Leitsatz:
Ist mietvertraglich vereinbart, dass die Wohnung mittels Wärmecontracting beheizt wird, dessen Kosten vollständig vom Mieter zu tragen sind, so ist dies im Falle eines Mieterhöhungsverlangens mit einem angemessenen Abschlag von der ortsüblichen Vergleichsmiete (hier: 0,22 Euro pro Quadratmeter) zu berücksichtigen.
AG Flensburg vom 5.6.2015 – 64 C 77/13 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Unter Wärmecontracting versteht man eine eigenständig gewerbliche Wärmelieferung aus einer in dem zu versorgenden Gebäude befindlichen Heiz- und/oder Warmwasseranlage, die von einem Dritten auf eigene Rechnung installiert, betrieben und instandgehalten wird. Die Wärmelieferungskosten werden bei entsprechender mietvertraglicher Vereinbarung auf die betreffenden Mieter des Hauses umgelegt, dass heißt, die Mieter zahlen die Einrichtung der Anlage und deren Unterhaltung einschließlich notwendiger Reparaturen anteilig mit.
Grundsätzlich ist es aber die Aufgabe des Vermieters, die Beheizung des Mietobjekts zu gewährleisten und die Kosten dafür zu tragen. Die Vereinbarung über das Wärmecontracting, bei welcher dem Mieter an sich vom Vermieter zu tragende Kosten auferlegt werden, ist nach Ansicht des Amtsgerichts systemfremd. Aus diesem Grund könne auch das Argument, die Berücksichtigung des Wärmecontractings bei der ortsüblichen Vergleichsmiete sei eine unzulässige Vermischung von Mietpreissystemen, nicht greifen.
Ein feststellbarer Teilmarkt habe sich für Wohnungen mit Wärmecontracting noch nicht herausgebildet. Dieser Umstand könne jedoch nicht zu Lasten des Mieters gehen. Wenn die Wohnungen in Kategorien mit entsprechender Heizung eingeordnet würden, müsse es einen Abschlag geben. Der Mieter habe zwar den gleichen Komfort, als würde der Vermieter die Heizung selbst betreiben, jedoch werde er wirtschaftlich nicht gleich gestellt, sondern müsse die Kosten selbst tragen. Er tätige mithin selbst Investitionen in das Mietobjekt, so dass eine Vergleichbarkeit mit Ausstattungsmerkmalen, welche vom Mieter angeschafft worden seien und für die der Vermieter keine Kostenvorteile ziehen darf, gegeben sei.
Das gefundene Ergebnis benachteilige den Vermieter auch nicht unbillig. Ihm verbleibe die Ersparnis, die er aufgrund des Wärmecontracting erziele. Er betreibe eben nicht – wie andere Vermieter – die Wärmeanlage und trage folglich nicht die Kosten für Errichtung, Wartung und Reparatur der Heizung.
Die Feststellung der Höhe des aufgrund der Ausstattung mit Wärmecontracting vorzunehmenden Abschlags unterliege der richterlichen Würdigung, § 287 ZPO. Anhaltspunkt war vorliegend die vom Sachverständigen unwidersprochen ermittelte finanzmathematische Mietpreisdifferenz in Höhe von 0,22 Euro pro Quadratmeter. Hierbei hat er anhand der vom Vermieter vorgelegten Daten die Differenz zu den von den Mietern zu tragenden Kosten mit und ohne die Vereinbarung zum Wärmecontracting dargestellt.
Urteilstext
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der Netto-Kaltmiete. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks … in 24955 Harrislee. Die Beklagte ist Mieterin der dort im 1. Obergeschoss rechts belegenen Wohnung. Das Mietverhältnis begann am 1. April 2007.
In diesem Mietvertrag haben die Parteien ein sog. Wärmecontracting vereinbart.
Die derzeitige Netto-Miete beträgt für die 56,24 qm große Wohnung 355,00 €, das entspricht einer Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche von 6,31 €. Hinzu kommen die monatlichen Vorauszahlungen von Heiz- und Betriebskosten.
Mit Schreiben vom 24. April 2013 forderte die Klägerin die Beklagte auf, einer Mieterhöhung auf 6,65 €/qm, mithin einer Netto-Kaltmiete von 371,18 €, zuzustimmen. Eine derartige Mietanhebung entspricht einer Mieterhöhung von 4,56%. Eine Zustimmung der Beklagten erfolgte nicht.
Die Klägerin behauptet, die bisherige Miete entspreche nicht mehr der ortsüblichen Vergleichsmiete. Sie meint außerdem, die Vereinbarung über das Wärmecontracting habe keine Auswirkung auf die ortsübliche Vergleichsmiete.
[Die Beklagte] behauptet, sie würde bereits einen Mietzins zahlen, der dem ortsüblichen Mietzinsniveau entspreche. Hinzu komme, so ist sie der Ansicht, dass die Vereinbarung über das Wärmecontracting im Mietvertrag bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden müsse.
Aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zustimmung zu dem Mieterhöhungsverlangen gem. § 558b BGB nicht zu.
Nach § 558 Abs. 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen.
Beweispflichtig dafür, dass die ortsübliche Vergleichsmiete nicht bei 6,31 €/qm, sondern bei 6,65 €/qm liegt, ist die Klägerin. Diesen Beweis hat sie nicht erbringen können. Nach dem detailreichen Gutachten des Sachverständigen R., der dem Gericht auch bereits aus zahlreichen anderen Mieterhöhungs- und Mietprozessen bekannt ist, lässt sich ein ortsübliches Entgelt für die streitgegenständliche Wohnung i. H. v. 6,47 €/qm ermitteln. Die vom Sachverständigen ermittelte Miete entspricht jedoch nicht der für die Mieterhöhung anzunehmenden Vergleichsmiete, da dieser zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, dass die streitgegenständliche Wohnung mittels Wärmecontracting beheizt wird. Dies stellt ein Ausstattungsmerkmal dar, das i. H. v. 0,22 € pro Quadratmeter zu berücksichtigen ist. Die für die streitgegenständliche Wohnung anzunehmende Vergleichsmiete beträgt daher 6,25 € pro Quadratmeter.
Unter Wärmecontracting versteht man eine eigenständig gewerbliche Wärmelieferung aus einer in dem zu versorgenden Gebäude befindlichen Heiz- und/oder Warmwasseranlage, die von einem Dritten auf eigene Rechnung installiert, betrieben und in Stand gehalten wird. Wie in § 1 Abs. 3 des Mietvertrags vereinbart, werden die Wärmelieferungskosten auf die betreffenden Mitglieder der Klägerin umgelegt. D. h. die Beklagte zahlt die Einrichtung der Anlage und deren Unterhaltung einschließlich notwendiger Reparaturen anteilig mit.
Grundsätzlich ist es die Aufgabe des Vermieters die Beheizung des Mietobjekts zu gewährleisten und die Kosten dafür zu tragen. Die Vereinbarung über das Wärmecontracting, bei welcher dem Mieter an sich vom Vermieter zu tragende Kosten auferlegt werden, ist systemfremd. Aus diesem Grund kann auch das Argument, die Berücksichtigung des Wärmecontractings bei der ortsüblichen Vergleichsmiete sei eine unzulässige Vermischung von Mietpreissystemen, nicht greifen. Da bereits zuvor eine systemfremde Vereinbarung getroffen worden ist, muss diese entsprechend ausgeglichen und der Mieter von den ihm auferlegten Kosten entlastet werden.
Ein feststellbarer Teilmarkt hat sich für Wohnungen mit Wärmecontracting noch nicht herausgebildet. Dieser Umstand kann jedoch nicht zu Lasten des Mieters gehen. Wenn die Wohnungen in Kategorien mit entsprechender Heizung eingeordnet werden, muss es einen Abschlag geben. Letztlich hat die Klägerin der Mieterin nur ein beheizbares Objekt übergeben. Der Mieter hat zwar den gleichen Komfort, als würde der Vermieter die Heizung selbst betreiben, jedoch wird er wirtschaftlich nicht gleich gestellt, sondern muss die Kosten selbst tragen. Er tätigt mithin selbst Investitionen in das Mietobjekt, so dass eine Vergleichbarkeit mit Ausstattungsmerkmalen, welche vom Mieter angeschafft worden sind und für die der Vermieter keine Kostenvorteile ziehen darf, gegeben ist.
Das gefundene Ergebnis benachteiligt die Klägerin auch nicht unbillig. Ihr verbleibt die Ersparnis, die sich aufgrund des Wärmecontracting erzielt. Sie betreibt eben nicht – wie andere Vermieter – die Wärmeanlage und trägt folglich nicht die Kosten für Errichtung, Wartung und Reparatur der Heizung.
Die Feststellung der Höhe des aufgrund der Ausstattung mit Wärmecontracting vorzunehmenden Abschlags unterliegt der richterlichen Würdigung, § 287 ZPO. Anhaltspunkt hierfür ist die vom Sachverständigen unwidersprochen ermittelte finanzmathematische Mietpreisdifferenz i.H.v. 0,22 € pro Quadratmeter. Hierbei hat er anhand der von der Klägerin vorgelegten Daten die Differenz zu den von der Mieterin zu tragenden Kosten mit und ohne die Vereinbarung zum Wärmecontracting dargestellt, folglich ist dieser Wert hier zu Grunde zu legen. Bei einer ursprünglich ermittelten ortsüblichen Nettokaltmiete von 6,47 €/qm ist abzüglich des Betrags von 0,22 €/qm kein Raum für die verlangte Mieterhöhung. Die Miete beträgt schließlich derzeit 6,31 €/qm.
14.11.2015