Leitsatz:
Begründet der Vermieter eine Mieterhöhung mit dem Berliner Mietspiegel 2015, kann er sich im Zustimmungsprozess nicht auf das Beweismittel „Sachverständigengutachten“ berufen, denn dies stellt einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantritt dar. Die Zustimmungsklage des Vermieters ist in diesem Falle unbegründet.
AG Pankow/Weißensee vom 18.5. 2016 – 100 C 353/15 –
Mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Zum gleichen Ergebnis mit gänzlich anderer Begründung kommt das AG Neukölln:
Berliner Mietspiegel 2015 – AG Neukölln vom 12.4.2016 – 18 C 288/15 –
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung aus § 558 BGB nicht zu.
… Der Klägerin ist es nicht verwehrt, sich als Begründungsmittel gemäß § 558 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf den Berliner Mietspiegel 2015 zu berufen, auch wenn sie der Auffassung ist, dass dieser auf Grund von erheblichen Mängeln weder als qualifizierter noch als einfacher Mietspiegel die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für die Wohnung zutreffend wiedergibt.
Die entsprechende Rechtsauffassung macht weder das Mieterhöhungsverlangen vom 18.06.2015 formal unwirksam, noch verhält sich die Klägerin widersprüchlich oder gar rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich im vorliegenden Rechtsstreit als Beweismittel für die behauptete Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht auf den Berliner Mietspiegel 2015 beruft.
… Die Klägerin ist für die behauptete Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete beweispflichtig. Sie hat sich ausdrücklich gerade nicht auf den Berliner Mietspiegel 2015 als Beweismittel berufen. Die Klägerin hat für ihre streitige Behauptung, die geforderte Miete von 6,23 EUR/m² übersteige nicht die in der Stadt Berlin üblichen Entgelte für nicht preisgebundenen Wohnraum gleicher Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage, Beweis angetreten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Insoweit handelt es sich jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantritt.
Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt vor bei einem Beweisantritt, der nicht unmittelbar oder mittelbar dem Beweis vom Beweisführer vorgetragener Tatsachen dient, sondern der Ausforschung von Tatsachen oder der Erschließung von Erkenntnisquellen, die es erst ermöglichen sollen, bestimmte Tatsachen zu behaupten und sodann unter Beweis zu stellen. Für die Abgrenzung des zulässigen Beweisantrags von einem unzulässigen ist entscheidend, ob die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt; im Zweifelsfall hat sie die tatsächlichen Anhaltspunkte oder ihre Erkenntnisquelle darzulegen (vgl. Zöller, ZPO-Kommentar, 31. Aufl. 2016, vor § 284 ZPO Rdz. 8c m.w.N.).
Trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises, dass ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantritt vorliegen dürfte, ist der klägerische Vortrag zur streitgegenständlichen Wohnung und zur behaupteten Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht derart hinreichend ergänzt worden, dass es sich bei dem·Beweisantritt „Sachverständigengutachten“ nicht um einen Ausforschungsbeweisantritt handeln würde.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 08.09.1993, 1 BvR 1331/92 (zitiert nach juris) in einem Fall, beidem das Mieterhöhungsverlangen auf drei Vergleichswohnungen gestützt wurde, ausgeführt,·dass ein Sachverständiger in der Lage ist, auf Grundlage des Vortrags die ortsübliche Vergleichsmiete für eine Wohnung zu ermitteln.
Vorliegend genügt jedoch der Vortrag nicht, um eine hinreichende Tatsachengrundlage für einen Sachverständigen zu bilden.
Auf Grund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte bzw. Erkenntnisquelle die Klägerin zu ihrer Behauptung gelangt, die geforderte Miete von 6,23 EUR/m² übersteige nicht die ortsübliche Vergleichsmiete, hat die Klägerin nicht ausgeführt.
Bei einer Anwendung des Berliner Mietspiegels 2015 ergibt sich angesichts des Streits über das Vorliegen behaupteter wohnwerterhöhender und wohnwertmindernder Merkmale eine entsprechende ortsübliche Vergleichsmiete nicht ohne weiteres, jedenfalls nicht ohne Beweisaufnahme.
… Der bereits zitierte Beschluss dies Bundesverfassungsgerichts vom 08.09.1993 steht vorliegend der Wertung des klägerischen Beweisantritts als unzulässiger Ausforschungsbeweisantritt nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss zu dem damals zugrunde liegenden Fall insbesondere ausgeführt, ein Vermieter dürfe nicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt werden, indem ihm verfassungsrechtlich unzulässige Begründungslasten auferlegt werden. ln dem dem Bundesverfassungsgericht zu Grunde liegenden Fall ergaben sich die vermieterseitigen Angaben zur behaupteten ortsüblichen Vergleichsmiete aus den konkret angeführten 3 Vergleichswohnungen.
Vorliegend ist klägerseits·jedoch weder hinreichend dargelegt worden, auf Grund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte bzw. Erkenntnisquellen die Klägerin zu der behaupteten ortsüblichen Vergleichsmiete für die·konkrete Wohnung gelangt, noch hinreichend zur vermieterseitigen Ausstattung der Wohnung und zum Zustand des Mietsache zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Zugang des Mieterhöhungsbegehrens, vorgetragen worden.
Eine verfassungsrechtlich unzulässige Auferlegung überzogener Begründungslasten ist vorliegend daher nicht ersichtlich.
01.07.2016