Leitsatz:
Der Vermieter, der das Wohngebäude aufgrund von Schäden der Bausubstanz abreißen lassen will, muss als Begründung in seinem Kündigungsschreiben eine vergleichende Ertragsberechnung anstellen, die die Sanierungs-, Abriss- und Neubaukosten sowie die Erträge vor und nach der geplanten Baumaßnahme einander gegenüberstellt.
LG Berlin, Urteil vom 8.1.2010 – 63 S 297/09 –
Mitgeteilt von RA Ulrich Kernen
Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die Kläger haben keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 BGB. Weder die Kündigung vom 31.7.2008 noch die Kündigung vom 13.5.2009 sind ausreichend nach § 573 Abs. 3 BGB begründet. …
Erforderlich ist, in der Kündigung darzulegen, welche baulichen Maßnahmen mit welchem Ziel durchgeführt werden sollen und welche Nachteile bei Fortsetzung des Mietverhältnisses und Hinderung einer wirtschaftlichen Verwertung entstehen. Dazu sind vergleichende Ertragsberechnungen anzustellen, die die Sanierungs-, Abriss- und Neubaukosten sowie die Erträge vor und nach der geplanten Baumaßnahme einander gegenüberstellen (Landgericht Berlin, Urteil vom 24.11.2006 – 63 S 48/06 = GE 2007, 659; Sternel Mietrecht aktuell, 4. Auflage Kap. X RN 56, 57 und Kap. XI RN 242 ff. m.w.N.). Die Begründung muss konkret genug sein, um dem Mieter die überschlägige Einschätzung seiner Rechtsverteidigung zu ermöglichen. Dabei ist zwischen der Begründungspflicht in der Kündigung und dem Substantiierungsgebot im Rahmen des Prozessvorbringens zu unterscheiden; ob die Kündigung sachlich begründet ist, muss sich erst auf Grundlage des substantiierten Vortrags im Prozess ergeben.
Zwar beziffern die Kläger in der Kündigung vom 13.5.2009 die Kosten der Sanierung pauschal mit 3,5 Millionen Euro, dies ist jedoch aus mehreren Gründen nicht ausreichend, eine Nachvollziehbarkeit für den Mieter zu begründen. Zum einen ist es nicht ausreichend, wenn die Kläger derart pauschal eine Summe behaupten, zum anderen fehlt es nach wie vor an der Vergleichbarkeit der Erträge. In beiden Kündigungen stellen die Kläger jeweils lediglich die Erträge des Hauses im derzeitigen unsanierten Zustand den zu erwartenden Erträgen nach Abriss und Neubau gegenüber.
Auf die Wirtschaftlichkeit des Status quo kommt es ebenso wenig an wie auf die unwirtschaftlich hohen Kosten einer Sanierung, der Aufstockung oder die diesbezügliche Duldungspflicht des Mieters. Ebenso wenig kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung darauf an, ob den Klägern tatsächlich Ersatzwohnungen für die Dauer der Sanierung zur Verfügung stehen. Die Kläger wären notfalls gehalten, Ersatzwohnungen von Dritten anzumieten.
Die Nachvollziehbarkeit für den Mieter ergibt sich ausschließlich aus einem Vergleich der zu erwartenden Erträge des Gebäudes (LG Berlin Urteil vom 19.6.2009 – 63 S 12/08; LG Karlruhe Urteil vom 26.10.1990 – 9 S 163/90, strengere Anforderungen: LG Kiel Urteil vom 2.9.2008 – 1 S 26/08) nach dessen Sanierung mit den zu erwartenden Erträgen nach Abriss und Neubau, wobei lediglich in diesem Rahmen die jeweiligen Kosten der Sanierung und des Neubaus berücksichtigt werden können. Die Kläger beziffern dagegen pauschal die Kosten der Sanierung, ohne auf zu erwartende Erträge einzugehen und geben die zu erwartenden Erträge nach einem Neubau ebenso pauschal an, ohne auf dessen Kosten einzugehen.
Hinzu kommt, dass sich der Vermieter nicht auf eine Unwirtschaftlichkeit berufen kann, die darauf beruht, dass zumutbare Vermietungs- und Sanierungsbemühungen unterlassen wurden (OLG Dresden Urteil vom 3.12.2002 – 5 U 1270/02). Auch hierzu enthält die Kündigung jedoch keinerlei Angaben.
Der Mieter ist nicht gehalten, sich eventuelle Informationen aus Anlagen, Einzelangaben oder Schriftsätzen im Rechtsstreit zusammenzustellen und dann selbst die notwendigen Angaben zu berechnen. …
02.02.2013