraussetzung sei auch bei einem auf unbestimmte Zeit abge-schlossen Mietvertrag gegeben, in dem für beide oder auch nur ein Teil die Kündigung ausgeschlossen ist. Auch wenn die Reichweite des § 544 BGB höchstrichterlich noch nicht vollständig geklärt sei, sei der Anwendungsbereich der Norm hier eröffnet. Zwar könne auch ein Mietvertrag, der auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde, in den Anwendungsbereich des § 544 BGB fallen. Dies gelte nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 544 BGB in Fällen des vollständigen Ausschlusses des Rechts zur Kündigung für eine Partei. Rechtswidrig sei die Ansicht der Beklagten, die Kündigungserklärung habe nicht zu einer Beendigung des Mietverhältnisses geführt, weil der Kläger sich in dieser Erklärung nicht explizit auf die Regelung des § 544 BGB bezogen habe. Die Beklagten würden übersehen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 544 Satz 1 BGB der Vertrag nach Ablauf von 30 Jahren seit Überlassung der Mietsache bzw. wie im vorliegenden Fall seit der Änderungsvereinbarung vom 28. April 1992 kündbar werde.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen – soweit die Beklagten die Berufung nicht zurückgenommen haben – eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) [nachfolgend: die Beklagte] keinen Anspruch auf Räumung der von dieser und dem Beklagten zu 2) [nachfolgend: der Beklagte] seit 1992 inne gehaltenen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.
Das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 18. Oktober 2022 nicht nach § 544 Satz 1 BGB beendet worden. Die Kündigung ist (formell) unwirksam.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist durch die Zusatzvereinbarung zum Kündigungsausschluss vom 28. April 1992 nicht etwa ein (befristetes) Mietverhältnis über (mehr?) 30 Jahre „begründet“ worden. Nach den Vereinbarungen der Parteien handelte es sich (weiterhin) um ein unbefristetes Mietverhältnis. Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der (bloße) Ablauf von 30 Jahren den Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis über Wohnraum (!) ohne das Vorliegen eines Kündigungsgrundes zu kündigen. Die Auffassung des Amtsgerichts findet weder im Gesetz, seinen Materialien noch der Rechtsprechung und Literatur eine Stütze.
a) Nach dem gemäß §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO zugrunde zu legenden erstinstanzlichen Vortrag der Parteien haben die Rechtsvorgängerin des Klägers und die Beklagte ein unbefristetes Mietverhältnis über Wohnraum abgeschlossen. Soweit die Beklagte erstmals unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 28. Mai 2024 weitere Vertragserklärungen vorlegt, sind diese nach den oben genannten Regelungen nicht zu berücksichtigen.
Woraus das Amtsgericht den Schluss zieht, dass aufgrund der Nachtragsvereinbarung vom 28. April 1992 ein Mietver-trag über mehr als 30 Jahre „begründet“ wurde, das der Kläger nach § 544 Satz 1 BGB kündigen konnte, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.
Nach § 544 Satz 1 BGB kann jede Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen wird.
Der unmittelbare Anwendungsbereich des § 544 Satz 1 BGB ist – anders als das Amtsgericht annimmt – demnach nur eröffnet, wenn die Parteien 1992 konkrete Abreden über eine bestimmte Vertragsdauer getroffen hätten; auf Verträge, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, und zwar auch dann, wenn der Vertrag tatsächlich länger als 30 Jahre läuft, ist die Vorschrift (unmittelbar) nicht anwendbar (vgl. nur Staudinger/V Emmerich, (2021) § 544 Rn. 4). Entscheidend ist die Vereinbarung im Vertrag, nicht die tatsächliche Übung; ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, kann deshalb auch nach mehr als 30 Jahren nicht gemäß § 544 BGB gekündigt werden (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 573d Rn. 17).
Auf eine Befristung der Vertragslaufzeit deutet im Mietvertrag und dem Nachtrag nichts hin.
Die Auffassung des Amtsgerichts zugrunde gelegt, würde jeder – unbefristete – Mietvertrag, auch über Wohnraum, wenn das Mietverhältnis mehr als 30 Jahre andauert, nach Ablauf von 30 Jahren ohne jede weitere Voraussetzung durch den Vermieter nach § 544 Satz 1 BGB kündbar sein. Dass das nicht richtig sein kann, muss sich schon deshalb aufdrängen, weil die (besonders lange) Dauer eines Wohnraummietverhältnisses nach ganz einhelliger Auffassung als Härtegrund im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses begründen kann und sowohl der Gesetzgeber als auch das Bundesverfassungsgericht den Mieter von Wohnraum unter den besonderen Schutz des sozialen Wohnraummietrechts des BGH stellen, das das Amtsgericht in seine Überlegungen nicht einmal einbezieht.
b) Ob eine analoge Anwendung des § 544 Satz 1 BGB nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten hohen Anforderun-gen an die Zulässigkeit einer Analogie (vgl. nur BGH, Beschluss v. 14.06.2016 – VIII ZR 43/15, juris Rn. 10, mzwN zur st Rspr) und mit Blick auf den besonderen Schutz – insbesondere – des vertragstreuen Mieters von Wohnraum gegen den Verlust der Wohnung durch eine Kündigung des Vermieters (vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 26.05.1993 – 1 BvR 208/93, juris; BT-Drs. 14/4553, S. 69 [zu § 575 BGB-E] im Wohnraummietrecht – wie vom Kläger gewünscht und vom Amtsgericht angenommen – in gleicher Weise in Betracht kommt wie in dem für einen Garagenmietvertrag entschiedenen Fall des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urteil v. 21.12.2007 – 1 U 119/07, juris; oder einem anderen sonstigen Mietverhält-nis), kann hier offenbleiben.
Zuzugeben ist dem Kläger, dass in der Instanzrechtsprechung und der Literatur allgemein angenommen wird, dass bei einem dauerhaften Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Wege einer individualvertraglichen Vereinbarung nach Ab-lauf von 30 Jahren in (entsprechender) Anwendung des § 544 BGB eine außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist möglich sein soll (OLG Karlsruhe, Urteil v. 21.12.2007 – 1 U 119/07, juris, mwN; OLG Hamm, Urteil v. 11.06.1999 – 30 U 238/98, juris [zu § 567 BGB aF]; Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 544 BGB Rn. 11; Fleindl in Bub/Treier, MietR-HdB, 5 Aufl. 2019, Kap. IV Rn. 442; MünchKommBGB/Bieber 9. Aufl. 2023, § 544 Rn. 5; Staudin-ger/V. Emmerich, BGB, [2021], § 544 Rn. 6; BeckOK MietR/Klotz-Hörlin, 36. Ed. 15.2.2024, BGB § 544 Rn. 4).
Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher nicht entschieden, allerdings nur eine entsprechende Anwendung des § 544 BGB überhaupt in Betracht gezogen (BGH, Urteil v. 08.05.2018 – VIII ZR 200/17, juris Rn. 16); vom Wortlaut des § 544 Satz 1 BGB wird der Fall des Kündigungsausschlusses eindeutig nicht erfasst.
Unzutreffend meint das Amtsgericht darüber hinaus, aus einer von ihm zitierten Fundstelle (Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 544 BGB Rn. 18 [gemeint wohl: Rn. 17]) herleiten zu können, dass die Anwendung des § 544 BGB dazu führt, dass es lediglich des Zeitablaufs von 30 Jahren, nicht aber eines Kündigungsgrundes bedarf. Im Fettdruck wird in der Fundstelle für das Wohnraummietrecht allerdings auf den Schutz des Mieters durch § 575 BGB hingewiesen, der – wie die Beklagten zutreffend geltend machen – bereits die rechtliche Möglichkeit der (wirksamen) Be-fristung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter zum Schutz des Mieters beschränkt.
Da die Parteien hier ohnehin keine Befristung des Mietverhältnisses vereinbart haben, § 544 Satz 1 BGB daher unmittel-bar nicht anwendbar ist, kann auch dahinstehen, welche Rechtsfolgen sich aus der zeitlichen Anwendung des § 564c BGB aF ergäben (vgl. Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB).
c) Die fehlerhafte Rechtsanwendung des Amtsgerichts setzt sich darin fort, dass es sodann meint, sich bei der Anwendung des § 573 d BGB auf die Fristenregelung in Absatz 2 beschränken zu können. Ein schlüssiges Motiv dafür lässt sich den Entscheidungsgründen wiederum nicht entnehmen.
Nach § 573 d Abs. 1 BGB gelten mit Ausnahme der Kündigung gegenüber Erben des Mieters nach § 564 die §§ 573 und 573 a entsprechend, wenn ein Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig, bei Wohnraum nach § 549 Abs. 2 Nr. 2 spätestens am 15. eines Monats zum Ablauf dieses Monats (gesetzliche Frist). (Lediglich) § 573a Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Nach Absatz 3 ist eine zum Nach-teil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
aa) Bei der Kündigung nach § 544 Satz 1 BGB handelt es sich – dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nach – um eine Kündigung im Sinne des § 573 d BGB.
Das wird bestätigt durch die Begründung der Vorschrift im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Mietrechtsreform 2001: § 544 BGB wird ausdrücklich als Anwendungsfall des § 573d BGB bei Vorliegen eines Wohnraummietverhältnisses genannt (BT-Drs. 14/4553, S. 67). Abweichende Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung sind nicht feststellbar (vgl. nur Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 573d Rn. 17; Blank/Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, 7. Aufl. 2023, § 573d Rn. 1; Hinz in Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Mie-te/WEG/Nachbarschaft, 2. Aufl. 2019, § 573d Rn. 4; MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 573d Rn. 4; Staudin-ger/Rolfs (2021) § 573d Rn. 7).
bb) Eine Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 573d BGB auf dessen Absatz 2 für den Fall der außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist nach § 544 Satz 1 BGB lässt sich weder dem Wortlaut der Regelungen noch ihrem Zweck entnehmen. Die – nur – analoge Anwendung des § 544 Satz 1 BGB bei einem dauerhaften Ausschluss der or-dentlichen Kündigung des Vermieters kann (offenkundig) keine Absenkung des im Gesetz als zwingend ausgestalteten Schutzes des Wohnraummieters rechtfertigen. Der – hier vom Rechtsvorgänger des Klägers – beabsichtigte Schutz der Beklagten würde ohne jede sachliche Rechtfertigung in sein Gegenteil verkehrt, die Schutzstandards des sozialen Wohnraummietrechts des BGB ebenfalls ohne sachlichen Grund missachtet. Entgegen der Auffassung des Klägers (und des Amtsgerichts) ist es zur Verhinderung einer „Erbmiete“ auch nicht etwa erforderlich, den Vermieter von Wohnraum zu berechtigen, besonders langjährigen – damit einhergehend in der Regel betagten – Mietern nach 30 Jahren ihren Lebens-mittelpunkt zu entziehen, ohne dass einer der im Gesetz abschließend aufgeführten Kündigungsgründe vorliegen müsste. Der Gefahr der „Erbmiete“ begegnet das Gesetz bereits mit § 564 BGB (nF), der seit Mietreform 2001 – anders als die Vorgängerregelung in § 564b BGB aF – den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist durch den Vermieter auch ohne das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses erlaubt (vgl. §§ 573d Abs. 1, 575a Abs. 1 BGB; BT-Drs. 14/4553, S. 62).
cc) Ist (auch) § 573 d Abs. 1 BGB anzuwenden, so muss die Kündigung nicht nur materiell-rechtlich, sondern auch for-mal den Anforderungen der §§ 573, 573a BGB entsprechen.
Nach § 573 Abs. 3 BGB Satz 1 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben; nach § 573a Abs. 3 ist in dem Kündigungsschreiben anzugeben, dass die Kündigung auf die (er-leichterten) Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2 der Vorschrift gestützt wird.
Der Gesetzgeber der Mietrechtsreform 2001 hat das Erfordernis der Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben als Wirksamkeitsvoraussetzung ausweislich der Gesetzesmaterialien deutlicher hervorheben wollen. Die An-gabe von Kündigungsgründen soll es dem Mieter ermöglichen, sich frühzeitig Klarheit über seine Rechtsstellung zu ver-schaffen (BT-Drs. 14/4553, S. 66). Vor eben diesem Hintergrund erklären sich auch die Besonderheiten der Begründung einer Kündigung nach § 573a BGB.
Stützt der Vermieter von Wohnraum seine Kündigung auf einen im Gesetz nicht vorgesehenen Grund, sondern auf die (keinesfalls abschließend geklärte) analoge Anwendung einer allgemeinen Kündigungsvorschrift, kann das unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Absenkung der formellen Anforderungen an die Kündigungserklärung gegenüber einem Wohnraummieter führen. Für den Mieter und die Einschätzung seiner Rechtsstellung ist die Kenntnis davon, dass der Vermieter wegen des den Mieter begünstigenden Kündigungsausschlusses die Kündigung auf einen im Gesetz so nicht vorgesehenen Kündigungsgrund stützt, sich zudem die Kündigungsfrist verkürzt, offenkundig essenziell.
Würde es sich – dem Anwendungsbereich des § 544 Satz 1 BGB entsprechend – um ein nach den Parteivereinbarungen befristetes Mietverhältnis handeln, wären zum Schutz des Mieters von Wohnraum § 564c BGB aF bzw. §§ 575, 575a BGB zu beachten. Die Befristung wäre nach § 575 BGB nur unter engen, hier nicht gegebenen Voraussetzungen wirksam möglich, nach § 564c BGB aF würden sich andere Handlungsmöglichkeiten des Mieters ergeben.
Auch mit Blick darauf kann nicht darauf verzichtet werden, dass der Vermieter sich bei der Kündigung von Wohnraum bezüglich des Kündigungsgrundes festlegt und dies dem Mieter mitteilt. Flankiert vom Schriftformerfordernis des § 568 Abs. 1 BGB kann nur so der Zweck der Begründung einer Kündigung gegenüber einem Mieter von Wohnraum erreicht werden.
b) Ein Anspruch auf Räumung gegen den Beklagten zu 2) besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 546 Abs. 2 BGB nicht vorliegen. Das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten ist nicht beendet. Auf die Feststellungen unter a) wird Bezug genommen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Dem Ausspruch zur teilweisen Verlustigerklärung des Rechtsmittels liegt § 516 Abs. 3 ZPO zugrunde.
3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage des Gesetzes, seiner Ma-terialien und höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe. Über die höchstrichterlich gegebenenfalls zu klärende Rechtsfrage der analogen Anwendung des § 544 BGB im Wohnraummietrecht bei einem dauerhaften Ausschluss der ordentlichen Kündigung war hier nicht zu entscheiden.
26.09.2024