Auf ein Mieterhöhungsverlangen vom 23.06.2023 ist der Berliner Mietspiegel 2024 anwendbar, obwohl dessen Erhebungsstichtag auf den 1.9.2023 fällt.
LG Berlin II vom 28.11.2024 – 64 S 143/24 –,
mitgeteilt von RA Manfred Lenz
Nach Ansicht des Gerichts war die ortsübliche Vergleichsmiete vorliegend nicht anhand des Berliner Mietspiegels 2023, sondern anhand des erst im Verlaufe des Rechtsstreits veröffentlichten Mietspiegels 2024 zu ermitteln. Denn dieser liefere bessere Näherungswerte für die ortsübliche Miete im Zeitpunkt der Wirksamkeit des Erhöhungsbegehrens als der Mietspiegel 2023.
Erhebungsstichtag für die statistische Ermittlung der Miethöhe sei beim Mietspiegel 2024 der 1. September 2023 und damit genau ein Monat vor dem Tag, zu dem die Mieterhöhung begehrt werde, während Erhebungsstichtag für den Mietspiegel 2023 der 1. September 2022 war.
Zwar beurteile sich die materielle Berechtigung eines Mieterhöhungsverlangens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anhand der Höhe der ortsüblichen Miete im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens (vgl. BGH vom 29.2.2012 – VIII ZR 346/10 –). Denn dem Mieter sei es danach nicht zuzumuten, eine Prognose über die Entwicklung des stets fluktuierenden Mietpreises bis zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Mieterhöhung zu treffen, und der Vermieter habe umgekehrt keinen Anspruch auf Berücksichtigung etwaiger Mietsteigerungen im Zeitraum nach Zugang des Erhöhungsverlangens.
Daran sei festzuhalten. Der Umstand, dass der Mietspiegel 2024 für den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens vom 25. Juli 2023 wegen des nach diesem Zeitpunkt liegenden Stichtags noch keine Gültigkeit beanspruche, spreche aber nicht grundsätzlich dagegen, der Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO diesen und dessen Indizwirkung als gegenüber dem Mietspiegel 2023 bessere Erkenntnisquelle zu Grunde zu legen. Denn die ortsübliche Miete im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens könne gemäß § 286 ZPO anhand einer Interpolation zwischen den Werten zweier Mietspiegel ermittelt werden, deren Stichtage vor und nach dem relevanten Datum liegen (BGH vom 15.3.2017 – VIII ZR 195/15 –).
Für das Ergebnis einer solchen Interpolation sei von den Werten des älteren oder des jüngeren Mietspiegels ein Ab- oder Zuschlag vorzunehmen, der einer linearen Entwicklung zwischen beiden Stichtagen entspreche. Vorliegend lägen die Werte des Mietspiegels 2024 für die streitgegenständliche Wohnung unter denen des Mietspiegels 2023, sodass entweder ein Zuschlag zu dem Wert des jüngeren Mietspiegels 2024 (Zeile 127) oder ein Abschlag von dem Wert des älteren Mietspiegels 2023 (Feld I2) vorzunehmen sei.
Urteilstext
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Zu Recht hat das Amtsgericht den Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung überwiegend abgewiesen. Denn die ortsübliche Vergleichsmiete für die 1929 bezugsfertige Wohnung in der Wetzlarer Straße 9 mit einer Größe von 79,69 m² beträgt nicht mehr als 583,33 Euro. Sie liegt nach dem Mietspiegel 2024 (im Saldo Zeile 127 abzgl. 20 %) bei 572,01 Euro (7,178 Euro/m² x 79,69 m²) und damit unter der vertraglich vereinbarten Nettokaltmiete von 582,53 Euro.
Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im Ergebnis auf die Werte des Berliner Mietspiegels 2024 abzustellen (vgl. 1.). Die Spanneinordnung ist anhand des Mittelwerts der Zeile 127 abzüglich 20 % zu ermitteln, denn die Merkmalgruppen 4 und 5, die zwischen den Parteien in der Berufung noch in Streit stehen, sind beide neutral zu bewerten (vgl. 2).
1.
Die ortsübliche Vergleichsmiete ist vorliegend nicht anhand des Berliner Mietspiegels 2023, sondern an Hand des erst im Verlaufe des Rechtsstreits veröffentlichten Mietspiegels 2024 zu ermitteln. Denn dieser liefert bessere Näherungswerte für die ortsübliche Miete im Zeitpunkt der Wirksamkeit des Erhöhungsbegehrens als der Mietspiegel 2023. Erhebungsstichtag für die statistische Ermittlung der Miethöhe ist beim Mietspiegel 2024 der 1. September 2023 und damit genau ein Monat vor dem Tag, zu dem die Mieterhöhung begehrt wird, während Erhebungsstichtag für den Mietspiegel 2023 der 1. September 2022 war.
Zwar beurteilt sich die materielle Berechtigung eines Mieterhöhungsverlangens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anhand der Höhe der ortsüblichen Miete im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens (vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10 – juris). Denn dem Mieter sei es danach nicht zuzumuten, eine Prognose über die Entwicklung des stets fluktuierenden Mietpreises bis zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Mieterhöhung zu treffen, und der Vermieter habe umgekehrt keinen Anspruch auf Berücksichtigung etwaiger Mietsteigerungen im Zeitraum nach Zugang des Erhöhungsverlangens.
Daran ist nach Auffassung der Kammer festzuhalten. Der Umstand, dass der Mietspiegel 2024 für den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens vom 25. Juli 2023 wegen des nach diesem Zeitpunkt liegenden Stichtags noch keine Gültigkeit beansprucht, spricht aber nicht grundsätzlich dagegen, der Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO diesen und dessen Indizwirkung als gegenüber dem Mietspiegel 2023 bessere Erkenntnisquelle zu Grunde zu legen. Denn die ortsübliche Miete im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens kann gemäß § 286 ZPO an Hand einer Interpolation zwischen den Werten zweier Mietspiegel ermittelt werden, deren Stichtage vor und nach dem relevanten Datum liegen (BGH, Urteil vom 15. März 2017 – VIII ZR 195/15 – juris Rn. 30f.)
Für das Ergebnis einer solchen Interpolation ist von den Werten des älteren oder des jüngeren Mietspiegels ein Ab- oder Zuschlag vorzunehmen, der einer linearen Entwicklung zwischen beiden Stichtagen entspricht. Vorliegend liegen die Werte des Mietspiegels 2024 für die streitgegenständliche Wohnung unter denen des Mietspiegels 2023, sodass entweder ein Zuschlag zu dem Wert des jüngeren Mietspiegels 2024 (Zeile 127) oder ein Abschlag von dem Wert des älteren Mietspiegels 2023 (Feld I2) vorzunehmen ist. Dabei ist jeweils der Mittelwert abzüglich 20 % maßgeblich. Ein Zwölftel der Differenz zwischen den Werten beider Mietspiegel, das auf den Monat August 2023 ausfallen würde (2023 [I2] abzgl. 20 % = 7,316 Euro/m²; 2024 [Zeile 127] abzgl. 20 % = 7,178 Euro/m²), stellt einen so geringen Anteil an der örtlichen Vergleichsmiete (0,0115 Euro/m²) dar, dass es im Rahmen der bei der Ermittlung der ortsüblichen Miete hinzunehmenden Fehlertoleranz vernachlässigt werden kann.
2.
Die Bewertung der Merkmalgruppen 1 (- 20 %), 2 (- 20 %) und 3 (+ 20 %) sind zwischen den Parteien unstreitig. Die Merkmalgruppen 4 (Gebäude) und 5 (Wohnumfeld) sind nach dem Dafürhalten der Kammer neutral zu bewerten. Denn auf Grundlage des Parteivorbringens sind weder das Merkmal „Installation einer modernen Heizungsanlage ab 1. Januar 2003“ (vgl. a.) noch das Merkmal „Besonders ruhige Lage der Wohnung“ (vgl. b.) zu bejahen.
a. Das Mietobjekt verfügt nach aktuellem Sach- und Streitstand nicht über eine moderne Heizungsanlage. Dagegen spricht maßgeblich, dass im Jahr 2004 unstreitig lediglich die Übergabestation zum im Jahr 1974 vorgenommenem Fernwärmeanschluss ausgetauscht wurde. Es ist nicht vorgetragen, dass es sich dabei um eine Modernisierungsmaßnahme gehandelt hat, sodass von einer Instandsetzung auszugehen ist, die eine nach Sinn und Zweck des wohnwerterhöhenden Merkmals notwendige Qualitätsverbesserung für die Mieterinnen und Mieter nicht mit sich bringt, zumal die Hausanlage nicht ausgetauscht worden ist. Etwas anderes kann sich aus dem Energieausweis des Objektes ergeben, sodass eine Eingruppierung nach dem Energieverbrauchskennwert möglich gewesen wäre. Diesen hat die Klägerin aber nicht vorgelegt.
b. Das Vorliegen einer besonders ruhigen Lage ist in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht zu verneinen. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie gegenüber anderen ruhigen Lagen als herausragend ruhig angesehen wird. Die Wohnung darf keinem Lärm ausgesetzt sein (LG Berlin, Urteil vom 11. Juli 2014 – 63 S 48/14 – juris Rn. 19). So liegt der Fall hier nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien nicht, denn die Wohnung liegt zwischen dem Südwestkorso (Parallelstraße) und der Laubacher Straße, die Verkehrslärm verursachen. Sie liegt nicht an einer verkehrsberuhigten Straße. Allein der Umstand, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Straße vor dem Haus auf 30 km/h begrenzt ist, genügt nicht, eine besonders ruhige Straße anzunehmen, denn diese Begrenzung ist in Berlin in den Wohnstraßen im Wesentlichen flächendeckend eingeführt worden (LG Berlin, Urteil vom 12. November 2002 – 63 S 464/01 – juris Rn. 9). Die Wohnung liegt nicht an einem Park, einer parkähnlichen Anlage und es gibt keine baulichen Einschränkungen auf der Straße wie etwa Poller, Fahrbahnverengungen oder Bepflanzung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten oder im Internet frei verfügbaren Lärmkarten. Der über das Geoportal Berlin zugängliche Umweltatlas (Kernindikator Lärmbelastung 2021/2022; abrufbar unter https://fbinter.stadt-berlin.de/fb/index.jsp) weist die Lärmbelastung in der Wetzlarer Straße 9 auf der dreistufigen Skala gering/mittel/hoch als mittel aus.
3.
Die Kammer regt daher an, die Berufung zurückzunehmen. Auf die Rechtsfolge des § 524 Abs. 4 ZPO wird vorsorglich hingewiesen; ebenso darauf, dass sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren im Falle der Rücknahme der Berufung halbieren (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).
4.
Der Streitwert bemisst sich gemäß § 41 Abs. 5 GKG sowohl für die Berufung als auch für die Anschlussberufung mit dem Jahresbetrag der streitigen Differenz. Die Werte der Berufung (12 x 63,28 Euro) und der Anschlussberufung (12 x 0,80 Euro) werden addiert (759,36 Euro + 9,60 Euro = 768,96 Euro).
31.03.2025