Leitsatz:
Zur Frage, wann Bodenfliesen „hochwertig“ sind im Sinne der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel 2015 und was der Vermieter zur „Hochwertigkeit“ vorzutragen hat.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 24.2.2016 – 19 C 264/15 –
Mitgeteilt von RAin Ute Malinowski
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels 2015 – anders noch in der Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels 2007 – wegen der seit einigen Jahren geltenden Formulierung „Als Bodenbelag hochwertige Fliesen, hochwertiges Linoleum, hochwertiges Feuchtraumlaminat, Parkett oder Terrazzo in gutem Zustand“ nicht bereits das bloße Vorhandensein von Fliesen als Bodenbelag wohnwerterhöhend ist. Andernfalls hätte es des Zusatzes „hochwertig“ nicht bedurft.
Die Vermieterin trug vorliegend zur Beschaffenheit der Fliesen lediglich vor, dass diese pro Quadratmeter 40 DM gekostet haben sollen und dass sie nach sechzehn Jahren noch in gutem Zustand seien.
Der von der Vermieterin vorgetragene Preis der Fliese konnte der Entscheidung aber nicht zugrunde gelegt werden, weil die Mieter diesen Anschaffungspreis zulässig bestritten hatten und die Vermieterin keinen zulässigen Beweis erbracht oder angeboten hatte.
Die Frage, ob eine Fliese hochwertig ist, sei ohnehin nicht allein am Preis festzumachen, sondern es gehe um ihre Beschaffenheit und ihre Eigenschaften, unter anderem hinsichtlich des Oberflächenverschleißes (Abrieb). Eine hochwertige Fliese müsse sich von einer durchschnittlichen Fliese und nicht nur von einer einfachen Fliese abheben.
Dem Vortrag der Vermieterin, der gute Zustand nach sechzehn Jahren beweise die Hochwertigkeit, könne nicht gefolgt werden. Zum einen hätten die Mieter die Fliesen mit Teppichboden geschützt. Aber auch sonst sei ein Zeitraum von sechzehn Jahren nicht ausreichend, um die Hochwertigkeit der Fliese zu belegen. Auch durchschnittliche Fliesen wiesen nach sechzehn Jahren nicht zwingend Mängel auf.
Mangels ausreichend substantiierten Vortrags zur Hochwertigkeit der Bodenfliesen sei dem Beweisangebot eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen gewesen. Insbesondere habe die Vermieterin keine von einem Sachverständigen zu begutachtende Eigenschaften der Fliese (wie den Abrieb, das Material, eine eventuelle Glasur oder ähnliches) behauptet, wodurch sich diese von durchschnittlichen Fliesen abhebe. Die Einordnung der Fliese als „hochwertig“ sei aber eine Rechtsfrage, die nicht von einem Sachverständigen zu beantworten sei.
Die streitige Merkmalgruppe 2 (Küche) sei daher nach Überzeugung des Gerichts neutral zu bewerten, weil das von der Vermieterin behauptete wohnwerterhöhende Merkmal „hochwertige Fliesen“ nicht zu bejahen sei.
Urteilstext
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine weitere Zustimmung zur Mieterhöhung.
Die Beklagten sind Mieter der Wohnung in der A..-Str. xx, 1xxxx Berlin, Vorderhaus, 6. OG, die über Sammelheizung, Bad und WC verfügt und deren Eigentümerin seit dem Jahr 2014 die Klägerin ist. Die Wohnungsgröße beträgt 73,61 qm und sie wurde 1955 fertiggestellt. Die Kaltmiete betrug seit dem 1. September 2013 423,26 EUR. Zwischen den Parteien ist die Einordnung der Wohnung in vier Merkmalgruppen des Berliner Mietspiegels 2015 unstreitig, und zwar die Merkmalgruppen 1, 3 und 4 als positiv und die Merkmalgruppe 5 als neutral. Streitig ist die Einordnung der Merkmalgruppe 2: Küche. Der Boden der Küche ist mit weißen, matten Bodenfliesen mit einem Maß von 20 cm x 20 cm gefliest. Die Beklagten legten aus optischen Gründen auf die Bodenfliesen in der Küche Teppichboden.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2015 verlangte die Klägerin von den Beklagten unter Verweis auf den Berliner Mietspiegel2015 die Zustimmung zur Mieterhöhung von 423,26 EUR um 50,13 EUR auf 473,39 EUR (= 6,43 EUR /qm) ab dem 1. August 2015. ln dem Schreiben wird das in der Gruppe 2 angeblich zu bejahende Merkmal „Fliesen, Terrazzo oder hochwertiger anderer Bodenbelag“ genannt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Mieterhöhungsverlangen vom 22. Mai 2015 verwiesen. Die Beklagten erteilten ihre Zustimmung zum Teil, und zwar in Höhe von 27,97 EUR. Im Übrigen stimmten sie nicht zu.
Die Klägerin behauptet, die Fliesen hätten im Jahr 1999 40,- DM pro Quadratmeter gekostet, und sie legt dazu eine undatierte Baubeschreibung vor, in der dies unter Punkt 7.3 als Preisbasis benannt wird. Auf die Baubeschreibung wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Die Klägerin behauptet, der Preis für vergleichbare einfache weiße Bodenfliesen liege bei ca. 7,49 bis 12,- EUR netto. Sie ist der Ansicht, es handele sich um hochwertige Fliesen. Sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, für die überlassene Zwei-Zimmer-Wohnung im Haus A-Str. xx in 1xxxx Berlin, Vorderhaus, 6. OG ab dem 1. August 2015 einer Erhöhung der monatlichen Grundmiete von 423,26 EUR um weitere 14,72 EUR auf 465,95 EUR rückwirkend zum 1. August 2015 zuzustimmen sowie an die Klägerin 14,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. August 2015 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, es handele sich bei den in der Küche verlegten Bodenfliesen nicht um hochwertige, sondern um normale Fliesen. Der Preis für Fliesen, den die Klägerin nennt, sei der Preis für einfachste Fliesen.
Die am 27. August 2015 bei Gericht eingegangene Klage ist den Beklagten am 17. Oktober 2015 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere formgerecht i.S.v. § 558 a BGB und fristgerecht i.S.v. § 558 b Abs. 2 BGB erhobene Klage ist nicht begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zu der mit der Klage begehrten weiteren Erhöhung der Nettokaltmiete für die von den Beklagten bewohnte Wohnung im Haus A-Str. xxx in 1xxxx Berlin, Vorderhaus, 6. OG ab dem 1. August 2015 um weitere 14,72 EUR auf 465,95 EUR rückwirkend zum 1. August 2015 gemäß § 558 Abs. 1 BGB i.V.m. mit dem Mietvertrag.
Nach § 558 i.V.m. §§ 558 c und 558 d BGB kann der Vermieter die Zustimmung zur Erhöhung der·Miete verlangen, wenn der bisherige Mietzins seit einem Jahr unverändert ist, die geforderte neue Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt und sich durch die Anhebung die Miete nicht um mehr als 20% innerhalb von drei Jahren erhöht.
- Die 15-monatige Wartefrist des § 558 Abs.1 BGB ist von der Klägerin unstreitig eingehalten worden. Durch eine Mieterhöhung auf 465,95 EUR nettokalt würde auch die Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB nicht überschritten.
- Die von der Klägerin mit dem Erhöhungsverlangen vom 22. Mai 201verlangte Nettokaltmiete i.H.v. von 473,39 EUR (= 6,43 EUR /qm) nettokalt übersteigt aber die ortsübliche Vergleichsmiete i.S.v. § 558 Abs. 2 BGB, weil dieser Mietzins die üblichen Entgelte für nicht preisgebundenen Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage übersteigt.
Die 1955 bezugsfertig gewordene Wohnung der Beklagten ist mit Sammelheizung, Bad und lnnen-WC ausgestaltet, liegt in einer mittleren Wohnlage und hat eine Wohnfläche zwischen 60 und 90 qm. Bei Wohnungen, die in das Mietspiegelfeld H 3 einzuordnen sind, beträgt der ortsübliche Vergleichsmietzins 4,96 bis 6,53 EUR nettokalt pro qm bei einem Mittelwert von 5,54 EUR nettokalt pro qm. Dies folgt aus der zumindest bestehenden Indizwirkung des Berliner Mietspiegels 2015, die von den Parteien nicht angezweifelt wird.
Bei einer Wohnfläche von 73,91 qm entspricht die verlangte Miete 6,33 EUR pro Quadratmeter. Die ortsübliche Vergleichsmiete liegt aber bei 6,13 EUR pro Quadratmeter, d.h. bei der Größe der Wohnung von 73,61 Quadratmeter bei 451,23 EUR. Einer Mieterhöhung in dieser Höhe hatten die Beklagten bereits vorprozessual zugestimmt, indem sie der Erhöhung der Miete von 423,26 EUR um 27,97 EUR zugestimmt hatten (423,26 EUR + 27,97 EUR = 451,23 EUR), so dass kein weiterer Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung besteht.
Bei der Spanneneinordnung nach dem Berliner Mietspiegel 2015 ist, weil drei wohnwerterhöhende Merkmalgruppen, zwei neutrale Merkmalgruppen und keine Sondermerkmale vorliegen, für die von der Beklagten bewohnten Wohnung·folgender Wert maßgeblich.
Berliner Mietspiegel 2015
Mittelwert Mietspiegelfeld H 3: 5,54 EUR
Spanneneinordnung: drei positive Gruppen (6,53 – 5,54) x 0,6 =) 0,59 EUR
Keine Sondermerkmale: 0,00 EUR
Nettokaltmiete/qm: 6,13 EUR
Dies ergibt sich unter Anwendung der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung des Berliner Mietspiegels 2015. Die Orientierungshilfe ist zwar nicht Teil des qualifizierten Mietspiegels, ihre Angaben sind aber vom Sachverstand der an der Mietspiegelerstellung beteiligten Experten getragen. Die an den genannten Merkmalen orientierte Einordnung des Wertes der konkreten Wohnung innerhalb der für vergleichbare Wohnungen ermittelten Mietpreisspanne ist eine seit Jahren auch gegenüber der Ermittlung der ortsüblichen Miete durch Sachverständige bewährte, zeit-und kostensparende Methode der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete gem. § 287 ZPO.
Für die von den Beklagten bewohnte Wohnung ist die Einordnung in vier Merkmalgruppen des Berliner Mietspiegels 2015 unstreitig, und zwar die Merkmalgruppen 1, 3 und 4 als positiv und die Merkmalgruppe 5 als neutral.
Die streitige Merkmalgruppe 2 (Küche) ist nach Überzeugung des Gerichts neutral zu bewerten, weil das von der Klägerin behauptete wohnwerterhöhende Merkmal „hochwertige Fliesen“ nicht zu bejahen ist.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Orientierungshilfe des·Berliner Mietspiegels 2015 – anders noch in der Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels 2007, bei dem das Merkmal „Fliesen, Terrazzo oder hochwertiger anderer Bodenbelag“ lautete, wie es auch die Klägerin fälschlicherweise in ihrem Mieterhöhungsverlangen vom 22. Mai 2015 noch benannte – ist wegen der seit einigen Jahren geltenden Formulierung „Als Bodenbelag hochwertige Fliesen, hochwertiges Linoleum, hochwertiges Feuchtraumlaminat, Parkett oder Terrazzo in gutem Zustand“ nicht bereits das bloße Vorhandensein von Fliesen als Bodenbelag wohnwerterhöhend. Andernfalls hätte es des Zusatzes „hochwertig“ nicht bedurft (LG Berlin, Urteil vom 12. März 2013, 63 S 261/12, Rn. 7, juris). Diese am Wortlaut haftende Auslegung ist mit Blick auf die Änderung der Orientierungshilfe genau in diesem Punkt innerhalb der letzten zehn Jahre gerechtfertigt. Die von der Klägerin bemühte Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg aus dem Jahr 2008 (Urteil vom 12. März 2008, Az. 104 a C 544/07) hilft hier nicht weiter, weil der Entscheidung noch die vorherige Formulierung zu Grunde lag.
Dass es sich um hochwertige Fliesen handelt, hat die Klägerin nicht ausreichend dargetan und nicht bewiesen. Ihrem Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht nachzugehen.
Die Klägerin trägt zur Beschaffenheit der Fliese lediglich vor, dass diese 40,- DM gekostet haben soll und dass diese nach sechzehn Jahren noch in gutem Zustand sei.
Der von der Klägerin vorgetragene Preis der Fliese kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden, weil die Beklagten diesen Anschaffungspreis zulässig bestritten haben und die Klägerin keinen zulässigen Beweis erbracht oder angeboten hat. Insbesondere ist die Baubeschreibung für den Nachweis des Anschaffungspreises nicht geeignet, weil diese abänderbar ist.
Die Frage, ob eine Fliese hochwertig ist, ist ohnehin nicht allein am Preis festzumachen, sondern es geht um ihre Beschaffenheit und ihre Eigenschaften, unter anderem hinsichtlich des Oberflächenverschleißes (Abrieb). Eine hochwertige Fliese muss sich von einer durchschnittlichen Fliese und nicht nur von einer einfachen Fliese abheben.
Der Vortrag der Klägerin, der gute Zustand nach sechzehn Jahren beweise die Hochwertigkeit, kann nicht gefolgt werden. Zum einen haben die Beklagten die Fliesen mit Teppichboden geschützt. Aber auch sonst ist ein Zeitraum von sechzehn Jahren nicht ausreichend, um die Hochwertigkeit der Fliese zu belegen. Auch durchschnittliche Fliesen weisen nach sechzehn Jahren nicht zwingend Mängel auf.
Mangels ausreichend substantiierten Vortrags zur Hochwertigkeit der Bodenfliesen·war dem Beweisangebot eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen. Insbesondere hat die Klägerin keine von einem Sachverständigen zu begutachtende Eigenschaften der Fliese (wie den Abrieb, das Material, eine eventuelle Glasur o.ä.) behauptet, wodurch sich diese von durchschnittlichen Fliesen abhebt. Die Einordnung der Fliese als „hochwertig“ ist eine Rechtsfrage, die nicht von einem Sachverständigen zu beantworten ist.
II. Mangels Anspruch auf Zustimmung besteht auch der Zahlungsanspruch in Höhe von 14,72 EUR nebst Zinsen nicht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
01.07.2016